Bünder Rathaus-Mitarbeiter unter Druck: "Angriffe werden mehr"

Bünde. Der vorerst letzte Vorfall liegt gut einen Monat zurück. Mitte August wurde das Rathaus in Herford nach einem Drohanruf für mehrere Stunden geräumt. Und auch in Bünde sehen sich die städtischen Mitarbeiter gefährlichen Situationen ausgesetzt. "Es gab und gibt immer wieder Vorfälle, die in den letzten Jahren leider stetig zugenommen haben", berichtet Doris Greiner-Rietz von der Pressestelle der Stadt Bünde auf Anfrage von nw.de. "Besonders betroffen waren in den vergangenen Jahren die Beschäftigten des Rettungsdienstes, des Ordnungsbereiches und die Mitarbeiter des Sozialamtes." Sowohl die Mitarbeiter im Außen- als auch die im Innendienst seien von den Vorfällen betroffen, bei denen es sich sowohl um verbale als auch um körperliche Angriffe handele. "Beleidigungen, Bedrohungen und tätliche Angriffe nehmen zu" "Es ist zu beobachten, dass neben Bedrohungen und Nötigungen vor allem ein unangepasstes Sozialverhalten und verbale Aggressionen gegenüber allen Beschäftigten stark zunehmen", sagt Greiner-Rietz. Diese Ansicht bestätigt Alexander Handschuh, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). "Beleidigungen, Bedrohungen und tätliche Angriffe nehmen zu. Der Ton wird insgesamt rauer." Es wird schwierig, dieses Thema an konkreten Zahlen zu belegen. Die Kriminalstatistik der Polizei Herford schlüsselt die Übergriffe nicht auf. "Im vergangenen Jahr gab es keinen einzigen Übergriff im Rathaus", sagt ein Sprecher der Polizei Herford. "Die Sicherheitslage im Kreis Herford ist nach wie vor sicher." Dem hält Handschuh eine eigene Umfrage entgegen. In diesem Sommer befragte der DStGB 1.000 Bürgermeister in ganz Deutschland. "Demnach hat jeder fünfte Befragte bereits Hassmails oder Einschüchterungsversuche erlebt. Mehr als 14 Prozent wurden Opfer anderer Formen von Gewalt wie tätliche Übergriffe. Die Zahlen sind erschreckend." "Das erhöht die allgemeine Akzeptanz von Gewalt" Ein Problem sei, dass das Thema bislang wenig Beachtung finde. "Es gibt jährlich, soweit Städte und Kommunen eine zugängliche und genaue Statistik führen, mehrere hunderte Fälle, die kaum öffentlich werden", sagt Andreas Zick. Der Soziologe leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Die Problematik indes sei schon lange bekannt. "Gewerkschaftlich organisierte Angestellte überall in Deutschland haben schon die letzte Bundesregierung gemahnt, sich mehr darum zu kümmern. Allein in 2014 gab es fünf Todesfälle von Gewalt gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes." Einen möglichen Grund sieht Zick in der gesellschaftlichen Entwicklung. "Unsere Studien zeigen, dass viele Menschen glauben, in der Gesellschaft gelten weniger Werte und Normen der Solidarität, der gegenseitigen Achtsamkeit und Zivilcourage. Menschen merken, dass der Verdrängungswettbewerb zunimmt und verhalten sich eher danach." Nicht nur Mitarbeiter der städtischen Verwaltung seien davon betroffen, auch Ärzte, Pflegepersonal, oder Mitarbeiter der Rettungsdienste. "Das führt indirekt zu einer Verschiebung von Normen und erhöht die allgemeine Akzeptanz von Gewalt. Das geschieht weniger sichtbar und indirekt." Mitarbeiter mit Handalarmen ausgestattet In Bünde hat die Stadt auf diese Entwicklung reagiert. Bereits 2016 wurden alle publikumsintensiven Arbeitsplätze auf Gefährdungslagen mit polizeilicher Unterstützung untersucht und zum Teil verändert. Zudem unterzeichneten Bürgermeister Wolfgang Koch, der Personalratsvorsitzende Achim Bernhardt und die Gleichstellungsbeauftragte Dorit Bethke eine Grundsatzerklärung, die im Rathaus und allen Schulen aushängt. Darin verpflichtet sich die Stadt dazu, jegliche Gewalt zu ahnden. "Folglich wird in Bünde auch jede Form von Gewalt psychischer oder physischer Art sofort zur Anzeige gebracht. Der Bürgermeister stellt zudem in diesen Fällen einen Strafantrag", sagt Greiner-Rietz. Zudem ist das Sozialamt außerhalb der Öffnungszeiten nicht mehr für den Besucherverkehr zugänglich, städtische Beschäftigte, deren Vornamen auf der Internetseite der Stadt Bünde generell nicht mehr genannt werden, können sich außerdem mit einem Handalarm ausstatten lassen, um im Gefahrenfall auf sich aufmerksam zu machen. Auswirkung auf Verhältnis zwischen Bürger und Behörde "Man muss allerdings auch festhalten, dass die Mehrheit der Bürger sich nicht solcher Umgangsformen bedient", sagt DStGB-Sprecher Handschuh. Dennoch habe die Entwicklung Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden. "Städte und Gemeinden sind Orte der Begegnung. Wenn nun der Zugang eingeschränkt wird, entspricht das nicht unserem Verständnis. Die Menschen dort erfüllen einen wertvollen Dienst für die Gemeinschaft. Wenn wir es nicht schaffen, das einzugrenzen, dann ist die lokale Demokratie in Gefahr."

Meistgelesen