„Großer Verlust“: Diebe plündern in Bielefeld 2.000 Jahre alte Ausgrabungsstätte

Bielefeld. Wegen eines Grundschulneubaus finden aktuell im Bielefelder Stadtteil Sieker große archäologische Ausgrabungen statt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat dort bereits mehrere, fast 2.000 Jahre alte Hausgrundrisse entdeckt. Bereits in den 80er-Jahren waren in direkter Nähe großflächige Siedlungsspuren und ein zugehöriges Gräberfeld erforscht worden. Es handelt sich um die bisher größte germanische Siedlungsfundstelle der römischen Kaiserzeit in Westfalen, deren Bewohner offenbar auch Zugang zu qualitativ hochwertigen römischen Metallobjekten hatten. Jetzt schlägt der LWL allerdings Alarm: Denn schon zum zweiten Mal waren in Sieker vermutlich Raubgräber tätig. Bereits im August waren Spuren einer illegalen Begehung mit einer Metallsonde auf den Flächen der damaligen Ausgrabungsfläche beobachtet worden. Experte: Großer Verlust für die Wissenschaft Nachdem die Grabung am vergangenen Wochenende wieder aufgenommen wurde, sind erneut verdächtige Spuren entdeckt worden: Am Montag stellte Grabungsleiterin Eva Manz fest, dass sich unter den Abdeckplanen einige wieder zugefüllte große Löcher befanden. Dort wurden gezielt etliche Bodenverfärbungen aufgegraben und ihnen Funde entnommen, darunter vermutlich nicht nur Metallteile, sondern offenbar auch Teile mindestens eines Keramikgefäßes. &bdquo;Das ist gerade bei dieser besonderen Siedlung ein großer Verlust für die Wissenschaft“, erklärt Michael M. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. &bdquo;Damit wurden nicht nur Befunde auf dem Bodendenkmal beschädigt oder zerstört, bevor sie überhaupt fachgerecht dokumentiert werden konnten, sondern auch Fundmaterial aus seinem ursprünglichen Kontext gerissen, sodass an diesen Stellen die Grabungsdokumentation unvollständig bleibt und die Auswertungsmöglichkeiten der Ausgrabung eingeschränkt werden." Lesen Sie auch: Bielefeld baut für 34 Millionen Euro eine Schule im Grünen – und rodet dafür Bäume Sicherungsmaßnahmen für Ausgrabungsstelle Die Stadt Bielefeld als Bauherrin und die LWL-Archäologie für Westfalen planen jetzt zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für die Ausgrabungsstelle. &bdquo;Wir hoffen, dass auf diese Weise weitere Verluste nicht nur für die Stadtgeschichte, sondern auch für die Geschichte Westfalens verhindert werden können", sagt Claudia Koch, zuständige Baudezernentin der Stadt Bielefeld. Stadt und Archäologen hoffen zudem auf die Wachsamkeit und Mithilfe der Bürger, wenn sie abends oder nachts oder am Wochenende Personen auf dem Grabungsgelände bemerken. Wer solche Aktivitäten beobachtet, soll umgehend die Polizei verständigen. Spektakuläre Funde in Bielefeld: Archäologen stoßen auf Siedlung aus der Römerzeit Unabhängig von diesen Vorfällen bietet die Außenstelle Bielefeld für alle Interessierten auch weiterhin jeden Mittwoch eine öffentliche Führung über die Grabungsstelle an: im Oktober noch jeweils um 17 Uhr und ab November jeweils um 16 Uhr. Römische Objekte zwischen germanischen Hausgrundrissen Das Besondere an Sieker: Es ist ein Ort, der immer wieder besiedelt wurde – aus gutem Grund. Fließendes Wasser, hochwassersichere Bauplätze und fruchtbarer Boden machten das Mühlenbachtal bereits in der Eisenzeit attraktiv. Auch wenn die Siedlung im 5. Jahrhundert zunächst aufgegeben wurde, ist sie ein frühes Beispiel für dauerhafte Besiedlung in der Region – wenn auch von einer &bdquo;Keimzelle Bielefelds“ nicht gesprochen werden kann, wie LWL-Expertin Julia Hallenkamp-Lumpe betont. Nutzen Sie den Mauszeiger am Computer oder den Finger am Smartphone, um den Schieberegler in der Mitte zu bewegen und die unterschiedlichen Forschungsstände zu sehen. Zwischen germanischen Hausgrundrissen tauchen immer wieder römische Objekte auf: ein bronzener &bdquo;As“ (römische Kleingeldmünze) aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, ein verzierter Pferdegeschirranhänger mit plastischem Pferdekopf, der Griff einer römischen Bronzekanne. Alles Stücke, die nicht wie üblich eingeschmolzen, sondern offenbar bewusst aufbewahrt wurden. &bdquo;Der hohe Anteil römischer Importfunde ist auffällig“, erklärt Sebastian Düvel von der LWL-Archäologie für Westfalen. &bdquo;Sie zeigen, dass intensive Kontakte jenseits des Limes auch lange nach dem gescheiterten Eroberungsversuch der Römer bestanden.“ Es sei zwar kein friedliches Nebeneinander im modernen Sinne gewesen, es habe aber ein reger Kontakt bestanden: durch Handel, Söldnerdienste – vielleicht sogar durch gemeinsame Allianzen. Mögliche Konsequenzen für die Täter Den unbekannten Tätern drohen für den Fall, dass sie gefasst werden, ernste Konsequenzen. Zum einen drohen je nach Schwere des Verstoßes empfindliche Bußgelder, weil das &bdquo;unerlaubte Sondieren“ und das &bdquo;eigenmächtige Bergen von Bodendenkmälern“ gemäß dem NRW-Denkmalschutzgesetz verboten ist. Zudem besteht eine &bdquo;Melde- und Übergabepflicht“ für die gemachten Funde. Parallel dazu drohen in diesem Fall sogar strafrechtliche Vorwürfe aus dem Strafgesetzbuch – immerhin ist der Antikenräuber mehr oder minder bewusst in eine offizielle Ausgrabung des LWL eingedrungen. Je nach Sachlage drohen ihm Anzeigen wegen Diebstahls oder Unterschlagung - beides kann Geldstrafe oder Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Sollte man dem Täter oder den Tätern sogar gewerbsmäßiges Vorgehen oder Bandenbildung nachweisen oder dass sie besonders wertvolle oder kulturgeschichtlich bedeutsame Funde gestohlen haben, kann sogar ein &bdquo;besonders schwerer Fall“ vorliegen und die Strafen deutlich höher ausfallen. Ganz davon abgesehen könnten die Täter auch noch wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung oder Hehlerei belangt werden. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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