Alltagsmenschen zerstört

Kopf ab: Erneuter Vandalismus gegen beliebte Fotospots im Kreis Guetersloh

Unbekannte Vandalen haben zugeschlagen und zwei der beliebten Skulpturen in Rheda-Wiedenbrück erheblich beschädigt. Das ist umso bitterer, weil gerade erst entschieden wurde, die Kunstfiguren wieder aufzustellen.

Philipp (vorne) und Felix Effertz holen die beschädigte Figur ab und bringen sie zur Reparatur ins Lager. | © privat

Christian Bröder
16.07.2025 | 16.07.2025, 14:22

Gütersloh. Stadtführer Christoph Beilmann ist außer sich. „Wieder sind Idioten unterwegs, die es auf unsere Alltagsmenschen abgesehen haben“, sagt der 85-Jährige aus Rheda-Wiedenbrück wütend: „Ich finde es schrecklich.“

Tatsächlich sind zwei der Kunstwerke auf der Emssee-Insel in Wiedenbrück erneut der Zerstörungswut von rücksichtslosen Randalierern zum Opfer gefallen. In der Nacht zu Freitag, 11. Juli, haben unbekannte Täter einer Frauenfigur den Kopf abgeschlagen und einem Mann die Beine abgetrennt. Bereits im vergangenen Jahr hatte es eine Serie von Angriffen auf die Figuren gegeben.

„Gestern Abend um 23 Uhr waren die Figuren noch in Ordnung, so wie man es vom Wall her sehen konnte“, berichtet Stadtführer Beilmann von seinen Beobachtungen beim Spaziergang am späten Donnerstagabend. Tags darauf setzt es dann den Schock: Die beiden Skulpturen sind über Nacht mit roher Gewalt zerstört worden. „Ich frage mich allen Ernstes, wer dahinter steckt“, fährt Christoph Beilmann fort: „Das kann doch kein normaler Mensch sein, der so etwas macht.“ Von den neuerlichen Attacken sind nicht nur die beiden Alltagsmenschen am Emssee betroffen.

Ein weiterer Vorfall hat sich in der Beckerpassage in der Innenstadt von Wiedenbrück ereignet. Dort wurden kurz zuvor zwei Figuren mit Farbe beschmiert. Dem Vernehmen nach ist dabei auch ein an den „Hitlerbart“ erinnernder Schnäuzer unter die Nase einer Figur geschmiert worden. Bei der Polizei lag am Freitagabend noch keine Anzeige vor. Die Burckhard-Kramer-Stiftung, die die beliebten Figuren seit 2006 ausstellt, war telefonisch nicht erreichbar. Die Zukunft der Alltagsmenschen in Wiedenbrück dürfte ob des Angriffs indes einmal mehr gefährdet sein.

Nach Attacken in 2024: Figuren sollten eigentlich im Depot bleiben

Update: Mittlerweile hat die Polizei Ermittlungen in dem Fall aufgenommen und sucht nun Zeugen, die in der Nacht zum Freitag, 11. Juli, Verdächtiges gesehen haben. Hinweise nehmen die Beamten unter Tel. (05241) 8690 entgegen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es eine Serie von Angriffen auf die 80 bis 100 Kilogramm schweren, lebensgroßen Betonfiguren der Wittener Künstlerinnen Christel und Laura Lechner gegeben. Mehrere Skulpturen waren unter anderem im April, August und September aus ihren Fundamenten gerissen, umgekippt und zerstört worden. Dabei soll ein Schaden von 30.000 Euro angerichtet worden sein. Noch im März hatte es geheißen, dass die Wiedenbrücker Alltagsmenschen im Depot bleiben würden.

Initiator und Finanzier Burckhard Kramer hat seine Entscheidung jedoch aufgrund zahlreicher Reaktionen aus der Bevölkerung zurückgenommen. Darüber hat sich auch Stadtführer Christoph Beilmann gefreut: „Viele unserer Touristen kommen nicht nur in unsere Stadt wegen der schönen alten Fachwerkhäuser, sondern auch wegen unserer Alltagsmenschen“, ist sich der 85-Jährige sicher. Dass die humorvollen Kunstfiguren und Kramers Engagement immer wieder buchstäblich mit Füßen getreten wird, ist für den Rentner eine Katastrophe.

Viele Bürger verbinden die Alltagsmenschen mit Rheda-Wiedenbrück. - © Marion Pokorra-Brockschmidt
Viele Bürger verbinden die Alltagsmenschen mit Rheda-Wiedenbrück. | © Marion Pokorra-Brockschmidt

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Der Stadtführer fragt sich, wie es in Zukunft mit den Alltagsmenschen in Wiedenbrück weiter geht: „Wir können ja nicht an jedem Kunstwerk eine Überwachungskamera installieren.“ Vorerst sind die beschädigten Skulpturen am Freitagnachmittag vom örtlichen Gerüstbau-Unternehmen Effertz per Sackkarre vom Tatort entfernt und abtransportiert worden. „Sie kommen ins Lager und werden dann aufwendig repariert“, erzählt Firmeninhaber Georg Effertz. Der 71-jährige stellvertretende Bürgermeister (CDU), dessen Sohn und Neffe sich um den Abtransport gekümmert haben, engagiert sich auch privat für das Aufstellen der Alltagsmenschen. „Normalerweise standen mal fast 100 davon im Ort, sie gehören einfach zum Stadtbild.“

Skulpturen stehen an Stellen mit viel Publikumsverkehr

In diesem Jahr sollten insgesamt 66 Figuren an 23 Standorten stehen. Als Reaktion auf die bisherigen Vandalismus-Angriffe seien diesmal vor allem belebtere Bereiche der Stadt „mit viel Publikumsverkehr“ ausgewählt worden, erzählt Georg Effertz. Eine digitale Karte im Internet, die auch über QR-Codes an den Standorten erreichbar ist, zeigt an, wo welche Figur zu finden ist. „Viele Bürger waren froh, dass die Alltagsmenschen wieder aufgestellt worden sind.“

Bei Georg Effertz ist die Enttäuschung umso größer, dass es nun erneut zu roher Gewalt gekommen ist. „So eine Figur ist sehr teuer.“ Die Reparatur der beschädigten Skulpturen dürften jetzt vermutlich mehrere Tausend Euro kosten. Besonders bitter obendrein: Die Freiluft-Ausstellung in Wiedenbrück feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum. Initiator Burckhard Kramer hatte die Alltagsmenschen 2005 in Rietberg gesehen und dann 70 Figuren nach Wiedenbrück geholt.

Ob die Alltagsmenschen die Bürger und Touristen der Doppelstadt auch künftig so erfreuen wie bisher, wird sich zeigen. Stadtführer Christoph Beilmann wünscht es sich vermutlich genauso wie der stellvertretende Bürgermeister Georg Effertz: „Wir wollen nicht aufgeben und möchten die Alltagsmenschen auch weiterhin in unserer Heimatstadt aufstellen.“