Bio-Bauer aus OWL über Preispolitik: „Ich balle die Fäuste in der Tasche“

Herr Kinkelbur, aus welcher Überzeugung heraus bewirtschaften Sie Ihren Betrieb ökologisch nach den Richtlinien von Bioland? Friedrich Kinkelbur: Es war der Arzt meiner Mutter, der meine Eltern dazu gebracht hat, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der in den 1970ern boomte, zu hinterfragen. Bio-Landwirtschaft war damals absolut kein Trend, aber meine Eltern haben beschlossen, dass es ihnen nicht egal war, welche Mittel auf ihren Feldern zum Einsatz kommen. Darum haben die den kompletten landwirtschaftlichen Betrieb, zu dem damals 50 Milchkühe gehörten, 1981 auf organisch-biologischen Landbau umgestellt. Gab es damals schon einen Markt für Bio-Landwirtschaft? Sie waren damals einer der ersten Betriebe – den Verband Bioland zum Beispiel gab es erst wenige Jahre –, aber sie wollten dem Ganzen zumindest eine Chance geben. Obwohl mein Vater zu Anfang gesagt hat, wenn unsere Äcker in Disteln versinken, gehen wir nicht ehrenvoll pleite, dann müssen wir wieder etwas ändern. Aber das ist nicht passiert. 1996 habe ich den Hof übernommen und den ökologischen Betrieb fortgesetzt. Heute bewirtschaften wir 195 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, haben 110 Milchkühe und zwei Hühnermobile mit je 345 Hennen. Das heißt, Sie haben sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen für eine ökologische Bewirtschaftung entschlossen. Waren die Erträge denn trotzdem immer auskömmlich? Die Bio-Branche ist von Beginn an stetig gewachsen, und je mehr Menschen sich dazu entschieden haben, Bio-Lebensmittel zu kaufen, desto mehr Betriebe haben sich dazu entschlossen, ihren Betrieb nicht mehr konventionell, sondern ökologisch zu bewirtschaften. Ab 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, erlebte die Branche einen echten Höhenflug. Weil Urlaube, Konzerte oder auch Restaurantbesuche ausfielen, hatten die Menschen mehr Geld für Lebensmittel zur Verfügung. Und weil auch viele das Kochen für sich entdeckt haben, waren die Menschen bereit, mehr Geld für die teureren Bio-Produkte auszugeben. Doch ab 2022 folgten schwierige Zeiten für die Bio-Landwirtschaft. Auch interessant: Borchener Bio-Hof will kein Bio-Siegel mehr Was macht die ökologisch produzierten Lebensmittel teurer? Die Art der Bewirtschaftung ist aufwendiger als bei den Konventionellen. Wir müssen beispielsweise vor jeder Frucht pflügen, was Kraftstoff-intensiv ist, und haben geringere Erträge. Die Pacht- und Erntekosten sind aber für alle gleich. Trotzdem finde ich die Preise für Bio-Lebensmittel ehrlicher, weil beispielsweise auch der Erhalt der Artenvielfalt und die Tiergerechtigkeit mit eingepreist sind. 2022 begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, und sie sagen, dass das mit einer schwierigen Zeit für Bio-Bauern einherging. Wo ist der Zusammenhang? Nach dem Höhenflug während der Corona-Zeit folgte mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs eine Zeit große Kaufzurückhaltung. Die Menschen waren verunsichert und der Absatz ist um 20 Prozent eingebrochen. In der Zeit waren die Erträge nicht auskömmlich und es war eine blöde Situation für uns. Als Landwirte sind wir außer, bei der Direktvermarktung, was die Preisgestaltung angeht, das Ende der Kette. Darum sind wir froh, dass diese inzwischen ein gutes Standbein ist. Eigentlich müssten beispielsweise die Molkereien die Milch zu einem Festpreis bei den Landwirten einkaufen, der eine Deckung der Kosten und einen Gewinn gewährleistet. Stattdessen geben sie uns die Preise vor, die natürlich auch vom Markt bestimmt werden. Darum ist konventionell produzierte Milch seit einiger Zeit wirtschaftlicher, als ökologisch produzierte. Da balle ich schon die Fäuste in der Tasche. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Bioland e.V. (@bioland_official) Nun scheint die Kaufzurückhaltung den Verbänden zufolge Geschichte zu sein, jetzt warnen sie in diesem Jahr vor einer Angebotsknappheit. Ist denn die Zahl der produzierenden Öko-Betriebe zurückgegangen? Nein, das ist nicht passiert. Doch wegen des Nachfrage-Einbruchs in den vergangenen Jahren haben sich weniger Betriebe für eine Umstellung zur ökologischen Landwirtschaft entschieden. Heißt: Abgesehen vom kleinen Einbruch hat sich die Nachfrage weiterentwickelt, aber es fehlt der Zuwachs an Bio-Betrieben. Bestimmt gab es auch Bio-Betriebe, die aufgrund der zuletzt schwierigen wirtschaftlichen Situation zur konventionellen Landwirtschaft zurückgekehrt sind, obwohl so eine Umstellung mehrere Jahre dauert. Aber wenn man sowieso nicht zu 100 Prozent vom ökologischen Landbau überzeugt ist, dann ist es meiner Meinung nach eh zum Scheitern verurteilt. Für mich würde eine Umstellung zur konventionellen Landwirtschaft jedenfalls nicht infrage kommen, ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir die richtigen Produkte produzieren. Wie könnte eine Lösung für das Dilemma aussehen? Die Politik sollte nicht noch einmal den Fehler machen, nur die Produktion zu fördern. In der Vergangenheit wollte man die Bio-Landwirtschaft mit Flächenprämien pushen, die aber die Alteingesessenen nicht bekommen haben. Das hat letztendlich nur die Preise kaputtgemacht. Ich denke, was die Politik angeht, liegt der Schlüssel in der Förderung des Absatzes zu zukunftsfähigen Preisen. Und jeder Verbraucher sollte sich bewusst machen, welche Macht er durch seine Kaufentscheidung hat. Es müssen auskömmliche Preise für unsere Produkte gezahlt werden, dann kommen die Landwirte schon. Und dann reicht auch das Angebot wieder.

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