Mit vielen Fotos: Emotionaler Rückblick auf das Aus von Gerry Weber im Kreis Gütersloh

Halle. Gerhard Weber war 23 und gerade Vater von Zwillingen geworden, als er in Versmold sein erstes Geschäft eröffnete. Das war 1964. Weil er kein finanzielles Risiko eingehen wollte, behielt er bis 1970 auch noch seine Anstellung in einem Bielefelder Textilunternehmen. &bdquo;Ich habe jeden Abend und am Wochenende gearbeitet“, erzählte der 2020 verstorbene Unternehmer einmal in einem Interview mit unserer Zeitung. 1968 war er so weit, dass er sieben Geschäfte in fünf Städten betrieb und seine erste Umsatzmillion erreicht hatte – nebenberuflich. Fünf Jahre später gründete Gerhard Weber gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Udo Hardieck die Hatex KG, sie war die Basis für die spätere Gerry Weber International AG. Einer der ersten Verkaufsschlager war eine Damen-Tweedhose. Gerhard Weber war eigens nach Italien gefahren, um die Stoffe zu kaufen, und wie er später berichtete, sei die Qualität gut gewesen. Damen-Tweedhose wird erster Verkaufsschlager Geliefert wurde jedoch eine andere Ware, sodass der Vater von Udo Hardieck, Emil Hardieck, damals trocken feststellte: &bdquo;Da kann man ja Erbsen durchschießen ...“ Den beiden Jungunternehmern rutschte das Herz in die Hose, denn die Ware war bereits verkauft. Die Angst war umsonst: Die Hosen wurden ein Erfolg. Ebenso wie die folgenden Jahrzehnte. Aus der Hatex Gerhard Weber KG wurde zunächst Weber. Weil ein bedeutender Kunde den Namen zu beliebig fand, wurde daraus Gerry Weber. Das No-Name-Produkt entwickelte sich zur starken Marke. &bdquo;Und ein unverwechselbarer Markenname war für unseren Börsengang und das Wachstum des Unternehmens sehr wichtig“, erklärte Gerhard Weber später. Lesen Sie auch: Aus für Unternehmen Gerry Weber im Kreis Gütersloh: Gewerkschaft verärgert über Vorgehen Über Jahrzehnte standen die Zeichen bei Gerry Weber auf Erfolg und Expansion. 1986 wurde ein Sponsoring-Vertrag mit Steffi Graf geschlossen. Ein absoluter Glücksgriff für das Unternehmen, denn die damals 17-jährige Tennisspielerin legte eine Weltkarriere hin und verschaffte mit ihren Erfolgen auch Gerry Weber einen außergewöhnlichen Bekanntheitsgrad. Ende der 1980er-Jahre ging das Unternehmen an die Börse Ende der 1980er-Jahre wurde der erste Bauabschnitt des neuen Firmensitzes an der Neulehenstraße in Halle fertiggestellt. Hier hat die Gerry Weber International GmbH, Holdinggesellschaft des Gerry-Weber-Konzerns, aktuell noch immer ihren Sitz. Nun wird dieser Standort mitsamt seinen 281 Beschäftigten ab dem 1. Juni abgewickelt. Im Oktober 1989 erfolgte der Börsengang. Zu der Zeit beschäftigte das Unternehmen 421 Mitarbeitende. In der Kommunikation setzte der Modekonzern neben klassischer Werbung auf Sportsponsoring: Gerhard Weber ließ in Halle das Gerry Weber Stadion (heute: OWL Arena) bauen. Allein das jährlich ausgetragene und hochkarätig besetzte ATP-Tennisturnier auf Rasen sorgte dafür, dass der Bekanntheitsgrad auch international anstieg und das Exportgeschäft bald einen Umsatzanteil von 40 Prozent hatte. Die 2000er-Jahre waren geprägt vom weiteren Distributionsausbau. 2005 wurde der erste eigene Online-Shop gelauncht. Finanzielle Schieflage des Unternehmens wird bekannt &bdquo;Seit den 2010er-Jahren arbeitet das Unternehmen intensiv daran, die Mode nachhaltiger zu machen“, berichtete Angelika Schindler-Obenhaus, 2023 Vorstandsvorsitzende bei Gerry Weber. Die erste nachhaltige Kollektion wurde dabei bereits im Jahr 2016 auf den Markt gebracht. Zugleich setzte sich das Unternehmen schon früh für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, schaffte mit der &bdquo;Kids World“ eine Kita auf dem Firmengelände in Halle und flexibilisierte die Arbeitszeiten: 2022 wurde die Vier-Tage-Woche im Unternehmen eingeführt. 2015 eröffnete noch das neue Logistikzentrum im Ravenna-Park, zu dem Zeitpunkt war Firmengründer Gerhard Weber in den Aufsichtsrat gewechselt und Sohn Ralf Weber saß zunächst mit im Vorstand, rückte später an die Spitze auf. Es erfolgte noch die Übernahme von Hallhuber – danach wurde die finanzielle Schieflage von Gerry Weber bekannt. 2019 muss Gerry Weber erstmals Insolvenz anmelden Ein Schlag ins Kontor für alle Beteiligten; solche Nachrichten war man in Verbindung mit Gerry Weber, wo es doch augenscheinlich immer nur bergauf ging, nicht gewohnt. Zu viele Stores in obendrein teuren Lagen sowie ein deutlich zu teures Logistikzentrum trugen unter anderem zu dieser Situation bei. Anfang 2019 musste erstmals Insolvenz angemeldet werden, damals stand Johannes Ehling an der Spitze des Unternehmens. &bdquo;Durch umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen ist es jedoch gelungen, das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung in nur elf Monaten abzuschließen und neue Investoren zu gewinnen“, fasste die spätere Vorstandsvorsitzende Angelika Schindler-Obenhaus diese erste kritische Phase des Unternehmens im Nachhinein zusammen. Lesen Sie auch: Darum kämpft das Modeunternehmen Gerry Weber im Kreis Gütersloh schwer ums Überleben 2020 erfolgte der Neustart - ohne zu ahnen, dass Corona, Ukraine-Krieg und Inflation die Welt verändern sollten. Und damit auch die Welt von Gerry Weber. Haller Firmensitz von Gerry Weber wird geschlossen Im Jubiläumsjahr 2023 zählte Gerry Weber mit etwa 2.100 Mitarbeitenden noch zu den größten Modeherstellern in Europa. &bdquo;Der 50. Geburtstag unseres Unternehmens ist ein Grund zum Feiern“, stellte Angelika Schindler-Obenhaus fest. &bdquo;Gerry Weber hat eine lange Tradition und zählt zu den bekanntesten Marken im Bereich Damenoberbekleidung. Wir wollen das Jubiläum nutzen, um innezuhalten, zurückzublicken und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Partnerinnen und Partnern sowie unseren treuen Kundinnen und Kunden zu danken. Sie alle sind Teil unserer Geschichte.“ Doch das Unternehmen geriet direkt erneut in Schwierigkeiten. Im Zuge der Insolvenz der Gerry Weber Retail GmbH standen nun 149 Stores und 28 Outlets zur Disposition, darunter auch das Outlet im Gewerbegebiet Ravenna-Park in Halle. Letzteres wurde ebenso wie das Logistikzentrum vom Solinger Modeunternehmen Walbusch übernommen. Geschichte des Unternehmens in Halle endet nach 52 Jahren Von den 171 eigenen Stores und Outlets wurden letztendlich 122 geschlossen. Der Sparkurs setzte sich 2024 mit einem massiven Personalabbau und dem Verkauf der Unternehmenszentrale fort. Der Überlebenskampf spitze sich im März 2025 erneut zu: Gerry Weber meldete erneut Insolvenz an. Die nervenaufreibende Suche nach neuen Investoren begann. Aktuell sollen noch Gespräche mit zwei Interessenten laufen. Jedoch hätten die gleichermaßen bereits festgelegt, dass jegliche Aktivitäten abseits des Firmensitzes in Halle laufen würden. Nach 52 Jahren ist das Ende des Traditionsunternehmens in Halle eingeläutet.

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