Borgholzhausen. Das blutige Geschehen, das sich am Pfingstwochenende in der Parterrewohnung des rotgeklinkerten Mehrfamilienhauses im Wohnpark an der Wellingholzhauser Straße abgespielt hat, beschäftigt die Menschen weiterhin sehr stark. Am Mittwoch war eine 53-jährige Nachbarin von der Polizei mit auf dem Rücken gefesselten Händen abgeführt worden. Sie gilt offiziell als tatverdächtig und befindet sich jetzt in Untersuchungshaft. Doch viel mehr sagt die Polizei im Augenblick noch nicht.
War es Mord oder war es "nur" Totschlag? – das ist eine der Fragen, die von den Menschen diskutiert wird. Das Opfer, die 86-jährige Evelyn W., galt als nette Nachbarin, die aber im Zweifel auch mitteilte, wenn ihr etwas nicht gefiel. Wie zum Beispiel die Sorgfalt bei der Mülltrennung. In ihrer Pressemitteilung spricht die Polizei von Totschlag, doch vor allem, weil die Entscheidung darüber erst vor Gericht getroffen wird.
Nur fünf Prozent der Gefängnisinsassen in Deutschland sind Frauen
Für das Strafmaß ist diese Unterscheidung sehr wichtig. Mord setzt den Vorsatz voraus, außerdem wird geprüft, ob niedere Beweggründe, wie zum Beispiel Verdeckung einer anderen Straftat, als Motiv vorlagen. Besonders die Frage nach dem Grund für den Ausbruch einer derart heftigen Aggression – das Opfer, eine kleine alte Frau, war nach zahlreichen Stichen verblutet – wird die Behörden noch lange beschäftigen.
In diesem besonderen Fall wohl noch deutlich länger, denn er ist schon jetzt in vieler Hinsicht außergewöhnlich. Nur fünf Prozent der Gefängnisinsassen in Deutschland sind Frauen. Und die Statistik besagt außerdem, dass bei schweren Gewaltdelikten die Täter meistens Männer sind. Im Jahr 2017 gab es in Deutschland 823 Menschen, die des Mordes verdächtig waren. Davon waren 718 männlich. Beim Delikt Totschlag war das Verhältnis noch krasser: Von 1.884 Tatverdächtigen waren 1.680 Männer.
Gewalt von Frauen gegen Kinder
Dieses Zahlenverhältnis hat sich schon seit vielen Jahren nicht grundlegend geändert. Dabei ist noch zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich Gewalt von Frauen in den meisten Fällen gegen Kinder und pflegebedürftige Anverwandte richtet. Oder gegen den Lebenspartner. Ein Opfer aus dem allgemeinen Wohnumfeld ist eigentlich eher nicht typisch für weibliche Gewaltkriminalität.
Doch die Kriminalwissenschaft beschäftigt sich nicht ausschließlich mit Statistiken, weil deren Auswertung im Einzelfall eben nicht unbedingt weiterhilft. „Letztlich ist jeder Fall einmalig. Es gibt die pauschal gültige Antwort nicht", sagen die Experten.
Noch kein Geständnis abgelegt?
Genau die in diesem Fall passende Antwort wird das Gericht suchen. Dabei greift es natürlich auf die Ergebnisse der Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft zurück. Dem Vernehmen nach soll die mutmaßliche Täterin, die mit ihrem deutlich älteren Ehemann in der Dachgeschosswohnung des Hauses lebte, noch kein Geständnis abgelegt haben.
Das könnte ein Grund sein für die Zurückhaltung in der Pressestelle der Polizei. Außer dem Hinweis, dass es noch nichts Neues mitgeteilt würden, kündigte man dort eine Erklärung an, die „vielleicht in der nächsten Woche kommen soll." Ein Termin für die Beerdigung der getöteten Frau ist bislang ebenfalls noch nicht festgelegt worden.