Zwangsprostitution in Paderborn: Sexarbeiterin soll Licht ins Dunkel bringen

Paderborn. Es klingt nach dem Plot eines Spielfilms: Ein Mann verliebt sich in eine Prostituierte, erlebt - getrieben vom Wunsch, sie aus dem Milieu herauszulösen - allerlei Irrungen Wirrungen, die darin gipfeln, dass er eine andere junge Frau von ihren mutmaßlichen Zuhältern befreit. So kann in aller Kürze der Hintergrund des Strafverfahrens skizziert werden, das zurzeit die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn beschäftigt. Dort müssen sich zwei Brüder verantworten, die eine Frau nach Paderborn gelockt haben sollen, um sie hier auf den Strich zu schicken. Am 3. März 2024 erschien ein 36 Jahre alter Paderborner auf der Polizeiwache - in Begleitung von Liana P. (Namen geändert), die berichtete, in einem Hotel zur Prostitution gezwungen worden zu sein. Rasch gerieten Kamir (32) und Ahmed L. (28) in den Fokus der Ermittler, letztlich vor allem aufgrund der Recherchen des 36-Jährigen. Dieser hatte mehr als ein Jahr lang versucht, eine Sexarbeiterin, die er kennen- und liebengelernt hatte, aus dem Milieu zu befreien, und war dabei wohl auf die Brüder gestoßen. Seine Vermutung, sie hätten seine Verflossene in die Prostitution gezwungen und würden bei Liana L. als Zuhälter fungieren, setzte entsprechende Ermittlungen in Gang, zumal diese junge Frau die gleichen Vorwürfe erhob. Paderborner Angeklagte schweigen zum Tatvorwurf Weil die Angeklagten zu dem Tatvorwurf vehement schweigen, muss sich die 8. Großen Strafkammer intensiv den Hintergründen der Vorfälle widmen, denn der 36-Jährige, der vor mehr als einem Jahr Liana L. zur Polizei brachte, hält es mittlerweile für möglich, dass er unter dem Eindruck unerwiderter Liebe aus Telefonaten, Nachrichten und Bildern völlig falsche Schlüsse zog. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn Und so erscheint am zweiten Verhandlungstag jene Frau als Zeugin, an die der Paderborner vor ein paar Jahren sein Herz verloren hat. Dass sie ohne Zuhälter auf eigene Kappe als Sexarbeiterin tätig ist, erzählt sie freimütig, ebenso, dass sie ihren Ex als einen ihrer ersten Freier kennengelernt hat. Dieser sei ihr zum Schluss &bdquo;viel zu anhänglich“ gewesen, sagt die 22-Jährige über das Ende der Beziehung. &bdquo;Es hat einfach nicht mehr gepasst.“ Allerdings sei sie dem Paderborner nach wie vor in Freundschaft verbunden. Zwangsprostitution in Paderborn: Zeuge schildert filmreife Befreiung Kennengelernt in einer Paderborner Shisha-Bar Bedeutend zurückhaltender äußert sich diese Zeugin aber über ihre Freundschaft zu Karim L. Viel mehr, als dass sie ihn in einer Paderborner Shisha-Bar kennengelernt hat, sagt sie nicht. Über den Anklagevorwurf will sie mit ihrem &bdquo;guten Freund“ nur wenige Sätze gewechselt haben. Dass sie möglicherweise jenen Brief an Verteidiger Georg Schulze initiierte, in dem ihr Ex-Freund von möglichen falschen Verdächtigungen seinerseits schrieb, weist die 22-Jährige weit von sich. Bereitwillig spielt sie eine Sprachnachricht ab, die ihr der 36-Jährige zukommen ließ, nachdem er am vergangenen Donnerstag nach seiner Aussage den Gerichtssaal verlassen hatte. &bdquo;Ich habe meinen Hass abgelegt“, ist da der 36-Jährige zu hören. Und genau das sollten die beiden Angeklagten auch tun. &bdquo;Jeder macht sein Business. Leben und Leben lassen“, hat der Paderborner via Messenger der jungen Frau mitgeteilt. Am späten Vormittag informieren zwei Polizeibeamte das Gericht über die Ermittlungsarbeiten in diesem Fall. Dass bei den Telefonüberwachungen und den Durchsuchungen nichts Belastendes zu hören und zu sehen war, erstaunt einen der Beamten nicht. Die Angeklagten seien &bdquo;sehr konspirativ“ vorgegangen, so die Überzeugung dieses Zeugen. Er vermutet, dass Absprachen über Kanäle getätigt wurden, für deren Überwachung die technischen Möglichkeiten der Polizei nicht ausreichten. Die Vorgeschichte: Prostitution statt Liebe: Zwei Paderborner sollen junge Frau ausgenutzt haben &bdquo;Kritische Nachfragen“ an die Sexarbeiterin Liana P. soll übrigens noch einmal vernommen werden. Das Gericht möchte ihr weitere &bdquo;kritische Nachfragen“ stellen, wie die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias erklärt. Die mehrere Stunden unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführte Vernehmung haben die Verteidiger Georg Schulze und Martin Mauntel schon am ersten Verhandlungstag kritisiert. Die Kammer habe geduldet, dass die Zeugin &bdquo;pampig“, &bdquo;lustlos“ und &bdquo;widerwillig“ geantwortet habe. Mauntel spricht sogar von &bdquo;wenig wahrheitsgemäßen Aussagen“. Möglicherweise muss Liana L. dann nicht nur erklären, warum sie das Hotel nicht ganz einfach verlassen hat, sondern auch, warum sich in diversen Chats Bilder von ihr finden, die sie in aufreizenden Posen zeigen sollen. Ihrer vor der Polizei geäußerten Erklärung &bdquo;Ich dachte, ich bewerbe mich um eine Stelle bei Lidl oder als Servicekraft im Hotel“ schenken die Verteidiger Schulze und Mauntel nämlich keinen Glauben. Die Verhandlung wird am Freitag, 13. Juni, fortgesetzt.

Meistgelesen