Gütersloh

In Gütersloh gibt es Hoffnung für den Stieglitz

2016 wurde der Stieglitz vom NABU zum „Vogel des Jahres“ gekürt, weil seine Population deutschlandweit rapide abgenommen hatte. Wie steht es aktuell um den Singvogel?

Schöner Anblick: Ein Stieglitz sitzt auf einer vertrockneten Sonnenblume. Die Samen gehören zum Speiseplan des Vogels, der im Jahr zwei Bruten aufziehen kann. | © Thomas Warnack

24.07.2019 | 24.07.2019, 18:34

Gütersloh. Farbenprächtiges Gefieder, betörender Gesang: Nicht ohne Grund zählt der Stieglitz hierzulande zu den beliebtesten Singvögeln. Doch das Tier hat’s nicht leicht, denn einer seiner größten Feinde, der Mensch, greift immer wieder in seinen Lebensraum ein. Jüngstes Beispiel: Ein Feld an der Brockhagener Straße. Doch es gibt auch Hoffnung.

Vergangene Woche war die Vogelwelt hinter Meike Müllers Garten noch in Ordnung. Sechs Stieglitz-Paare wohnten in den nahen Bäumen und zogen dort ihren Nachwuchs auf. Futter fanden sie reichlich auf einer nahegelegenen Brachfläche, wo Raps, Triticale und verschiedene Wildkräuter wuchsen. Doch quasi über Nacht war es vorbei mit der Idylle. Das Feld wurde umgepflügt und den Stieglitzen somit die Futtergrundlage entzogen. Müller würde gern helfen, weiß aber nicht so recht, wie. „Stieglitze brauchen ja ganz anderes Futter, als ihnen ein Gemüse-, Obst- und Beerengarten bieten kann", sagt sie.

Distelfink? Daher kommt der zweite Name

Denn ganz oben auf dem Speisezettel des Stieglitz stehen Samen und Körner von Wildblumen und „Unkräutern", am liebsten von Disteln, woher übrigens auch des Stieglitz Zweitname Distelfink kommt. Doch Disteln sind wegen ihrer Stacheligkeit verpönt, die meisten Gartenbesitzer wollen sie daher in ihrem gepflegten Grün nicht haben. Und auf den Äckern und Wiesen, die oft voller Pestizide sind, findet der Stieglitz ebenfalls kaum noch Nahrung.

Schwere Zeiten also für den Distelfink, dessen Bestand vor einigen Jahren derart dramatisch gesunken ist, dass er vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) zum „Vogel des Jahres 2016" gekürt wurde.

Doch es gibt Hoffnung: Das bundesweite Projekt „Bunte Meter" des NABU beispielsweise, bei dem Wildblumensreifen angelegt oder Brachflächen vor der Bebauung gerettet werden, soll neuen Lebensraum für die Tiere schaffen. Und die Landwirtschaft ist seit 2015 verpflichtet, im Zuge des sogenannten Greenings einen bestimmten Prozentsatz ihrer Flächen nicht zu beackern, um Wildtieren und -pflanzen zusätzlichen Raum zu bieten.

Das „Greening" ist für Landwirte Pflicht

Möchten Landwirte mit einer Anbaufläche ab 15 Hektar EU-Direktzahlungen beantragen, müssen sie drei grundsätzliche Vorgaben erfüllen, nämlich den Erhalt von Dauergrünland, die Bereitstellung von mindestens fünf Prozent Ökologischer Vorrangflächen auf der Ackerfläche sowie die Fruchtartendiversifizierung. Ausgenommen von dieser Regel ist die ökologische Landwirtschaft.

„Machen die Landwirte nicht mit, droht ein Abzug von 30 Prozent Förderbeihilfe", berichtet Ulrich Bultmann, Geschäftsführer Landwirtschaftskammer NRW und zuständig für die Kreisstellen Gütersloh, Münster und Warendorf. Die Greening-Flächen müssen zwischen Mitte März und Mitte Mai bei den Landwirtschaftskammern gemeldet werden, allerdings sei das Verfahren „bürokratisch und kompliziert", es gebe einige Stolperfallen und die Umsetzung müsse sorgfältig erfolgen. „Alles in allem ist es trotzdem eine sinnvolle Maßnahme, die für den Naturhaushalt von Flora und Fauna förderlich ist", so Bultmann.

Erste Erfolge

Erste Erfolge scheint es bereits zu geben: Frank Püchel-Wieling von der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld berichtet gar von einer Zunahme der Distelfink-Population, zumindest in Ostwestfalen. Wünschenswert wären trotzdem weitere Blühstreifen, in denen die etwa 12 Zentimeter großen und 16 Gramm schweren Vögel, die gern in Schwärmen von 15 bis 20 Artgenossen unterwegs sind, ihr Futter finden.

Weil auch Acker-, Gänse- oder Kratzdisteln, Karden, Hirtentäschelkraut, Ampfer, Wegerich, Vogelmiere, Sonnenblumen, Beifuß oder Knöterich dem Stieglitz zuträglich sind, sollten sie entweder gezielt angesiedelt, zumindest aber am Wegesrand stehen gelassen werden.

Und wer als Gartenbesitzer etwas tun möchte, um Stieglitzen und natürlich auch anderen Vögeln zu helfen, sollte sich für einen naturnahen Garten entscheidet, in dem auch Disteln, Löwenzahn oder Kornblumen wachsen dürfen. „Man wird dann mit dem Besuch vieler Vögel belohnt", so Püchel-Wieling.