Nach Anklage wegen Vergewaltigung an Lübbeckerin: 22-Jähriger von Gericht freigesprochen

Lübbecke/Minden. Die Erleichterung war dem 22-Jährigen aus Lage deutlich anzumerken. Soeben hatte ihn das Jugendschöffengericht Minden von der Anklage einer Vergewaltigung freigesprochen. Zwei Jahre hatte er mit der Last des Vorwurfs leben und ihn verheimlichen müssen, um nicht – jetzt gerichtlich als falsch erwiesenen – Gerüchten ausgesetzt zu sein. Laut Anklage soll er am 19. Mai 2023 seiner damaligen Freundin in ihrem Elternhaus in Lübbecke Gewalt angetan haben. Im Anschluss an einen Streamingabend mit Freunden kam es zum Austausch von Zärtlichkeiten zwischen den beiden. So weit deckten sich die Darstellungen von vermeintlichem Täter und Opfer. Doch dann gingen die Schilderungen vor dem Jugendschöffengericht Minden auseinander. Sie beschuldigte ihn in einer Anzeige Ende Juni 2023, sie vergewaltigt zu haben. Er gab an, als sie weitere sexuelle Handlungen ablehnte, weil sie müde sei, habe er sofort abgelassen. Sie sei dann auf das Sofa im Nebenzimmer gegangen, er sei im Bett eingeschlafen. Am nächsten Morgen habe sie ihn zu seiner totalen Überraschung mit dem Vergewaltigungsvorwurf konfrontiert. Nach ein paar Chats schien für ihn alles wieder in Ordnung zu sein, wenn auch die Beziehung schon vorher &bdquo;toxisch“ gewesen sei und jetzt beendet wurde. Sie sei sehr bestimmend, schnell wechselnd in ihren Stimmungen und leicht verletzlich. Gut einen Monat nach der besagten Nacht sei für ihn völlig überraschend die Vorladung der Polizei zur Vernehmung gekommen. Die damals 19-jährige &bdquo;Ex“ hatte sich auf Drängen ihres Umfeldes entschlossen, Anzeige zu erstatten. Laut Gericht gibt es keine Beweise Die Ermittlungen dauerten weit über ein Jahr bis zur Anklageerhebung im Januar 2025. Neben den beiden direkt Beteiligten wurden auch drei Freunde der jungen Frau vernommen, die jetzt – wiederum ein halbes Jahr später – zur Verhandlung geladen waren, aber nicht auszusagen brauchten. Denn nach der Einlassung des Angeklagten und der Vernehmung seines mutmaßlichen Opfers schälte sich immer stärker heraus, dass hier vermutlich keine Vergewaltigung vorlag, zumindest dass sie sich nicht beweisen lassen würde. Denn während der Angeklagte ruhig, sachlich ohne negative Emotionen, aber sehr detailreich den Ablauf schilderte, geriet die Aussage der jungen Frau immer mehr ins Schwimmen. In wichtigen Einzelheiten, &bdquo;solchen, die man nicht vergessen kann“, wie Verteidiger Martin Mauntel bewertete, widersprach sie sich mehrfach und gab auch einiges anders an als bei der Polizei. Zum Beispiel wie sie bekleidet war oder wie er ihre Arme festgehalten habe. Lesen Sie auch: Kriminalität: Bei diesen Straftaten liegt Lübbecke kreisweit an der Spitze Wenn sich Erinnerung und andere Einflüsse vermischen Es entstand der Eindruck, hier sagt jemand aus, der tatsächliche Erinnerung mit anderen Einflüssen vermischt. War es tatsächlich so oder ist in Gesprächen da ein anderer &bdquo;Gedächtnisfilm“ entstanden? Spielt möglicherweise noch etwas anderes, ein früheres Trauma eine Rolle? &bdquo;False Memory“, unabsichtliches Verfälschen eigener Gedächtnisinhalte, wird das genannt. Für das Gericht eine schwierige Aufgabe, die Wahrheit von dem für wahr Gehaltenem zu trennen. Hier kam noch dazu, dass die junge Frau möglicherweise unter einem Kindheitstrauma stand. Sie hatte anderen gegenüber erzählt, dass sie von ihrem Ex-Stiefvater missbraucht worden sei. Sie ist in psychiatrischer Behandlung, hatte schon eine Therapie gemacht und nimmt Antidepressiva. Nach der vermeintlichen Tat hatte sie sich am Oberschenkel mit einem Messer geritzt – nicht zum ersten Mal. Nach gut zweistündiger Verhandlung unterbrach die Vorsitzende Richterin. Im Rechtsgespräch einigten sich alle Beteiligten auf Abbruch der Vernehmung, das Ende der Beweisaufnahme und auf den Verzicht, weitere Zeugen zu hören. Die junge Frau sei &bdquo;ein Stück weit überfordert“. Sie habe vielleicht nicht damit gerechnet, dass es so weit kommt. Daran sei auch der offensichtliche Druck aus ihrem Umfeld schuld, sie zur Anzeige zu drängen. Richterin übt Kritik an der Polizei Kritik übte die Richterin dabei an der Mindener Polizei, die die Vernehmung der jungen Frau unsensibel durch einen männlichen Beamten habe vornehmen lassen. Auf alle Fälle besser wäre es gewesen, vorher einen Rat zum Beispiel bei Wildwasser Minden, der Fachberatungsstelle für sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen, zu suchen. Wird aber Anzeige erstattet, sind die Mühlen der Strafverfolgung nicht mehr aufzuhalten. Die Zeugin habe sicher auch in dieser langen, schwierigen Zeit vor der Verhandlung gelitten. Ebenso wie der Angeklagte. Zwar gab es nun keinen Freispruch wegen erwiesener Unschuld, dazu fehlte die entsprechende Erklärung der Zeugin. Aber auf die wollte das Gericht auch angesichts ihrer psychischen Situation nicht unbedingt drängen. &bdquo;Es gibt keinen Freispruch zweiter Klasse“, betonte die Vorsitzende. Hier waren die Zweifel, wenn noch vorhanden, dann nur sehr klein. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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