Rheda-Wiedenbrück. Viele Künstler hat das Reethus, das zur Landesgartenschau (LGS) 1988 von einer Fahrzeughalle in eine Stadthalle verwandelt wurde, erlebt. Justus Frantz und Helge Schneider waren da. Auf der Bühne standen auch Pe Werner und Thomas Freitag. Florian Silbereisen bot Volksmusik, damals als Jugendlicher von seinen Eltern begleitet. Viele Erinnerungen hat Burkhard Schlüter, lange Jahre Geschäftsführer der Flora Westfalica, an all die Gäste. Viele haben sich in einem großen Buch verewigt, in dem Schlüter im Reethus blättert. Das ist fast leer geräumt, soll wenige Wochen nach der Eröffnung der neuen Stadthalle am 8. Februar, abgerissen werden.
„Ja, Reinhard Mey ist auch mal im Reethus aufgetreten". Ohne lang nachdenken zu müssen, erinnert sich Schlüter an das Konzert des beliebten Liedermachers: „Den wollte ich zu gern für ein Konzert haben". Fünf Jahre lang hatte er als erster Geschäftsführer der LGS-Nachfolgerin Flora Westfalica beim Management gebuhlt: „Irgendwann gab es dann die Zusage für eines von drei Warm-up-Konzerten".
Die Vorlieben der Stars umsetzen - egal wie
Bei solchen halboffiziellen Auftritten stimmte sich Mey für gewöhnlich auf eine neue Tournee ein. Einzige Bedingung: Das Management bestand auf einem Saal mit ansteigendem Gestühl. Über welches das Reethus jedoch nie verfügt hat. „Wir haben kurzerhand eine Empore aus einem Baugerüst aufbauen lassen", muss Schlüter rückblickend beinahe ungläubig den Kopf schütteln. „So hat das Reethus das erste und einzige Mal ein ansteigendes Gestühl gehabt".

Es ist eine Flut „toller Erinnerungen", die Schlüter mit den Jahren verknüpft, in denen er die Verantwortung für die Flora und damit für das Geschehen im Reethus trug. Riesig war die Nachfrage nach einer der knapp 600 verfügbaren Karten für das Konzert mit Udo Jürgens im Juni 1988 gewesen. „Damit das fair zuging, haben wir schließlich eine öffentliche Verlosung organisiert. Und mussten viele Leute enttäuschen, die kein Glück gehabt hatten".
Bier auf Ex geleert
Fingerspitzengefühl war oft im Umgang mit Künstlern angesagt. So auch bei dem Schlagersänger im fortgeschrittenen Alter, dessen Name hier diskret unter den Tisch fallen soll. Der hatte in der Garderobe vor seinem Auftritt reichlichst mit Weinbrand vorgeglüht. „Ich hatte so meine Bedenken", weiß Schlüter noch. „Aber der Mann stand wie eine Eins auf der Bühne". Sekt war dagegen beim Empfang nach dem ersten von zwei Konzerten von Anne Sophie Mutter ausgeschenkt worden. Als die Ehrengäste damit dem Weltstar, der im Foyer erschien, zuprosten wollten, verweigerte die Musikerin das Prickelwasser. Sie orderte „erstmal ein schönes kühles Bier". Was sie zur allgemeinen Überraschung auf Ex leerte.
Sorgenfalten auf Schlüters Stirn gab es bei Heinos zweitem Auftritt im Reethus, diesmal im Rahmen der Reihe „Gala der Volksmusik". „Da hatten sich vor der Halle junge Leute versammelt, deren Aufschriften auf den T-Shirts nichts Gutes erwarten ließen. Ich wollte Heino auf eventuelle Störungen vorbereiten. Der ließ sich die jungen Leute in die Garderobe kommen, orderte Bier für alle und hat über zwei Stunden, bis ganz kurz vor Konzertbeginn, mit ihnen intensiv geplaudert. Im Saal wunderten sich die älteren Fans dann, wie Heino da von einer Gruppe ganz junger Leute dermaßen umjubelt wurde".
Extra Teppichboden verlegt
Sorgenfalten auch bei Helmut Löhner, 1993 noch Schlüters Chef bei der Flora, als mit „Purple Schulz" das erste große Rock- und Popkonzert im Reethus anstand. „1.300 Karten hatten wir abgesetzt. Löhner sorgte sich, dass die Leute das Reethus abreißen werden. Nichts davon. Die Menge tanzte, tobte und schwitzte dermaßen, dass das Kondenswasser wie Regen von der Hallendecke tropfte. Helmut Löhner stand mit mir auf der Empore und sagte immer wieder ,Ich glaube es einfach nicht".
Margot Werner hatte sich für die Zeit vor ihrem Auftritt ein Tageszimmer im Hotel ausbedungen. „Wir haben ihr trotzdem die Garderobe heimelig eingerichtet. Extra Teppichboden verlegt und ein Sofa von mir zuhause geholt, dazu ein fetter Blumenstrauß", lächelt Schlüter. „Als sie das sah, schoss es aus ihr heraus: ,Tageszimmer sofort abbestellen". Schreckmoment dann beim Auftritts: Das Reethus war auf einen Schlag ohne Strom. „Ich weiß es noch wie heute, dass die Werner lospolterte ,Macht verdammt noch mal das Licht wieder an, die Leute haben bezahlt und wollen mich sehen".
Gleich drei TV-Teams im Haus
Sehen wollten die Fans auch Heidi Kabel, Star des Ohnsorg-Theaters. Nur war diese zu dem Zeitpunkt schon fortgeschrittenen Alters und konnte kaum noch gehen. „Die saß auf einem Stuhl vor der Bühne, wurde dann von zwei starken Jungs samt Stuhl auf die Bühne gehievt, absolvierte ihre Rolle ohne aufzustehen und wurde am Ende auf dem Stuhl wieder zurück gehievt. Die Leute applaudierten heftig".
Großer Moment: Schlager-Clown Guildo Horn absolvierte hier seinen letzten Auftritt vor seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest. „Da hatten wir gleich drei TV-Teams im Haus, die an Guildo förmlich klebten". Das hieß: Deutschlandweite Aufmerksamkeit für die Doppelstadt!
"Stress hatten wir eher mit den Sternchen"
Ein für Schlüter persönlich ganz großer Moment war der Auftritt des Pianisten Alexis Weissenberg. „Ich hatte beiläufig erwähnt, dass ich auch ein wenig Klavier spiele". Als der Meister dann zum Einspielen kam, wollte Schlüter die Bühne verlassen, wurde aber aufgefordert, doch zu bleiben. „Dieser weltberühmte Mann rückte auf der Klavierbank ein Stück zur Seite, so dass ich neben ihm sitzen konnte. Dann hat er zwei Stunden drauf los gespielt, und mich immer von der Seite gefragt, ,Richtig so? Gut?. Ich war hin und weg".
Erlebnisse wie diese lassen Burkhard Schlüter zu einer Erkenntnis kommen: „Die Großen waren in der Regel pflegeleicht. Stress hatten wir eher mit den Sternchen".