Ein einziges Durcheinander: Lager des Stadtmuseums in verheerendem Zustand

Gütersloh. Das Magazin des Stadtmuseums ist in einem verheerenden Zustand. Der Zustand des Gebäudes ist mangelhaft, das Magazin ist unaufgeräumt, staubig, nasskalt und genügt in keiner Weise musealen Ansprüchen. Die Objekte sind nicht so untergebracht, wie sie müssten, sie sind äußeren Einflüssen ausgesetzt, chaotisch sortiert, kaum wiederzufinden, und bei vielen Objekten fragt man sich, was die Museumsverwalter einst bewogen hat, sie in die Sammlung aufzunehmen. Lesen Sie auch: Kritik an Gütersloher Heimatverein: Wie geht es mit dem Stadtmuseum weiter? All das steht mehr oder weniger explizit in einem Gutachten, das jetzt das Museumsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe erstellt hat. Der LWL-Gutachter rät eindringlich dazu, für das Magazin eine neue Bleibe zu finden – und zwar möglichst rasch, um weitere Schäden an den Exponaten zu vermeiden. Keiner weiß, wie viele Sachen dort lagern Wolfram Bangen hat das Gutachten im Auftrag der Stadt und des Heimatvereins erstellt. Dass es um das Magazin schlecht bestellt ist, war kein Geheimnis und auch den Auftraggebern klar. Noch im November hatte Kulturdezernent Andreas Kimpel den Zustand des Magazins gegenüber den Ratsfraktionen &bdquo;erbärmlich“ genannt. Der Heimatverein, Träger des Museums, habe nicht genug dagegen getan, er habe es schleifen lassen. Das Magazin in einen besseren Zustand zu überführen, habe &bdquo;akute, höchste Priorität“, so Kimpel. Den Vertretern der Fraktionen war einige Tage zuvor Gelegenheit gegeben worden, sich die Räume anzusehen. Sie zeigten sich erschüttert. Untergebracht ist das Magazin in einer alten Fabrikhalle auf dem ehemaligen Gelände von Niemöller & Abel im Winkel von Verler, Carl-Bertelsmann- und Oststraße. Rund 800 Quadratmeter belegt es dort. Wie viele Exponate dort lagern, weiß angesichts früheren Sammeleifers niemand mehr, vor Jahren war mal die Rede von 15.000. Ob das noch der Realität entspricht – auch der LWL-Gutachter kann dazu keine Auskunft geben. Den Blick in eine geordnete Kartei oder gar in ein elektronisches Register kann man sich sparen: Nichts davon existiert. "Der Zustand der Exponate ist als kritisch einzustufen" Das Gutachten stellt der LWL der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Die Behörde drückt sich aber nicht um Klartext. &bdquo;Die Gebäudesubstanz entspricht in allem nicht mehr den heutigen Ansprüchen für die Lagerung von Sammlungsgut“, heißt es. &bdquo;Der Zustand der Exponate ist in manchen Bereichen durch die äußeren Lagerbedingungen als kritisch einzustufen.“ Wer sich in der Halle umsieht, wird in diesem Eindruck bestätigt: Teilweise lösen sich Putz und Estrich, es ist ungeheizt, kalt und feucht. Behälter zum Auffangen von Wasser, hier und da verteilt, sind Indiz dafür, dass das Dach undicht ist. Gleichwohl zahlt der Heimatverein eine nicht unerhebliche Miete. Weil sich auf engem Raum zu viel ballt, hat man in der größten der vier Hallen eine Zwischenebene eingezogen. Oben wie unten sieht es aus wie in einem unsortierten Möbellager: Alte Stühle stehen verkantet ineinander, Haushaltsutensilien liegen kreuz und quer. Vieles fehlte früher in keinem Haus, Kaffeekannen, Teeservices, Trockenhauben, Lampions, Filzbeläge, Töpfe, Illustriertenhalter. Warum jemand all das einst für wert erachtete, aufgehoben zu werden, erschließt sich kaum. Dem museal ungeschulten Auge, aber offenbar auch Fachkundigen präsentiert sich das als einziges Durcheinander, als Auswuchs ungezügelter Sammelleidenschaft. Schwierige Frage: Was ist geschenkt, was nur geliehen?Ein Museum soll nicht nur ausstellen, sondern auch sammeln und bewahren – doch was sich hier in den langen, dunklen Regalfluchten türmt, scheint ohne Konzept immer nur dazugelegt worden zu sein. Noch irgendwo ein Plätzchen frei? Dort kam die achte Miele-Waschmaschine hin, hier der sechste Krankenstuhl, drüben das x-te verrostete Fahrrad, der Barockschrank, der meterhohe Tonkrug von Steinhäger, die Vasen, Filzbeläge, Anrichten. Was es an Papiergut gibt, ob alte Hefte der &bdquo;Gütersloher Beiträge“, ob Bertelsmann-Schriften, gammelt in Tüten ungeschützt und unbeachtet vor sich hin. Viele, vielleicht sogar die meisten Objekte sind ohne jeden Bezug zu Gütersloh. Was Schenkung ist, was Leihgabe, was Dauerleihgabe: Bei der Lagerung wird da nicht unterschieden, und ob das irgendwo niedergeschrieben ist, scheint angesichts der ungeordneten Karteikärtchen fraglich. Eher drängt sich der Eindruck auf, dass die Museumsleiter und andere Beteiligte in den vergangenen Jahren selten Nein gesagt und alles immer nur angenommen und deponiert haben. Bei der bevorstehenden &bdquo;Entsammlung“ – museumsdeutsch für Wegwerfen, Entrümpeln – dürfte den Verantwortlichen des Heimatvereins daher gelegentlich die Frage beschäftigen, wie er mit Aufbewahrungsgarantien und Rücksendungsforderungen umgeht – ein heikles juristisches Terrain.Wohin will man inhaltlich? Es fehlt ein Konzept &bdquo;Die Sammlung hat sich über die Jahre so vergrößert, dass die Fläche heute nicht mehr ausreicht“, schreibt das Museumsamt. Weil außerdem das Gebäude &bdquo;abgängig“ sei, sei eine nachhaltige Unterbringung nicht mehr möglich. &bdquo;Museumssammlungen sind ein bedeutendes Erbe der Gemeinschaft. Magazinbauten für Museen sollen daher dem langfristigen Bewahren von Kulturgut für künftige Generationen dienen. Hierzu ist es erforderlich, dass konservatorische Rahmenbedingungen erfüllt werden. Dazu zählen der Lichtschutz, die Klimasteuerung und Schutz vor anderen Umwelteinflüssen, etwa Staub, biologischen Schädlingen usw.“, so der Gutachter. Es werde sehr aufwändig und teuer, diese Standards im aktuellen Gebäude zu erreichen. Ergo: &bdquo;Das LWL-Museumsamt spricht sich für eine Aufgabe des derzeitigen Magazins aus, es wird notwendig sein, eine ganz neue Immobilie zu finden.“ Auf die Frage, was weder erhaltenswert noch museumsreif ist, sagt das Museumsamt, das sei Sache der inhaltlichen Ausrichtung. Für eine solche Einschätzung, die auf wissenschaftlichem Niveau erfolgen müsse, brauche es ein Konzept. Habe man keines, müsse man es entwickeln. &bdquo;Das ist die Aufgabe der im Moment leider nicht existenten Museumsleitung.“ Das LWL spielt damit darauf an, dass das Stadtmuseum seit der Kündigung von Franz Jungbluth Ende 2020 kommissarisch auf kleiner Flamme geführt wird. Auch einen Haustechniker und ein Sekretariat feht derzeit, ferner benötigt der Heimatverein einen neuen Vorstand. Der Landschaftsverband könnte beraten und finanziell fördernDer Gutachter schreibt, der Objektbestand im Magazin müsse gesichtet, qualifiziert und inventarisiert werden. &bdquo;Dazu bedarf es im Vorwege einer wissenschaftlichen Bearbeitung, mit einem Sammlungs- und Ausstellungskonzept.“ Möglich, eventuell für den Übergang, wäre die Unterbringung in einem Zentralmagazin des LWL wie in Münster-Coerde. Mit den Akteuren in Gütersloh sei &bdquo;eine längere multiprofessionelle Begleitung und Beratung verabredet“, so das Museumsamt weiter. &bdquo;Mit der Neuordnung des Depots ist es nicht getan, denn auch diese Aufgabe kostet viel Geld, es muss daher langfristig und grundsätzlich über das Museum nachgedacht werden.“ Der Landschaftsverband stehe nicht nur mit Expertise für alle Bereiche der Museumsarbeit zur Verfügung, er könne auch finanziell fördern. &bdquo;Am Anfang steht aber die Frage: Was soll das Museum künftig für die Stadtgesellschaft in Gütersloh leisten und wer leistet dies?“

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