Bielefeld. Dieser Streit hätte tödlich enden können. Davon ist der ermittelnde Staatsanwalt Veit Walter nach Abschluss der Ermittlungen der „Mordkommission Gleis“ überzeugt. Deshalb muss sich in Kürze ein 24-jähriger Bielefelder wegen versuchten Totschlags vor dem Bielefelder Landgericht verantworten. Doch der sagt, dass alles ganz anders war.
Was war passiert? Am Vormittag des 21. Januar waren zwei Bekannte (22, 24) auf dem Hochbahnsteig der Stadtbahn-Haltestelle Landgericht am Niederwall miteinander in Streit geraten. Veit Walter sagt, dass noch nicht geklärt werden konnte, wer wem Geld geschuldet haben soll. „Das muss noch in der Gerichtsverhandlung geklärt werden.“
Zeugen beobachteten dann an der Haltestelle, dass der Streit wütender wurde. Schließlich soll der Ältere den 22-Jährigen gepackt haben und entweder von sich geschubst haben oder sogar aktiv zwischen die beiden Zugteile der anfahrenden Stadtbahn gedrückt haben. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass der 24-Jährige wollte, dass sein Gegenüber zwischen Triebwagen und Waggon geriet.
Mann hätte von Stadtbahn überrollt werden können
Der junge Mann stürzte zwischen den Triebwagen und den nachfolgenden Waggon der tonnenschweren Stadtbahn. „Der Angeschuldigte nahm den Tod des Opfers zumindest billigend in Kauf“, betont Walter. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass der polizeibekannte Mann (Diebstahl, Drogen, Verkehrsdelikte) wusste, dass der junge Mann zwischen den Waggons sterben könnte.
Die Ermittler hielten es zumindest für wahrscheinlich, dass er nach dem Sturz zwischen Bahnsteigfundament und anfahrender Bahn eingeklemmt werden könnte. Dazu kam es zum Glück nicht, weil Umherstehende sofort eingriffen und den Gestürzten zwischen den Waggons wieder nach oben zogen.
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„Fahrgäste, die das Geschehen von innen beobachtet hatten, hatten gleichzeitig den Knopf für den Notstopp gedrückt.“ Trotzdem fuhr die Bahn noch einige Meter weiter, bevor der Zug zum Stehen kam. Die Bahn hatte also noch genug Energie, um eine Person auf den Gleisen zu überrollen. Das Opfer kam mit dem Schrecken und Schürfwunden an einem Bein davon.
Bielefelder hat kein Geständnis abgelegt
Für die Einschätzung der Ermittler der direkt nach der Tat eingerichteten „Mordkommission Gleis“ ist entscheidend, dass die Bahn bereits angefahren war, als das Opfer zwischen die Bahnteile stürzte. Deshalb geht die Anklage von versuchtem Totschlag und vorsätzlicher Körperverletzung aus.
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Der 24-Jährige wurde noch am Tatort festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Angeschuldigte habe sich zu dem Vorfall eingelassen. „Ein Geständnis hat er aber nicht abgelegt“, so Walter. Er hat eine andere Version des Geschehens dargestellt. Im Gerichtsverfahren muss nun geklärt werden, welche Version den Tatsachen entspricht.
Immer wieder Stadtbahnschubser in Bielefeld
Nicht zum ersten Mal beschäftigen sich Kripo und Staatsanwaltschaft mit Schubsern am Bahnsteig. Im März 2023 hatte ein Arminia-Fan eine Frau vom Bahnsteig der Haltestelle Rudolf-Oetker-Halle geschubst. Weil damals aber keine Bahn in der Nähe war, wurde der Tatvorwurf eines versuchten Tötungsdeliktes wieder zurückgenommen.
Anders der Fall einer psychisch kranken Schubserin, die 2022 wiederholt wartende Fahrgäste mit Anlauf vom Bahnsteig der Haltestelle Schillerstraße vor einfahrende Stadtbahnen stoßen wollte. Die Opfer stürzten zum Glück nicht aufs Gleis. Die „Mordkommission Bahn“ warf der 23-Jährigen zweifach versuchten Mord vor.
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Im Prozess sagte der Vorsitzende Richter später: „Sie haben die Stadt in Angst und Schrecken versetzt.“ Nur durch Glück wurde keines der Opfer von der einfahrenden Bahn überrollt.