Wirtschaft

Gerry-Weber-Gläubiger dürfen auf Rückzahlung von 50 Prozent hoffen

Die Verantwortlichen sprechen von einem "maßgeschneiderten Plan". Großgläubiger könnten in vier Jahren ihr gesamtes Geld zurückbekommen. Das Unternehmen will an der Börse bleiben

Sucht den Weg aus der Krise: Der Haller Mode-Konzern Gerry Weber AG. | © Oliver Krato

Stefan Schelp
23.08.2019 | 23.08.2019, 17:44

Halle. Die Einschnitte für die Gläubiger der Gerry Weber International AG fallen voraussichtlich weniger heftig aus als zunächst erwartet. Das geht aus dem Insolvenzplan hervor, der jetzt beim Amtsgericht Bielefeld eingesehen werden kann.

Kleinere Gläubiger können damit rechnen, dass bis zu 50 Prozent ihrer offenen Forderungen beglichen werden. Die Großgläubiger dürfen sogar darauf hoffen, ihre gesamten Außenstände zurückzubekommen - wenn sie sich dazu entschließen, das Geld in Gerry-Weber-Anleihen oder sogenannte Wandelschuldverschreibungen zu investieren. Für die Alt-Aktionäre bleibt es allerdings dabei - sie gehen leer aus. Die Gläubigerversammlung ist für den 18. September angesetzt.

"Mit der Annahme der Insolvenzpläne wäre der Durchbruch für eine nachhaltige Sanierung von Gerry Weber geschafft", sagt Rechtsanwalt Stefan Meyer, der im Insolvenzverfahren als Sachwalter eingesetzt ist. Der "kreative und maßgeschneiderte Insolvenzplan" werde den Gläubigerinteressen "in optimaler Weise" gerecht. Tatsächlich ist die Einteilung der Gläubiger in mehrere Gruppen ungewöhnlich und macht den Plan zu einer ambitionierten Angelegenheit. Immerhin versichern die Verantwortlichen, die Quote sei für die Gläubiger höher als in vergleichbaren Insolvenzverfahren.

Hallhuber-Anteil steht zur Disposition

Exakte Prozentzahlen kann das Unternehmen noch nicht nennen, weil unter anderem der geplante Verkauf des Logistik-Zentrums im Ravenna-Park eine große Unbekannte in der Rechnung bleibt. Der mögliche Erlös soll gewissermaßen an die Gläubiger durchgereicht werden. Es gebe mehrere Interessenten für das Gebäude, erklärt ein Unternehmenssprecher. Eine schnelle Entscheidung sei aber nicht zu erwarten. Denkbar sei zudem auch, dass das Gebäude ganz beim Unternehmen bleibe.

Zur Disposition steht auch der 12-Prozent-Anteil, den Gerry Weber noch an der ehemaligen Gerry-Weber-Tochter Hallhuber hält. Der Anteil sei keine strategische Beteiligung, die Haller wären gegebenenfalls auch bereit, sich vom Hallhuber-Anteil zu trennen.

Reisekosten und Boni nicht bezahlt

Je nachdem, was bei diesen Plänen herauskommt, könnte sich für die Arbeitnehmer und Gläubiger, deren Rechnung sich auf weniger als 2.500 Euro beläuft, die sogenannte feste Barquote von 27 Prozent auf bis zu 50 Prozent erhöhen. Eine Reihe von Mitarbeitern hatte aus Zeiten vor der Insolvenz zum Beispiel Reisekosten nicht erstattet bekommen, auch vereinbarte Boni waren nicht mehr bezahlt worden.

Gläubiger mit Forderungen von mehr als 2.500 Euro werden neben einem Barbetrag festverzinsliche Anleihen angeboten. Wem das Unternehmen mehr als eine Drittelmillion schuldet und damit als Großschuldner gilt, bekommt zudem Wandelanleihen, die er von 2023 an in Aktien umtauschen kann. Im günstigsten Fall könnten diese Gläubiger so ihr Geld komplett zurückbekommen.

Management kann sich über neue Aktien beteiligen

Damit das Unternehmen an der Börse bleiben kann, ist ein sogenannter sanierender Kapitalschnitt nötig. Das Grundkapital der Gerry Weber AG wird von fast 46 Millionen Euro auf 8.733 Euro herabgesetzt und mittels einer Kapitalerhöhung dann wieder auf gut eine Million Euro hochgeschraubt. Ab 2023 können die Großgläubiger ihre Wandelschuldverschreibungen bis zu maximal 70 Prozent in Aktien umwandeln. Auch das Management bekommt die Möglichkeit, sich mit bis zu zehn Prozent am Aktienkapital zu beteiligen.

Bis dahin sind die Investoren Whitebox und Robus dank einer Finanzspritze von 49,2 Millionen Euro faktisch die neuen Eigentümer des Unternehmens und die einzigen Inhaber der neu auszugebenden Aktien. Die Altaktionäre, die bei der Insolvenz leer ausgehen, werden durch den Kapitalschnitt herausgedrängt.

KOMMENTAR DER REDAKTION


Mit Grummeln in der Magengrube


Man könnte zum Klassenkämpfer werden. Die Groß-Gläubiger der Gerry Weber AG bekommen mit viel Glück alles Geld zurück, das die Modemacher ihnen schulden. Die Mitarbeiter und die Kleinen, denen das Unternehmen weniger als 2.500 Euro schuldet, müssen sich hingegen voraussichtlich mit 50 Prozent begnügen. Wie ungerecht!
Da hilft der Hinweis wenig, dass Gläubiger, ob groß oder klein, bei anderen Insolvenzen mit weit weniger abgespeist werden mussten. Da bleibt ein Grummeln in der Magengrube.
Der eigentliche Clou dieses ungewöhnlichen Insolvenzplans ist ein anderer: Die Verantwortlichen versuchen, mit dem Hebel von Anleihen und Wandelschuldverschreibungen noch einmal eben jenen das Geld aus dem Kreuz zu leiern, das Gerry Weber ihnen in der Insolvenz schuldig geblieben ist. Man darf gespannt sein, wie viele der Gläubiger bereit sind, auf diese schwer kalkulierbare Wette einzugehen.
Der Ausgang dieses Experiments strahlt selbstredend zurück auf die finanzielle Situation des angeschlagenen Unternehmens.
Wer über gerechten oder ungerechten Umgang mit großen und kleinen Schuldnern diskutiert, darf dabei nicht aus den Augen verlieren: Die Altaktionäre – ob klein oder groß – gehen in jedem Fall leer aus. Und die zahlreichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Zentrale und den Filialen, deren Jobs gestrichen worden sind, müssen sich eine neue Beschäftigung suchen.