Borgholzhausen

Der Fall Evelyn W.: Die Beschuldigte Heike M. bricht erstmals ihr Schweigen

Mittwoch ist der Tag der kriminalistischen Gutachter im Verfahren gegen Heike M. Die Beschuldigte besteht auf ihrer Unschuld. Überraschend bricht sie ihr Schweigen.

Die Beschuldigte Heike M. bleibt bei ihrer Darstelung, dass sie die Tat nicht begangen habe. Deshalb meldete sie sich am Mittwoch sogar kurz zu Wort. | © Andreas Großpietsch

12.12.2019 | 12.12.2019, 08:17

Bielefeld/Borgholzhausen. Spuren und Beweisstücke in großer Zahl haben die ermittelnden Beamten nach der Entdeckung der Bluttat an der Wellingholzhauser Straße gesichert. Die meisten am Samstag in der Wohnung des Opfers Evelyn W., doch bereits am Sonntag, zwei Tage nach der gewaltsamen Tötung der 86-jährigen Frau, in der Wohnung der Beschuldigten Heike M., deren dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Staatsanwalt Veit Walter erreichen will.

Die 53-jährige Nachbarin geriet rasch ins Visier der Ermittler, nachdem sie die Tat gemeldet hatte. Doch offenbar hat sie die Vorwürfe von Anfang an bestritten und ein junges Paar als mögliche Tatverdächtige ins Spiel gebracht. Das führte immerhin dazu, dass die Polizei die beiden im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe von Phantomzeichnungen suchen ließ. Und dass im näheren Umfeld der Beschuldigten auch heute noch manche Menschen von ihrer Unschuld überzeugt sind.

Kratzspuren will sich die Beschuldigte selbst zugefügt haben

Mitarbeiter der Spurensicherung untersuchten den Tatort akribisch und fanden etliche Ansatzmöglichkeiten für weiterführende Auswertungen. Zahlreiche „rötliche Verfärbungen" wurden auf diese Art gesichert und ans Landeskriminalamt in Düsseldorf geschickt. Die Experten dort schauten ganz genau hin. Am Mittwoch präsentierten sie ihre Erkenntnisse der I. Strafkammer des Bielefelder Landgerichts.

Wie zum Beispiel die beiden Handabdrücke und den einzelnen Fingerabdruck der Beschuldigten, die auf den Fliesen im Hausflur des Opfers nachgewiesen werden können. Zusammen mit der Auswertung von Blutspritzern ergibt sich schon das Bild eines ziemlich starken Anzeichens. Doch da die mutmaßliche Täterin im selben Haus wie das Opfer wohnte, sind auch andere Erklärungen für solche Spuren zumindest nicht ohne Weiteres vollständig auszuschließen.

Das gilt auch beim stärksten Beweis, den Kratzspuren an den Armen der Beschuldigten. Eigentlich deutet alles auf einen Kampf hin, doch Heike M. hat in den Vernehmungen darauf bestanden, dass sie sich selbst solche Kratzspuren zufüge, wenn sie nervös sei. Wozu es ja angesichts des Geschehens in der Erdgeschosswohnung ausreichend Grund gab in Tagen um vor und nach dem 8. Juni, an dem die Leiche von Evelyn W. entdeckt worden ist.

Die Spuren an den Armen der Beschuldigten korrespondieren sehr stark mit weiteren wichtigen Hinweisen, die unter den Fingernägeln des Opfers gesichert wurden. Hier gelang der Nachweis, dass sich in den festgestellten Hautschuppen DNA von Heike M. befand. Als die Gutachter diesen Punkt näher beleuchteten, ergriff die Beschuldigte erstmals in der gesamten Verhandlung das Wort in eigener Sache.

Viele DNA-Spuren waren nicht als Beweise verwertbar

„Am Tag vor dem Tattag habe sie Frau W. auf dem Flur getroffen. Dabei habe die ältere Frau sie in den Arm genommen", schilderte der Vorsitzende Richter Dr. Georg Zimmermann eine Aussage aus den Vernehmungen. „Sie legte mir die Hände auf die Schultern und fuhr dabei über meine Arme", ergänzte Heike M. in diesem Moment überraschend. Und erläuterte auf Nachfrage zusätzlich, dass sie ihre Arme nur auf die Hüfte von Evelyn W. legen konnte, „weil ich den linken Arm nicht nach oben nehmen kann."

Es bleibt an diesem zweiten Verhandlungstag bei diesen Feststellungen. Heike M. verfiel dann wieder in ihre übliche Zurückhaltung, mit der sie der Verhandlung folgt, ohne dass Emotionen auf ihrem Gesicht ablesbar wären. Auch Staatsanwalt und Rechtsbeistand haben nicht besonders viele Fragen zu den Ausführungen der Kriminalisten.

Die haben nicht nur gute Nachrichten: Der allergrößte Teil der gesicherten DNA-Spuren ist nicht auswertbar. Die meisten sichergestellten Haare lassen sich nicht der Beschuldigten zuordnen. Und die mutmaßlichen Tatwaffen – ein schwerer Bronzemörser und ein Messer – wurden offenbar aufwendig von belastenden Spuren befreit. Ebenso wie Kleidung und Schuhe von Heike M., die bereits am Anfang der Ermittlungen gesichert wurden. Am Freitag wird das Verfahren mit Zeugenbefragungen fortgesetzt.