Bünde

Die beste Bratwurst gab es früher im Steinmeisterpark

Erinnerungen an altes Else-Wasser (2): Jede Stadt ist zu fast jeder Zeit an fast irgendeiner Ecke im Wandel. Der Steinmeisterpark sah früher ganz anders aus, schreibt unser Autor Nicolas Bröggelwirth.

Der Steinmeisterpark in Bünde sieht heute anders aus. | © Gerald Dunkel

11.04.2021 | 23.04.2021, 18:02

Bünde. Eigentlich sollte ich jetzt vor einer Imbiss-Bude stehen, aber man hat sie schon vor geraumer Zeit abgerissen. Die Bratwurst hier war gar nicht schlecht, andere behaupten, hier gab es später den besten Döner der Stadt. Außen an der Fassade hing der Zigaretten-Automat, aus dem ich für meinen Vater auch nach Einbruch der Dunkelheit für 4 Mark immer eine Packung „Ernte 23" ziehen musste. Ohne Widerrede.

Heute befindet sich hier so eine Art „Haupteingang" zum Steinmeisterpark. Der befand sich früher weiter rechts den Nordring runter und war im Grunde genommen nur ein fehlendes Element im niedrigen Holzzaun, dessen Lücke man auf dem Boden gepflastert hatte. Zumindest war das der Eingang von meinem Wohnort aus.

Links die Bismarckstraße hinab konnte man lange Zeit eine „Brücke" sehen. Das war eine viel zu steile Fehlkonstruktion, die Fußgängern und Rollstuhlfahrern einen sicheren Weg über die Fahrbahn bieten sollte.

Die früheste Kindheitserinnerung

Hier in den Stadtpark reicht meine früheste Kindheitserinnerung zurück. Ich ging mit meinen Eltern spazieren, und ich hatte Hunger. Großen Hunger. Ich bekam die Hälfte eines trockenen Brötchens, auf dem ich mit meinen drei oder vier Jahren zufrieden herummümmeln konnte. Jetzt muss man aber wissen, dass gerade die Bünder Enten sehr neidische Tiere sind. Eine von ihnen watschelte fast unschuldig auf mich zu, riss mir mit ihrem Schnabel und einer blitzartigen Bewegung das Brötchen aus der Hand und verschwand ebenso geschwind in den Weiten der Prärie. Ich weinte erbärmlich.

Mittlerweile sind mehr Gänse als Enten zu sehen. Wie diebisch sie sind, kann unser Autor noch nicht sagen. Foto: Nicolas Bröggelwirth - © Nicolas Bröggelwirth
Mittlerweile sind mehr Gänse als Enten zu sehen. Wie diebisch sie sind, kann unser Autor noch nicht sagen. Foto: Nicolas Bröggelwirth | © Nicolas Bröggelwirth

Meine Eltern versprachen mir, dass ich zuhause sofort etwas anderes zu essen bekommen würde. Auch etwas ganz leckeres. Aber ich hatte keinen Hunger mehr, es ging mir nur noch um die Ente. Das also war der Dank dafür, dass man so viele Sonntagnachmittage das alte Brot zu ihnen brachte.

Hier, hinter dem neuen Eingang, war linker Hand ein kleiner Ziergarten zum Flanieren, der mit Rosen überrankt war. Dort sind mein bester Freund und ich immer mit unseren Fahrrädern durchgebrettert. Er war das benachbarte Kind eines Zahnarztes und hatte immer viel schönere Räder als ich. Das wirklich Blöde aber war, dass er schneller fahren konnte.

Am Weg, der nicht mehr dort verläuft, wo er hingehört, stand die Bank, auf der meine erste Freundin mit mir Schluss gemacht. Man hat sie abgerissen wie die Rosen. Also die Bank. Und was sollte eine Bank auch ohne Weg?

Die Brücke ist heute eine andere

Immer noch gibt es die Insel mit dem Entenhäuschen darauf. Ob da der Brötchen-Dieb gewohnt hat? Die einzige Möglichkeit, die Insel zu besuchen war im Winter, wenn der Teich zugefroren war. Viele Menschen waren dann auf dem Eis. Ich selbst lernte dort das Schlittschuh-Fahren. C. konnte das auch rückwärts. Zahnarztkinder!

In der Nähe der Brücke war das Eis immer ein wenig dünner. Mein Vater brach dort einmal ein, als mir drohte, es vor ihm zu tun. Er hielt mich mit beiden Händen in die Höhe, während er mit seinem Körper im gefährlich kalten Wasser strampelte. Später musste ihm deswegen die Milz entfernt werden.

Die Brücke ist heute eine andere, führt aber immer noch zu dem Spielplatz, wo ich mit J. und M. meine ersten Zigaretten rauchte. Wir hatten uns sogar alle ein Benzin-Feuerzeug gekauft, saßen auf der Mauer und unsere Beine baumelten über dem Wasser, während wir und cool vorkamen, kurz bevor uns schwindelig wurde. Noch ein paar Jahre zuvor waren die Spielgeräte viel interessanter. Am spannendsten war eine Art Karussell. Vier einst grüne Bänke waren in Kreuzform um ein rotes Rad in der Mitte montiert, das fest im Boden verankert war. Wenn man nun an dem Rad drehte, drehte man die Bänke um das Rad. Immer schneller und schneller. Man wurde nach außen gedrückt. Ganz Mutige versuchten, während der Fahrt auf- und abzuspringen. Dann flog man aufs Maul.

Neu sind eine Bar und eine Bühne mit Rostkunst. Dahinter führten Treppen in den alten Zuchtfischteich eines Zigarren-Fabrikanten. Links und rechts standen steinerne Fisch-Köpfe, die heute weniger imposant am Rande ins Wasser blicken. Das Ufer war mit alten Grabsteinen befestigt.

Vieles im Park ist verschwunden, anderes ist gleich, manches neu. Der Stadtchronist und Kunstkritiker Karl Scheffler schrieb 1910: „Berlin ist dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein." Bünde hat wohl das gleiche Problem.