Marketing-Gag? Deutsch-Schwedin aus Kreis Gütersloh klärt auf - das steckt hinter Knut

Rheda-Wiedenbrück. Alle Jahre wieder - dieselbe Chose: Beim Schmücken des Bürger-Weihnachtsbaums auf dem Rathausplatz vor dem ersten Advent sind viele dabei: Vertreter der Stadt und Bürger. Um 100 Aktive mögen es Ende November gewesen sein. Doch wenn es nach dem Neujahrsfest um das Abschmücken des wohl an zehn Meter hohen Nadelbaums geht, bleiben Initiatorin Ina Wagner und Enkelin Mia fast immer allein. Entmutigen lassen will sich die sozial engagierte 52-Jährige davon jedoch nich, auch nicht von den Beschädigungen und den bürokratischen Auflagen. Andere Länder, andere Sitten: Während es für das Abschmücken des Weihnachtsbaums in deutschen Familien keinen festen Termin und meist auch keine Rituale gibt, ist dies in Norwegen, Schweden oder Finnland anders. Zu den dort gepflegten Traditionen zählt der &bdquo;St.-Knuts-Tag“ am 13. Januar. Das Datum markiert in den skandinavischen Ländern offiziell das Ende der Weihnachtszeit. Dann wird in den Familien der Weihnachtsbaum abgeschmückt. Die verbliebenen Süßigkeiten dürfen die Kinder verputzen. Schmuck wie Kugeln und Kerzen werden fürs nächste Jahr eingelagert. Ein großes schwedisches Möbelhaus glaubt seinen deutschen Kunden sogar vorgaukeln zu können, die schwedischen Weihnachtsbäume würden traditionell in hohem Bogen aus dem Fenster geworfen. In Schweden wird zum Abschied um den Baum getanzt &bdquo;Alles Quatsch. Das ist ein Marketing-Gag. Ich kenne keinen Schweden, der seinen Baum aus dem dritten oder vierten Stock ins Freie befördert“, sagt die 24-jährige Marie Wortmann, eine in Rheda-Wiedenbrück aufgewachsene Deutsch-Schwedin, die zurzeit bei einem Logistik-Unternehmen in Stockholm arbeitet. Doch rund um den &bdquo;St.-Knuts-Tag“ gebe es schöne schwedische Traditionen. So würde in vielen Familien beispielsweise vor dem Abschmücken noch einmal um den Baum herum getanzt. Von alledem ist am Samstag auf dem Rathausplatz nichts zu sehen. Trotz eines Aufrufs in den sozialen Medien findet sich niemand zum Abschmücken des Weihnachtsbaums ein. So gehen Ina Wagner und die elfjährige Mia, Schülerin der Klasse 6 des Einstein-Gymnasiums, erneut fast allein ans Werk. Immerhin haben sie technische Unterstützung durch einen Hubsteiger der Firma Effertz. Bedient wird der von dem Dachdecker und Bauklempner Torsten Moré. Mit Mia Wagner fährt der 54-Jährige mit dem Beförderungskorb mitten hinein in das Astwerk. Dann zückt er seinen Seitenschneider, um zunächst die mit Kabelbindern befestigten goldenen Kugeln von 30 und 40 cm Durchmesser abzutrennen. Später folgt die andere Deko. Was Ina Wagner bei allem Ärger über entwendeten Schmuck und mutwillig abgebrochene Äste freut: Nicht eine einzige der etwa 30 von einem örtlichen Baumarkt gestifteten und vor ihr mit &bdquo;Bürger-Weihnachtsbaum“ versehenen Großkugeln hat Schaden genommen. Zur Belohnung gibt's das Lieblingsessen für die Tochter So wandert jedes Exemplar wieder in einen Karton. Der gesamte Schmuck wird sorgfältig eingepackt und dann vom Hausmeister im Keller des Rathauses für den nächsten Einsatz gelagert. An der Tanne bleibt nur die Lichterkette. Diese wird von einem örtlichen Elektrounternehmen abmontiert und eingelagert. Den Baum selbst entfernen Mitarbeiter des städtischen Bauhofes. Für Ina und Mia Wagner ist die Aktion &bdquo;Abschmücken 2023“ wie vom Hausmeister gewünscht fristgerecht gegen 16 Uhr beendet. Zu Hause bekommt Mia als Belohnung für ihren Einsatz ihr Lieblingsessen: Fischstäbchen mit Kartoffelpüree und Spinat. Ina Wagners Gedanken kreisen derweil schon wieder rund um den Bürger-Weihnachtsbaum 2023. Sie hofft sehr, dass sich die Ordnungsbehörde mit ihren bürokratischen Auflagen rund um Ausschankgenehmigung, Gesundheitszeugnis, Toilettennachweis und dergleichen mehr zurückhalten und ihr das Leben nicht unnötig schwer machen wird. Schließlich ist die von ihr initiierte "Aktion Bürger-Weihnachtsbaum“ völlig uneigennützig. Nicht nur das: Die Spenden für das Ausgeben von Erbsensuppe und Ausschenken von Glühwein und anderen Getränken – erfreuliche 252,30 Euro – hat sie in voller Höhe der &bdquo;Aktion Lichtblicke“ der NRW-Lokalradios gespendet.

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