Fazit nach zwei Jahren

Umstrittene Baumschutzsatzung in Bielefeld: private Fällungen deutlich im Fokus

In 77 Fällen wurde 2024 die Fällung von Bäumen in Privatgärten verhindert, berichtet die Stadt. Über jeden dritten Antrag wurde noch gar nicht entschieden. Wie viele Bäume für Großprojekte fielen, dazu gibt es keine Zahlen.

Baumriesen in Bielefeld stehen (wie hier im Bürgerpark) unter Schutz. In Privatgärten schaut die Stadt dabei genau hin. Wie mit Fällungen bei Großprojekten umgegangen wird, bleibt jedoch unklar. | © Andreas Zobe

Christine Panhorst
07.04.2025 | 07.04.2025, 21:47

Bielefeld. Seit Oktober 2022 hat Bielefeld eine Baumschutzsatzung, die immer wieder in der Kritik steht. Der Bericht der Stadt zeigt, wie die neue Regelung in ihrem zweiten Jahr umgesetzt worden ist. Etwa jeder zweite beantragte Baum durfte demnach gefällt werden. Über die tatsächliche Umsetzung und die Auswirkungen der Baumschutzsatzung sagt das jedoch wenig aus: Denn ein Großteil der Anträge aus 2024 konnte noch gar nicht abschließend bearbeitet werden. Und Zahlen zu Fällungen bei Infrastrukturprojekten fehlen.

Etwas mehr als 1.000 Bäume seien 2024 in der Stadt zur Fällung beantragt worden, informiert das Umweltamt jetzt in seinem jährlichen Pflichtbericht. Das Gros der Anfragen komme von Privatpersonen. Rund 550 der Fällungen wurden genehmigt (2023 waren es rund 1.000), nur 77 abgelehnt, 68 nach Beratung zurückgezogen. Das klingt, als ob Fällanträge in der Stadt trotz Baumschutz recht gute Aussichten haben. Aber: 345 Verfahren hängen noch in der Schwebe und damit etwa jeder dritte Fällantrag aus 2024. Ähnlich sieht es bei Anträgen auf einen Rückschnitt aus: 41 Prozent der eingereichten Anträge (119) konnten noch nicht abschließend bearbeitet werden.

Ablesen lässt sich jedoch anhand des Berichts der hohe bürokratische Aufwand des neuen Baumschutzes: Insgesamt mussten rund 2.200 Anträge zu Eingriffen an Bäumen (Fällung, Einkürzung von Wurzeln oder Ästen) von der Stadt bearbeitet werden, wovon 519 noch nicht abschließend bearbeitet sind. Großprojekte auf öffentlichem Grund sind hier noch nicht berücksichtigt.

Erste Bilanz von 2023: Fast 1.000 Fällanträge trotz Baumschutzsatzung in Bielefeld genehmigt

Kontrollen, Beratungen, Besichtigungen für Bielefelds Baumschutz

322 Mal wurden Ortsbesichtigungen gemacht, mehr als 1.100 Beratungen wurden durchgeführt. Drei Baumschutzkontrolleure beschäftigt die Stadt, was zuletzt die Bielefelder FDP scharf kritisierte.

Das nachweisbare Ergebnis für den Baumschutz pro Jahr in Bielefelder Privatgärten: In 188 Fällen von 2.233 Anfragen wurden Bäume 2024 vor Fällung oder unnötigen Eingriffen bewahrt – rund acht Prozent. Wie viele Bäume andererseits von Gartenbesitzern vorsorglich gefällt wurden, bevor sie unter die Baumschutzsatzung fallen konnten? Dazu gibt es keine Zahlen.

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Jasmin Wahl-Schwentker und Jan Maik Schlifter von der Bielefelder FDP kritisieren die Baumschutzsatzung und wollen sie wieder abschaffen. - © Sarah Jonek
Jasmin Wahl-Schwentker und Jan Maik Schlifter von der Bielefelder FDP kritisieren die Baumschutzsatzung und wollen sie wieder abschaffen. | © Sarah Jonek

Für „zu bürokratisch, zu aufwendig und überhaupt nicht effizient“ hält die Bielefelder FDP die Baumschutzsatzung, deren Abschaffung die Partei gerade erst wieder im Umweltausschuss beantragt hatte. Das Zahlenwerk der Stadt, das jetzt in der April-Sitzung auf den Tisch kommt, ist jedenfalls nicht geeignet, die Vorwürfe zu entkräften. Denn der Aufwand, alle Baum-Angelegenheiten im privaten und öffentlichen Raum sowie bei Bauvorhaben jeder Art zu dokumentieren und kontrollieren, ist groß, das zeigt sich im zweiten Jahr der Satzung.

Zahlen zum Baumschutz bei Großprojekten in Bielefeld fehlen

2024 habe „im Zeichen des Leitungs- und Glasfaserausbaus gestanden“, berichtet das Umweltamt. „Infolge des ambitionierten Zeitplans haben die Genehmigungsverfahren nicht nur im Umweltamt erheblich zugenommen.“ Innerhalb des Jahres seien Anträge für 353 Infrastrukturvorhaben im Team Baumschutzsatzung mit einer Vielzahl betroffener Bäume eingegangen. Tendenz steigend, genauere Zahlen liefert das Amt nicht. Bei den Bauvorhaben ging die Zahl der Anträge gegenüber 2023 zurück, gleichzeitig rechnet das Umweltamt in Zukunft mit noch mehr Arbeit für das Baumschutzteam durch Mobilitäts- und Energieprojekte.

Bei Infrastrukturprojekten bleibt jedoch völlig unklar, wie viele Bäume vor der Fällung bewahrt wurden und wie oft Fällungen genehmigt wurde. Denn anders als in Privatgärten wird die genaue Zahl der Bäume nicht erhoben, um das Prozedere zu vereinfachen, erklärt das Amt. Sie fehlen in dem Bericht komplett.