Heiß, heiß, heiß, heiß, heiß. Das war die Sonne über einem, das war aber auch der blanke Asphalt unter einem, der auf einem Stück des Weges lag. Zwischen der Familien-Wiese und dem Kiosk hüpften die Menschen mit nackten Füßen wie die Spinnen über die heiße Herdplatte. Und sicherlich hätte man an so manchem Tag problemlos Spiegeleier auf der kurzen Strecke zubereiten können. Betont lässig flanierten die Leute mit den Badelatschen hinüber und lachten über das choreographische Schauspiel, das sich ihnen von den anderen Jazz-Gymnasten bot. Manche Barfüßige nahmen den Umweg durch das urinwarme „Piss-Becken“. So wurde von vielen die größere Pfütze für das Baby-Planschen genannt.
Der Begriff „das alte Bünde Freibad“ beinhaltet für jeden zahlreiche diverse Geschichten. Wer kann am längsten unter Wasser bleiben? Wer konnte dabei am weitesten und tiefsten tauchen? Wer traut sich mit der besonders hilflosen Art des Flirts, das schönste Mädchen der Klasse zu „döppen“? Wie tief ist es unter den Sprungtürmen? Häha, Häme! M. traut sich nicht mal ins tiefe Becken.
In diesem Becken wurde das Seepferdchen gemacht, man tauchte nach Ringen, lernte Kraulen, Rücken- und Brust-Schwimmen, unterschiedliche Wenden und erfuhr, wie lang 50 Meter wirklich sein können. Hier sprang man das erste Mal vom Startblock, vom Einer, vom Fünfer und manche sogar vom Zehner. Aber nicht vom Beckenrand, denn das war verboten. Natürlich hat es fast jeder gemacht.
Respekt vorm Bademeister
Der Bademeister war damals noch eine Respektsperson und nicht nur der leitende Fachangestellte für Bäderbetriebe, der einem in Notfall die verlorenen Eltern per Lautsprecher wiederbeschaffen konnte und einem erklärte, dass bei einem Gewitter und nach 18 Uhr das Wasser für Kinder und junge Jugendliche zu verlassen sei. Von seinem Hochsitz am Beckenrand oder von seinem Glaskasten aus sah er alles, und wenn ein Pfiff seiner Pfeife ertönte, blickte jeder verängstigt in seine Richtung. Ein ganz wichtiges Kriterium für den reibungslosen Betriebsablauf war dabei das korrekte Aufsetzen einer stets zu kleinen Badekappe. Nein, früher war auch nicht alles besser.
Chlor schmeckte noch hier wirklich nach Chlor. „Viel bringt viel“, sagt ein Sprichwort der Chemiker, und in der Tat war sicherlich nie zu wenig davon in Verwendung. Vielleicht war auch das und der nachlässig verlorene Urin der Grund, warum die Freibad-Pommes wie überall immer die besten waren. Dort am Kiosk gab es aber auch Eis – den guten Edi, von Schleck (hieß der wirklich so?) oder den Flutschfinger. Die meisten Dinge aber brachte man sich selber mit, weil das viel billiger war. Der Ausflug ins Freibad mit der Familie war oftmals auch ein Picknick. Lange bei den Eltern hielt es einen währenddessen nie. Außer man brauchte Geld für den Kiosk und wagte den „Tanz“ über die heiße Herdplatte. Aber ob man nun mit der Familie oder mit Freunden da war – dem anderen ein kaltes Handtuch oder eine nasse Badehose auf den Rücken zu werfen, und sich danach über die Wiese oder ins Wasser jagen zu lassen, war eines der beliebtesten Spielchen auf dem Rasen.
Erster Kuss im Schatten der Bäume
Auf der großen Liege-Wiese war der Trubel groß. Ghettoblaster nannten wir die tragbaren Kassetten-Rekorder, die in ihrer Größe ihr Limit nur im astronomischen Bereich fanden. Gleiches galt für ihre Lautstärke. „Ich will zurück nach Westerland.“ Je nach Wetter waren mal Plätze in der Sonne oder im Schatten sehr begehrt. Und wenn man nicht schwamm, spielte man vielleicht eine Runde Schach auf dem übergroßen Spielfeld rechts vom Kiosk. Manche sahen dabei auch einfach nur zu. Wenn die Figuren weggeschlossen waren, weil einfach zu wenig Publikumsverkehr herrschte, klaute man sich dort unter dem dichten Schatten der Bäume auch mal den Kuss von einem Mädchen.
Das Bünder Freibad bot aber nicht nur Geschichten, es hatte auch selber eine. Als Volksreinigungsanstalt des Dritten Reichs sah man seine Architektur mit völlig anderen Augen. Ebenso wie die Abtropfmatten auf dem Boden in den winzigen Umkleidekabinen, die nach ihrem Zustand beurteilt vermutlich schon seit Anfang der 1940er Jahre dort lagen. Die Desinfektions-Duschen für die Füße gegen Pilz an den Säulen davor erfüllten also durchaus ihren Zweck. Vor den Becken gab es kalte Duschen, im Gebäude auch warme. Damit sie warm wurden, musste man Geld in einen kleinen Kasten werfen. Dazu brauchte man unbedingt Groschen, andere Münzen wurden nicht akzeptiert. Kabinen gab es nicht. In der Männerdusche konnte jeder das miteinander vergleichen, was er wollte.
Es gab auch inoffizielle Feten
Im Freibad wurden offizielle und inoffizielle Feten gefeiert. In einer besonders warmen Sommernacht sind wir sogar mal im Dunkeln über den Zaun geklettert und mit Unterhosen ins Wasser gesprungen. Es war wie eine Szene aus einem Jugendroman. Dann aber bekamen wir doch Angst und flüchteten alsbald und schnell ungesehen in die lauwarme Lichtlosigkeit der Nacht.
Nun hat die Stadt nach vielen Diskussionen ein neues, modernes Freibad, das bald komplett fertig sein wird und dessen Eingang sich gar nicht mehr gegenüber vom Fluss befindet. Hoffentlich spielt dann bald auch das Wetter des Sommers mit, denn der Bünder mag es ja heiß, heiß, heiß...