Kreis Gütersloh/Bielefeld. Nur einer hielt sich in bekannter Manier einen roten Aktendeckel vors Gesicht. Unter relativ regem Medieninteresse begann vor der als Wirtschaftsstrafkammer fungierenden 9. Großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld der Prozess gegen drei Angestellte der Fleischkonzerns Tönnies wegen bandenmäßigen Betrugs. Sie sollen dem Rheda-Wiedenbrücker Unternehmen durch Manipulationen beim Wiegen einen Schaden von knapp vier Millionen Euro zugefügt haben.
Deal mit zwei polnischen Firmen
Die drei Männer aus Rheda-Wiedenbrück, Gütersloh und Harsewinkel waren im Bereich der Annahme von Lieferungen beschäftigt und dort auch mit Wiegevorgängen betraut. Laut Anklage sollen die drei zwischen Januar 2016 und Januar 2019 Lieferscheine zweier polnischer Firmen akzeptiert und abgezeichnet haben, auf denen jeweils ein um zwei Tonnen erhöhtes Lieferungsgewicht angegeben war. Zudem sollen sie durch manuelle Veränderungen der Waage deren Gewichtsanzeige entsprechend erhöht haben.
Gütersloher sitzt derzeit in U-Haft
Dies soll über den gesamten Zeitraum bei wöchentlich 16 bis 20 Lieferungen geschehen sein. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, die Tabelle mit 1.788 Einzeltaten vorzulesen. Im Einzelnen werden einem 34-jährigen Rheda-Wiedenbrücker 1.052 Taten, einem 28 Jahre alten, derzeit in U-Haft sitzenden Gütersloher 1.245 und einem 27-Jährigen aus Harsewinkel 498 Taten vorgeworfen. Die beiden ersteren sollen jeweils 100.000 Euro für ihre Betrügereien erhalten haben, der dritte 50.000 Euro.
Nach den Worten des Staatanwalts werden zwei weitere Verdächtige gesondert verfolgt, und es seien wohl auch noch Unbekannte beteiligt gewesen. Der Firma Tönnies soll durch jeder dieser manipulierten Lieferungen rund 2.200 Euro Schaden entstanden sein, insgesamt wird der Verlust auf exakt 3.979.205,70 Euro beziffert.
"Interne Kontrollmechanismen bei Tönnies haben den bandenmäßigen Betrug aufgedeckt"
Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass zwei der Angeklagten außer wegen bandenmäßigen Betrugs auch wegen „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr" verurteilt werden könnten. Die Firma Tönnies erklärte zu dem Fall: „Interne Kontrollmechanismen bei Tönnies haben den bandenmäßigen Betrug aufgedeckt und die Ermittlungen wurden an die Staatsanwaltschaft übergeben." Das Unternehmen führe zudem zivilrechtliche Verfahren und erhebe Schadensersatzansprüche.
Die Verhandlung wird am 16. August fortgesetzt.