So tickt der neue Chef der Bielefelder Philharmoniker

Herr Davis, Sie stehen kurz vor der Premiere der Oper &bdquo;Peter Grimes“ und dem ersten Freitagskonzert, das Sie als neuer Generalmusikdirektor der Bielefelder Philharmoniker dirigieren werden. Wie viel Nervosität verspüren Sie? Robin Davis: Ich habe das Gefühl, dass die Sängerinnen und Sänger zur Premiere hin immer nervöser werden. Bei mir ist das umgekehrt. Ich bin bis zur ersten Bühnen- und Orchesterprobe immer deutlich nervöser, weil dann Orchester und Bühne erstmals zusammenkommen und sich noch manches sortieren muss, aber je näher der Premierentag rückt, desto ruhiger werde ich. Ich hoffe nun, dass sich das auch hier in Bielefeld bei mir so einstellt. Die Oper &bdquo;Peter Grimes“ von Benjamin Britten steht am 11. Oktober auf dem Programm des Stadttheaters. Was zeichnet diese Oper für Sie aus? Zu Britten habe ich zu Beginn meiner Karriere zunächst keinen richtigen Zugang gefunden. Was an seiner Klangsprache lag, die ich sehr ungewöhnlich fand. Aber nachdem ich mich stärker mit ihm beschäftigt habe, ist meine Begeisterung für seine Werke immer mehr gewachsen. Heute vergleiche ich ihn sehr gerne mit Brahms, vor allem was die Struktur seiner Kompositionen angeht. An der Oper &bdquo;Peter Grimes“ faszinieren mich insbesondere die starken Kontraste, die Extreme. Wuchtige Chorszenen voller Intensität wechseln sich mit zarten Liebesduetten ab, die die Zuhörerinnen und Zuhörer dahinschmelzen lassen. Das ist großartig. Auch das Element Wasser ist in dieser Oper omnipräsent. Das finde ich als Brite, der von der Küste kommt, einfach großartig. Was kann das Publikum von dieser Aufführung erwarten? Es wird auf keinen Fall langweilig, das kann ich versprechen. Ich freue mich sehr auf diesen Abend. Lesen Sie auch: Der neue Chef der Bielefelder Philharmoniker heißt Robin Davis Am 17. Oktober dirigieren Sie dann Ihr erstes von neun Sinfoniekonzerten. Jennifer Higdons &bdquo;Blue Cathedral“, Rachmaninows drittes Klavierkonzert und Edward Elgars Symphonie Nr. 1 stehen auf dem Programm. Warum haben Sie diese drei Stücke gewählt? Ich habe für die ersten beiden Sinfoniekonzerte Stücke ausgesucht, die mir persönlich sehr wichtig sind. Ich möchte dem Publikum mit ihnen einen Blick in meine Welt anbieten, zeigen, wer ich bin und was mich musikalisch bewegt. Elgars monumentale erste Symphonie mit ihrer &bdquo;massiven Hoffnung auf die Zukunft“ passt sehr gut zu meiner optimistischen Lebenseinstellung und meiner Ansicht, dass wir trotz dieser verrückten Zeit noch Hoffnung haben können. Es war mir ganz wichtig, dies gleich zum Auftakt deutlich zu machen. Mit Rachmaninows Klavierkonzerten verbinde ich große Erinnerungen an meine Jugend. Und Jennifer Higdon steht dafür, dass ich mehr Komponistinnen in unseren Konzerten präsentieren und Grenzen überschreiten möchte. Welche Grenzen meinen Sie? In der Oetkerhalle präsentieren wir neben unseren klassischen Konzerten auch sehr viel Jazz. Ich möchte den Jazz nun auch gelegentlich in unsere Symphoniekonzerte selbst integrieren. Und umgekehrt unser klassisches Programm in Jazz-Formate einbauen, wie unseren Abend, in dem wir das Great American Songbook ins Zentrum rücken. Diese Grenzüberschreitungen finde ich sehr spannend und erhoffe mir dadurch auch, unsere Konzerte für neue Besucher attraktiv zu machen. Haben Sie keine Sorge, mit diesen Grenzüberschreitungen das traditionelle Publikum der Freitagskonzerte zu verschrecken? Ich hoffe, dass wir eine gute und behutsame Mischung gefunden haben, die die Menschen annehmen werden. Auch interessant: Imposante Abschiedsshow für Bielefelds Theaterintendanten Michael Heicks Veränderung ist ein gutes Stichwort. Das jüngere Publikum zu erreichen, ist eine Herausforderung auch für die Philharmoniker. Wie wollen Sie das angehen, werden Sie demnächst bei TikTok tanzen, um für Ihre Konzerte zu werben? (lacht) Nein, denn ich selbst bin in den sozialen Medien nicht aktiv. Aber wir wollen Kinder und Jugendliche viel stärker direkt mit uns in Kontakt bringen. Das scheint mir der Schlüssel zu sein, um in Zukunft neue Zuhörer zu erschließen. Daher wollen wir noch mehr für Kinder bereits ab dem Kindergartenalter tun. Und wir gehen gezielt in die Schulen und planen gerade, wie wir komplette Orchesterproben in Schulen über die Bühne gehen lassen können. Das ist ein großer logistischer Kraftakt, aber wir sind überzeugt, dass dieser Aufwand sich lohnen wird. Ihr Vorgänger Alexander Kalajdzic hat ein großes Augenmerk auch auf die Neue Musik gelegt und sich ganz bewusst mit dem zweitägigen Festival der Neuen Musik von seinem Publikum verabschiedet. Welche Rolle wird Sie bei Ihnen spielen? Auch für mich ist sie ein wichtiger Bestandteil unseres Programms. Aber ich mache die Neue Musik lieber zum Bestandteil unserer Sinfoniekonzerte, statt sie separat in den Konzertsaal zu bringen. Auch das ist ein Beitrag zu meinem Vorhaben, Grenzen abzubauen und unsere Konzerte für weitere Publikumsschichten zu öffnen. Lesen Sie auch: Michael Heicks nimmt Abschied vom Theater Bielefeld: &bdquo;Schaue positiv in die Zukunft“ Die Bielefelder Philharmoniker werden im Mai 2026 125 Jahre alt. Wie werden Sie das begehen? Es ist schon ein Privileg, dass ich die Philharmoniker gleich in meiner ersten Saison in das Jubiläumsjahr führen darf. Das Jubiläum hat für uns bereits jetzt begonnen und wird sich wie ein roter Faden durch das Programm ziehen und am 3. Mai in das große Jubiläumskonzert führen. Gustav Mahlers vierte Symphonie und Leos Janaceks Sinfonietta werden auf dem Festprogramm stehen. Es werden aber auch ein Familienkonzert und viele weitere Aktionen zu erleben sein. Bevor Sie Klavierbegleitung und Dirigieren studiert haben, haben Sie ein Mathe-Studium in Cambridge absolviert. Wie kam es dazu? Musik war immer meine große Leidenschaft, aber ich hatte damals Angst, sie zu meinem Beruf zu machen, weil ich befürchtete, dass sich meine Leidenschaft für die Musik dann abkühlen könnte. Nach meinem Mathe-Abschluss war ich dann auf Weltreise, um mir klar zu werden, was ich in meinem Leben so will. Dabei stellte sich heraus, dass ich die Musik so sehr liebe, dass ich sie doch zu meinem Beruf machen will. Einen Entschluss, den ich nicht bereut habe, wie Sie sehen. Lesen Sie auch: Bielefelder Philharmoniker spielen Zeichentrick-Sinfonien auf dem Kesselbrink Nach Stationen als Dirigent in Dortmund, Lüneburg, Salzburg sowie in Pforzheim nun also Bielefeld. Sind Sie schon warm geworden mit der Stadt? Wir haben uns vom ersten Tag an sehr wohl gefühlt in Bielefeld. Wir bauen gerade ein Haus in Vilsendorf, das wir erst im März 2026 beziehen werden und worauf wir uns schon sehr freuen. Was tun Sie, wenn Sie nicht mit der Musik befasst sind? Ich genieße es, Zeit mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern, die zehn und elf Jahre alt sind, zu verbringen. Wir machen gerne Popmusik zusammen. Entspannung finde ich beim Radfahren, Joggen, Surfen, Schwimmen und überhaupt liebe ich das Wasser, das Meer, wo wir gerne den Sommer verbringen. Zudem lese, backe und koche ich gerne. In Ihrem Vorwort im Programmheft zur neuen Saison schreiben Sie: &bdquo;Ich glaube fest an die Macht der Musik, das Beste in unserer Gesellschaft hervorzubringen.“ Worauf stützen Sie Ihren Glauben an die Musik in diesen irren Zeiten? Ich bin davon überzeugt, dass Musik einen kathartischen Effekt haben und die Seele des Menschen beruhigen und inspirieren kann. Deshalb habe ich diesen Satz geschrieben. Daraus leite ich auch meine Hoffnung ab, dass wir Menschen letztendlich durch den Einfluss der Musik auch zu besseren Menschen werden und eine bessere, rücksichtsvollere Gesellschaft bauen können. Sie sehen, ich bin ein durch und durch optimistischer Mensch. Auch interessant: Hinter den Kulissen: Wie im Theater Bielefeld eine Oper entsteht Zur Person Mit der Oper &bdquo;Peter Grimes“ von Benjamin Britten gibt der neue Generalmusikdirektor der Bielefelder Philharmoniker, Robin Davis, am 11. Oktober um 19.30 Uhr im Stadttheater sein Operndebüt am Dirigentenpult. Davis (43) wurde im englischen Exeter geboren. Stationen seiner Laufbahn als Dirigent waren bisher Dortmund, Oldenburg, Lüneburg und Pforzheim. Seit der Spielzeit 2025/26 ist er Generalmusikdirektor an den Bühnen und Orchester Bielefeld. Infos zur Oper &bdquo;Peter Grimes“ unter: www.theater-bielefeld.de. Karten: bei der NW unter (05 21) 555-444, www.nw.de/events.

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