„Ich fange am ersten Tag nicht bei Null an“: Er will Verls neuer Bürgermeister werden

Herr Rieksneuwöhner, auf Plakaten und in Anzeigen werben Sie mit den Schlagworten &bdquo;Stabilität“, &bdquo;Vertrauen“, &bdquo;Kompetenz“ – Begriffe, die jeder Bewerber um ein Bürgermeisteramt für sich reklamieren kann. Warum sollen die Verlerinnen und Verler Sie zum Bürgermeister wählen? ROBIN RIEKSNEUWÖHNER: Seit Jahrzehnten macht die CDU in Verl eine stabile Arbeit, und ich bin ein Kind dieser CDU. Ich gehöre der Fraktion seit 2009 und dem Rat seit 2014 an und stehe damit in einer langen Reihe von Entscheidungen, die sicherlich gut für die Stadt Verl getroffen worden sind. Mir ist die Möglichkeit gegeben, vertrauensvoll mit der Mehrheit dieses Rates zusammenzuarbeiten. Genauso arbeite ich seit vielen Jahren vertrauensvoll mit der Verwaltung zusammen. Außerdem glaube ich, dass ich sowohl aus meinem beruflichen Werdegang als auch aus meinem abgeschlossenen wirtschaftswissenschaftlichen Studium Kompetenzen mitbringe. Ich denke, mich zeichnet eine gewisse Kontinuität und Stabilität im Werdegang aus, sei es politisch, sei es beruflich oder beim ehrenamtlichen Engagement. Mit dieser Kontinuität und Stabilität möchte ich Verl voranbringen. Als Bürgermeister wären Sie Chef der Verwaltung, wechselten im Ratssaal quasi die Seite. Wie stellen Sie sich das vor? Das stelle ich mir durchaus spannend vor. Natürlich wird es so sein, dass ich eine neue herausfordernde Aufgabe annehme. Eine Aufgabe, für die ich brenne, vor der ich durchaus auch Respekt verspüre. Ich kann aber bereits auf ein gewisses Netzwerk in der Verwaltung zurückgreifen und habe gerade mit den Beigeordneten und vielen Fachbereichsleitungen bereits ein solides Vertrauensverhältnis aufgebaut. Ich fange am ersten Tag nicht bei Null an. Auf der anderen Seite komme ich aus der größten Fraktion dieses Stadtrates. Auch dieses Netzwerk geht ja nicht verloren. Lesen Sie auch: Das große Interview mit Jan Böttcher - &bdquo;Ich muss dafür sorgen, dass ich bekannt werde“ Bei der Kreissparkasse Wiedenbrück haben Sie ein fünfköpfiges Geschäftsstellen-Team geleitet. Reicht das als Führungserfahrung, um eine Stadtverwaltung mit 360 Beschäftigten zu übernehmen? Seit meinem 25. Lebensjahr und auch bis heute in der stellvertretenden Bereichsleitung zählt Mitarbeiterführung kontinuierlich zu meinen Aufgaben. Zudem leite ich gemeinsam mit Gabriele Nitsch die Stadtratsfraktion. Das machen wir durchaus kooperativ. Im Übrigen geht es nicht nur um die Anzahl von Köpfen, sondern auch um die Art und Weise, wie man mit Kolleginnen und Kollegen umgeht. Natürlich ist die Leitung der Stadtverwaltung etwas Neues und von größerer Dimension. Es ist keine Frage, dass ich mich werde einarbeiten müssen, aber das macht den Reiz aus, und davor bin ich auch nicht bange. Mir ist bewusst, dass der Bürgermeister in Funktion und Außenwahrnehmung die Verwaltung vertritt, trotzdem ist es auch hier eine Teamleistung in der vertrauensvollen Zusammenarbeit des Verwaltungsvorstands. Wir erleben gerade in einer etwas größeren Nachbarstadt, wie es aussieht, wenn es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt und nicht gemeinschaftlich zum Wohle der Stadt gearbeitet wird. Wie haben Sie reagiert, als die CDU nach dem angekündigten Abschied von Michael Esken auf Sie zukam und fragte, ob Sie seine Nachfolge antreten würden? Als ich angesprochen wurde, ob ich mir das vorstellen kann, war ich natürlich zunächst einmal geehrt. Ich habe mir aber auch die Frage gestellt, ob ich die notwendigen Voraussetzungen mitbringe, das leisten zu können, und das meine ich schon. Ich bin nicht nur in Verl vernetzt, ich habe über Verl hinaus gute Kontakte sowohl auf der politischen Ebene als auch durch andere Funktionen, zum Beispiel in der IHK. Aber es ist in den wenigsten Fällen so, dass man einen fertigen Bürgermeister bekommt. Das war zuletzt in Verl eine Ausnahme, weil Michael Esken vor seinem Amtsantritt bereits Bürgermeister in Hemer gewesen war. Der Normalfall ist, dass jemand Bürgermeister wird, der es vorher nicht war. Dass ich deshalb eine Menge werde lernen müssen, ist überhaupt keine Frage. Dem will ich mich aber stellen. Wie hat ihre Frau reagiert? Regelmäßige Arbeitszeiten wären erst einmal passé . . . Das ist so, wobei ich aber auch heute nicht immer um 17 Uhr zu Hause bin. Annika hat sofort gesagt, sie wird mich unterstützen und zu 100 Prozent dahinterstehen. Das finde ich wirklich bemerkenswert. Was verbindet Sie mit dem bisherigen Amtsinhaber, an welchen Stellen unterscheiden Sie sich von ihm? Wir sind beide Kinder der CDU, stellen das nicht infrage und sind nicht sprunghaft. Wir haben uns beide ehrenamtlich engagiert. Und wir bringen beide eine solide Ausbildung und ein Studium mit. Noch eine kleine Parallele: Als Michael seinerzeit in Hemer Bürgermeister wurde, war er so alt wie ich jetzt bin. Unterschiedlich sind natürlich die Blickwinkel, mit denen wir auf bestimmte Fragestellungen schauen. Er ist Jurist, ich habe eher die wirtschaftliche Perspektive. Als Michael Esken nach Verl zurückkam, war er hier einige Jahre lang nicht in das politische Tagesgeschäft eingebunden gewesen. Ich bin hingegen Ratsmitglied und werde meine Arbeit in anderer Position fortsetzen. Das sehe ich sogar als Vorteil, da ich die Themen kontinuierlich seit Jahren begleite. Es gibt zahlreiche Projekte, die Michael Esken angestoßen hat und seinem Nachfolger hinterlässt. Bei einigen ist im buchstäblichen oder übertragenen Sinn bereits die Betonsohle gegossen, bei anderen nicht. Welche würden Sie in jedem Falle umsetzen, welche nicht? Anders als zu Beginn seiner Amtszeit wird es jetzt darum gehen, dass ich Dinge zu Ende bringe. Namentlich die Gesamtschule mit dem Hallenbad und den Veranstaltungsräumen, die Ostwestfalenhalle, das Feuerwehrgerätehaus Sürenheide, um allein die Bauprojekte aufzuzählen, und &bdquo;VIPER29“ natürlich. Es wird wenig helfen, wenn ich fünf oder sechs zusätzliche Großprojekte anschiebe. Es war wichtig, dass er diese Dinge auf den Weg gebracht hat, aber meine Aufgabe wird jetzt eine andere sein. Im Bereich der Bildung werden uns weitere Projekte beschäftigen, die sich jetzt noch nicht im Bau befinden. Beispielsweise der Ausbau des Gymnasiums für die Rückkehr zu &bdquo;G9“ oder der Ausbau der Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. Dort möchte ich nicht sparen, weil ich der Überzeugung bin, dass es ein wichtiger Standortvorteil für die Stadt Verl ist, dass wir gut ausgestattete Schulen haben. Wo ich durchaus anderer Auffassung bin als Michael Esken, das ist das Thema Bürmsche Wiese. Ich bin der Überzeugung, dass die Bürmsche Wiese, so wie sie sich heute präsentiert, nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Es mangelt an Aufenthaltsqualität und wir sollten Veränderungen vornehmen. Natürlich werden wir nicht alles umgraben und auf Null setzen. Das würde sich mit dem Grundsatz der finanziellen Solidität beißen. In all den genannten Fällen gibt es bereits erste Entscheidungen. Manches ist aber noch völlig offen, manches Vision. Genannt sei die Nutzung der alten Mühle oder die Idee, auf der TWE-Bahnlinie nach Hövelhof autonome Züge einzusetzen. Es geht immer darum, dass für die Stadt ein Mehrwert entsteht. Im Fall der Bahnlinie entscheiden wir nicht alleine, das ist wesentlich Angelegenheit des Landes. Wenn uns ein solches Projekt aber Argumente an die Hand gibt, damit eine Verbindung nach Paderborn herzustellen, wir in Verl also nicht mehr Endbahnhof sind, ist das eine gute Sache. Welches wäre das erste Projekt, das Sie im neuen Amt angehen würden? Das ist tatsächlich die Zukunft der alten Mühle. Ich bin dafür, dass wir mit der Stadtgesellschaft eine Idee für die Nutzung entwickeln und diese umsetzen. Das habe ich mir bis zum Ende der Wahlperiode 2030 fest vorgenommen. Ich glaube, es ist realistisch, das zu schaffen. Die sanierte Mühle kann mit einem attraktiven Vorplatz und einem maßvollen Anbau durchaus ein Kleinod werden. Das ist mir ein Herzensanliegen. Haben Sie einen Favoriten für die Nutzung? Im Gespräch waren bereits das Netzwerk- und Gründerzentrum, jetzt favorisiert die Machbarkeitsstudie für ein Jugendzentrum diesen Standort, schließlich ist noch der Standort der Senioren-Begegnungsstätte offen. Wohin tendieren Sie? Es soll kein Platz sein, der nur schön anzuschauen ist, aber nicht genutzt wird. Wichtig ist mir, dass dort Leben einzieht. Deshalb gehen die genannten Vorschläge in die richtige Richtung. Ich kann mir das auch als neuen Standort für die Volkshochschule vorstellen. Gegebenenfalls lassen sich unterschiedliche, aber verträgliche Nutzungen kombinieren, beispielsweise eben eine Senioren-Begegnungsstätte und die VHS. Mit Einbeziehen der Stadtgesellschaft meine ich, dass natürlich die beteiligten Akteure gefragt werden müssen, aber selbstverständlich auch die Bevölkerung, welche Funktion sie sich für das historische Gebäude wünscht. Nun kann ja die Entscheidung einer Stadtgesellschaft durchaus Überraschungen bergen, wie wir jüngst bei der Abstimmung über die Bewerbung für die Landesgartenschau erlebt haben. Sie waren einer der wenigen, der sich nicht erst nach dem Bürgerentscheid kritisch geäußert hat. Wie erleichtert sind Sie persönlich, dass Sie als Bürgermeister diese Großveranstaltung nicht würden durchführen müssen? Es ist nicht so, dass sich die Politik mit der Bürgerbefragung vor einer eigenen Entscheidung gedrückt hätte. Das Projekt hat eine solche Dimension, dass es gerechtfertigt ist, die Gesamtbevölkerung zu fragen. Noch mal zurück zur alten Mühle: Da würde ich einen Bürgerentscheid natürlich nicht sehen. Skeptisch gegenüber der Landesgartenschau war ich, weil sich die wirtschaftliche Lage gerade eintrübt. In einer solchen Phase dieses Projekt zu starten, habe ich für schwierig erachtet. Nichts desto weniger sind die Anliegen der immerhin 41 Prozent Befürworter keine falschen. Das schlägt den Bogen zur Aufwertung der alten Mühle und des Verler Sees. Sicherlich wäre manches in der Umsetzung mit einer Landesgartenschau schneller gegangen, trotzdem sind das Fragen, denen wir uns stellen werden. Welche weiteren Projekte sollen auch ohne eine Landesgartenschau weiterverfolgt werden? Der Ausbau von Radwegen und die Gestaltung von Plätzen. Ein Beispiel ist die Fläche, auf der bis vor zwei Jahren das Kopshoffsche Haus stand. Sie ist bisher nur provisorisch hergerichtet. Haben Sie für die Gestaltung dieses Platzes eine konkrete Idee? Ein bisschen mehr Grün, ein bisschen mehr Leben. Vielleicht kann man den Platz besser mit dem Standesamt verbinden und ihn nach Trauungen nutzen. Eine Bebauung sehe ich definitiv nicht mehr. Die Amtszeit des nächsten Bürgermeisters endet 2030. Wie sieht in Ihrer Vision Verl in sieben Jahren aus? Geordnete Finanzen, so wirtschaftsstark wie heute, familienfreundlich, eine höhere Aufenthaltsqualität. Attraktive Stadträume sind das, woran wir vor allem arbeiten sollten. Was macht Robin Rieksneuwöhner am 22. Januar? Am 22. Januar werden mein Team und ich uns, so bin ich überzeugt, über eine gewonnene Wahl freuen und ich mich auf die anstehenden Aufgaben als Bürgermeister vorbereiten.

Meistgelesen