"Lieber beim Haare schneiden bleiben, statt Politik machen zu wollen"

Gütersloh. Erstmals im Jahr 1952 hat im Rat der Stadt Gütersloh eine Frau Platz genommen, um aktiv Politik mitzugestalten. Genau fünf Frauen von 36 Mitgliedern zählte der Stadtrat seinerzeit. Elfriede Güth (FDP) und Ida Schulze (SPD) gehörten dem Stadtrat zwölf Jahre lang an. Die anderen drei Ratsfrauen der ersten Stunde waren Elisabeth Jäger, Margot Johnson und Rosa Struck. Mit dem Wahltag im September 1961 stieg die Anzahl auf sieben Frauen von 36 Mitgliedern. Erstmals zweistellig wurde die Zahl der Ratsfrauen 1979 mit zehn von insgesamt 51 Mandatsträgern. Ab da gab es stetig mehr. Seit der jüngsten Kommunalwahl zählt der Rat der Stadt Gütersloh 23 Frauen von 56 Mitgliedern. Bei fast jeder Fraktion ist mindestens eine Frau vertreten, nur bei der AfD, die drei Sitze innehat, ist Politik rein Männer dominiert. Die meisten Sitze gehen im Verhältnis betrachtet an die BfGT mit vier Ratsfrauen bei sieben Sitzen. Jeweils 50 Prozent Frauen im Rat haben Grüne und FDP. Bei elf Mandaten kommt die SPD auf fünf Frauen und die CDU mit 17 Sitzen auf sechs. Unter den zwei fraktionslosen Sitzen ist ebenfalls eine Frau vertreten. &bdquo;Etwas anderes würde ich auch nicht zulassen" Eine Umfrage der NW unter den amtierenden Ratsfrauen und der bisher einzigen Bürgermeisterin zeigt, dass in der Kommunalpolitik die Gleichberechtigung nicht nur in Zahlen, sondern auch in der Wahrnehmung im Großen und Ganzen angekommen zu sein scheint. &bdquo;Ich persönlich habe bisher fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Allerdings weiß ich von einer Kollegin, dass ihr von einem Kommunalpolitiker vor noch gar nicht allzu langer Zeit geraten wurde, doch lieber beim Haare schneiden zu bleiben, statt Politik machen zu wollen. Das ist eine echte Unverschämtheit" weiß Gitte Trostmann (Grüne) zu berichten. &bdquo;Wir beobachten auch, dass Frauen sich häufig nicht so viel zutrauen und gern die Männer machen lassen. Deswegen ist es uns ein Anliegen sie zu ermutigen und ihnen den Rücken zu stärken", sagt Trostmann. Camila Cirlini (Die Linke) bemerkt: &bdquo;Wie es den offenen Alltags-Rassismus gibt, gibt es auch den Alltags-Chauvinismus. Nicht selten sind es ein- und dieselben Protagonisten, die sich dann als solche zu erkennen geben – meist aus den rechten Lagern." Ingrid Hollenhorst (CDU) bewertet den Umgang miteinander in der Regel als sachorientiert. &bdquo;Etwas anderes würde ich auch nicht zulassen", unterstreicht sie. Die Gleichberechtigung der Arbeit sei aber noch nicht ganz gegeben: &bdquo;Ich würde mir mehr Frauen in der Politik wünschen, aber auch z.B. in der Feuerwehr oder in leitenden Positionen der Arbeitswelt. Ich würde mir auch mehr Männer in sozialen Berufen wünschen, als Erzieher in der Jugendarbeit oder als Grundschullehrer." Fünf Bürgermeisterinnen bei 13 Kommunen war Highlight in NRW Sylvia Mörs im Rat für die BfGT findet, dass jede Diskussion, jedes Gespräch zum Thema ehrenamtliches Engagement von Frauen in unserer Gesellschaft Mut machen kann, dass Frauen sich angesprochen fühlen und aktiv werden. Diskriminierende Erfahrungen habe sie nicht machen müssen und für Gütersloh sieht sie die politische Arbeit von Männern und Frauen als tatsächlich gleichberechtigt an. Die bisher einzige Bürgermeisterin der Stadt Gütersloh, Maria Unger (SPD) weiß mit Blick auf früher, dass Frauen in der Politik nicht immer so selbstverständlich waren wie heute. &bdquo;In meiner Zeit als Bürgermeisterin waren wir im Kreis Gütersloh in meiner letzten Wahlperiode fünf Bürgermeisterinnen von insgesamt 13 Kommunen. Dies war zu der Zeit von 2009 bis 2015 ein Highlight in NRW." Was sie während ihrer Zeit als Stadtoberhaupt störte: &bdquo;Häufig wurde ich von den Bürgern und Bürgerinnen gefragt, was sagt denn ihr Mann zu ihrem Amt und zu der Tatsache, dass Sie sehr oft auch am Wochenende unterwegs sind. Ob meine männlichen Kollegen auch so häufig gefragt wurden: Was sagt denn Ihre Frau dazu? das glaube ich eher nicht". Ausstattung der Küche im Wahlkampf thematisiert Auch ihre Parteikollegin und Ratsfrau Christa Kockentiedt weiß von solchen Rollen-Sichtweisen zu berichten: &bdquo;Im Landtagswahlkampf von Frau Dr. Kohlmeyer ist mir aufgefallen, dass in einer Kandidierendenvorstellung in der Presse von der Ausstattung der Küche gesprochen wurde. Das würde bei einem männlichen Kandidierenden niemals geschrieben werden." Nachholbedarf sieht Sabine Hollmann (SPD) bei den organisatorischen Dingen. &bdquo;Ich wünsche mir Sitzungszeiten, an denen berufstätige Menschen mit Familie teilnehmen können." Beim Thema Frauenquote gehen die Meinungen auseinander. Gitte Trostmann von den Grünen findet, es müsse auf jeden Fall eine geben. &bdquo;Wo freiwillige Selbstverpflichtung nicht hilft, sind Quoten ein wichtiges Instrument für mehr Parität." Auch Camila Cirlini von der Linken ist dafür und zwar nicht nur in der Politik. Die SPD-Ratsfrauen sprechen sich mehrheitlich ebenfalls für eine Quote aus. Jael Rachel Räker befindet aber, alle Geschlechter (m/w/d) sollten Berücksichtigung finden. BfGT-Ratsfrau Sylvia Mörs lehnt eine Quote hingegen ab, denn diese sei in der politischen, ehrenamtlichen Arbeit nicht zielführend. Die Bereitschaft für gesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement sollte durch eigenes Vorleben und Werben für die Sache gefördert werden, meint sie. Ingrid Hollenhorst (CDU) sieht Vor- und Nachteile bei einer derartigen Regelung. &bdquo;Da bin ich mir nicht sicher. Einerseits braucht es sicherlich mehr Frauen in der Politik, andererseits ärgere ich mich schon, dass Frauen überhaupt mit einer Quote in Verbindung gebracht werden."

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