Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung: "Sie dachte, das ist ein Kindergeburtstag"

Kreis Gütersloh. Am neunten Verhandlungstag im Prozess um die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer 14-Jährigen in Harsewinkel beginnt das Gezerre um schmutzige Details. Nachdem zwei neue Videosequenzen mit Aufnahmen aus der Tatnacht aufgetaucht sind, stützt sich die Anklage nun auf insgesamt neun Filme, die man auf den Handys der Beschuldigten sicherstellen konnte. Außerdem liegen die aus dem Arabischen übersetzten Chat-Protokolle und Sprachnachrichten der neun Angeklagten vor, die sie noch in der Nacht zum 4. November 2017 und in den folgenden Tagen aneinander verschickten. Weil das Opfer so gut wie keine Erinnerungen an die Geschehnisse hat, sind die Videos für die Beweisaufnahme umso wichtiger. Mit deutlichen Worten beschreibt die Vorsitzende Richterin Beate Schlingmann, wer in den beiden neuen Videosequenzen zu sehen ist und welche sexuellen Handlungen mit welcher Härte vollzogen werden. Dafür erntet sie aus den Reihen der Verteidiger am Ende heftige Kritik. Zusätzlich Druck beim Oralverkehr ausgeübt? Die Erläuterungen seien für seinen Mandanten im Nachhinein schadhaft, sagt Martin Mauntel, der den heute 17-jährigen D. aus Harsewinkel vertritt. Es geht dabei speziell um die Frage, ob in einer der Filmsequenzen – wie von der Richterin behauptet – mit der Hand des Täters am Hinterkopf des Opfers zusätzlich Druck beim Oralverkehr ausgeübt wird oder nicht. &bdquo;Das sehe ich nicht so", sagt der Bielefelder Anwalt. Der Auszug der Chats und Sprachnachrichten, die Richterin Schlingmann in der Verhandlung vorliest, bietet da schon weniger Interpretationsspielraum. &bdquo;Gott beschütze deine Ehre. Bitte schick alle Videos. Wir wollen lachen", heißt es in einer Nachricht. Allein aus dem Verlauf der ersten 24 Stunden wird klar, dass die Videos fleißig untereinander verschickt und wie Trophäen geteilt wurden. In ihren Kommentaren machen sich die Beschuldigten zudem noch lustig über das Opfer. &bdquo;Hauptsache, sie zeigt uns nicht an", schreibt einer von ihnen später an die anderen. "Sie war besoffen, das hat man auch gerochen" Im Mittelpunkt der Verhandlung steht an diesem Tag jedoch die Anhörung zweier Zeugen. Zunächst wird der 17-jährige B. befragt, der in jener kalten Novembernacht den Krankenwagen alarmiert hatte, nachdem er in einem Park in der Nähe des Harsewinkeler Schwimmbads auf das bewusstlose Mädchen gestoßen war. Eine &bdquo;halbe Menschenmenge" habe um die 14-Jährige herumgestanden, während sie &bdquo;mit komplett dreckiger Kleidung auf dem Boden lag und Schaum im Gesicht hatte". Er habe das Mädchen mit einem der Anwesenden auf eine Bank getragen. &bdquo;Sie war besoffen, das hat man auch gerochen. Sie war nicht selber in der Lage, zur Bank zu gehen und ist immer wieder zu Boden gegangen. Außerdem hat sie geweint und gesagt: Mein Bauch tut weh." Als der Krankenwagen kam, habe der Angeklagte H. zu den anderen gesagt: &bdquo;Lass uns mal abhauen, bevor die Polizei kommt." Die wichtigste Zeugin des Tages An den Beobachtungen des Zeugen interessiert Richterin Schlingmann besonders der Zustand des Opfers. Schließlich geht es bei der Urteilsfindung auch um die Frage, ob die Beschuldigten ein vollkommen wehrloses, alkoholisiertes Opfer missbraucht haben und ob sie sich darüber im Klaren hätten sein müssen. Auf der anderen Seite steht die Frage im Raum, ob die 14-Jährige ihrerseits hätte wissen müssen, worauf sie sich einließ, als sie die Einladung zur angeblichen Geburtstagsfeier des Angeklagten A. annahm. Die in diesem Zusammenhang wichtigste Zeugin des Tages ist die kurzfristig eingesprungene Paderborner Polizeibeamtin W., die das Opfer im Laufe der Ermittlungen persönlich vernommen hatte, nachdem das Mädchen von Harsewinkel in eine Jugendeinrichtung im Kreis Paderborn umgezogen war. Eine für die Gütersloher Kreispolizeibehörde ermittelnde Polizeibeamtin, die die 14-Jährige als erste befragt hatte, ist zurzeit erkrankt und wird zu einem späteren Zeitpunkt aussagen. Große Teile der Erinnerung fehlen offenbar Laut W. habe das Opfer in der Vernehmung zwar vieles von dem Abend erzählt, große Teile der Erinnerung würden jedoch fehlen. &bdquo;Sie berichtete von ihrer Whatsapp-Bekanntschaft mit A., der sie an diesem Abend zu seinem Geburtstag eingeladen hatte. Sie dachte, dass sie mit ihm alleine sein würde und sei später ganz überrascht gewesen, dass auf einmal so viele da waren." Wie bereits mehrfach berichtet, sollen die Angeklagten ihr Opfer unter dem Vorwand der Geburtstagsfeier in einen Partykeller in Harsewinkel gelockt und das alkoholisierte Mädchen gemeinschaftlich schwer sexuell missbraucht haben. &bdquo;Sie sagte, sie hätte gedacht, dass das ein ganz normaler Geburtstag sei, ein Kindergeburtstag. Der Begriff in dem Alter hat mich gewundert. Aufgrund meiner Erfahrung mit Gleichaltrigen machte sie auf mich nicht den Eindruck eines 14-jährigen Mädchens. Sie wirkte auf mich sehr naiv und kindlich, auch in ihrer Ausdrucksweise. Ich habe sie nicht in die Altersklasse einer Jugendlichen gestellt." Auf die Frage, warum sie zu einem Kindergeburtstag eine Flasche Wodka mitbringe, habe sie gesagt, dass sie sich darauf gefreut habe und nur einen kleinen Schluck trinken wollte. Vater des Opfers soll vernommen werden Die Darstellung, &bdquo;da ist ein kleines Mädchen, das denkt, es geht auf einen Kindergeburtstag und dann fällt eine Horde Männer über sie her", findet Anwalt Mauntel &bdquo;zu einseitig". Von der Ladung weiterer Zeugen, neben dem Vater des Opfers sollen auch Freundinnen vernommen werden, erhofft er sich weitere Erkenntnisse zum Opfer und dessen &bdquo;Umgang mit Sexualverkehr". Mareike Schüler-Springorum, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und zuständig für das Glaubwürdigkeitsgutachten des Opfers, ist an diesem Tag umsonst gekommen. Die Mehrheit der Verteidiger will zunächst die Aussage der erkrankten Gütersloher Polizeibeamtin hören.

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