„Verrückt“: Bielefelder will prächtigen Baum fällen – obwohl er ihn eigentlich behalten möchte

Bielefeld. Der Name &bdquo;Judasbaum“ leitet sich aus einer Legende ab, nach der sich der Apostel Judas Ischariot, einer der Jünger von Jesus von Nazareth, nach seinem Verrat an einer &bdquo;Cercis“, so der lateinische Name, erhängt haben soll und dessen Blüten dann vor Scham erröteten. Ein solcher Judasbaum, ein prächtiges Gewächs, steht auch im Vorgarten von Johannes Delius. Aber vermutlich nicht mehr lange. Der Baum nähert sich bedrohlich den Grenzwerten der seit Oktober 2022 in Bielefeld geltenden Baumschutzsatzung. Eigentlich würde Delius den Baum in seinem Vorgarten gern noch erhalten. Doch jetzt neigt er dazu, ihn abzuholzen. Denn wenn eine Neugestaltung des dicht gewachsenen Vorgartens anstünde, könnte er den Baum zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr ohne weiteres entfernen. Bielefelder Gartenbesitzer: &bdquo;Faktische Enteignung“ &bdquo;An diesem Beispiel sieht man, wie verrückt das mit der Baumschutzsatzung ist“, sagt Delius. Für ihn ist die Satzung nur ein Beispiel dafür, wie hierzulande vieles überreguliert sei. Er spricht gar von einer faktischen Enteignung, der sich die Bürger wegen der Satzung gegenübersähen. Nun sagt Delius das nicht einfach so daher. Er weiß nur zu gut, wie Entscheidungen in der Politik entstehen und wie sie dort zum Selbstläufer werden können. Delius war lange Ratsmitglied, ging 2014 gar als OB-Kandidat der Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfB) ins Rennen und erzielte dabei mehr als einen Achtungserfolg. Im Anschluss daran zerlegte sich die BfB allerdings selber in zahlreichen Ränkespielen. Nur eine Baumschutzsatzung hatte die Wählergemeinschaft immer abgelehnt und auch mit dafür gesorgt, dass eine bereits bestehende Satzung zunächst wieder abgeschafft wurde. Als Projekt des jetzigen rot-grün-roten Bündnisses, das seit 2020 die Mehrheit im Rat hat, kam sie schließlich zurück. Lesen Sie auch: Umstritten – jetzt kommt die neue Baumschutzsatzung für Bielefeld &bdquo;Viel zu bürokratisch und völlig überflüssig“, findet Delius und greift zum Maßband. Mit seinem Judasbaum ist das so eine Sache. Laut Satzung sind alle Laubbäume mit einem Stammumfang von mindestens 60 Zentimetern sowie alle Nadelgehölze mit einem Stammumfang von mindestens 100 Zentimetern geschützt. Sonderregel für mehrstämmige Bäume Delius’ Judasbaum ist aber mehrstämmig. Mehrstämmige Bäume sind ebenfalls geschützt, wenn wenigstens einer der Stämme einen Umfang von mindestens 50 Zentimetern hat und die Summe der Einzelstammumfänge mehr als 150 cm beträgt. Gemessen wird der Stammumfang jeweils einen Meter über dem Erdboden. &bdquo;Daran reicht mein Baum bald heran“, sagt Delius. Also fällen? &bdquo;Eigentlich will ich das zu diesem Zeitpunkt nicht“, fügt er an. Lesen Sie auch: Stadt Bielefeld lässt geschützte Baumriesen fällen – trotz Baumschutzsatzung Delius findet, dass die Verwaltung mit Vorschriften wie der Baumschutzsatzung zusätzlich aufgebläht werde. Wer jetzt in Bielefeld innerhalb des Siedlungsraumes einen Baum fällen will, muss einen Antrag stellen. Dieser soll neben dem Nachweis der Notwendigkeit einen Lageplan und &bdquo;nachvollziehbare Angaben“ zu Art, Höhe, Stammumfang und Kronendurchmesser der Bäume enthalten. Im Einzelfall darf die Stadt den Maßstab des Lageplanes bestimmen oder die Vorlage zusätzlicher Unterlagen fordern. Gibt’s Zweifel, darf das Umweltamt sogar ein Sachverständigengutachten verlangen. Erst wenn alle Unterlagen vorliegen, wird innerhalb eines Monats entschieden. Je nach Bearbeitungszeit ist eine Gebühr fällig, und eine Neuanpflanzung ist auch verpflichtend. Der &bdquo;Jung-Baum“ muss bereits einen Stammumfang von 20 Zentimetern haben. Kann die Neuanpflanzung nicht im eigenen Garten geschehen, übernimmt das die Stadt. Der Antragsteller muss dafür wiederum 600 Euro zahlen. Im ersten Jahr 1.330 Anträge &bdquo;Solche Regelungen sind es, die bei den Bürgern für immer mehr Verdruss sorgen“, meint Delius. Die Verwaltung findet dagegen, dass die Baumschutzsatzung wirkt. Im ersten Jahr ihrer Gültigkeit seien insgesamt 1.330 Anträge zur Baumfällung gestellt worden. 984 oder 74 Prozent wurden genehmigt. In 69 Fällen wurde das Abholzen abgelehnt. In 84 Fällen wurden entsprechende Anträge nach einem Beratungsgespräch zurückgezogen und in 192 Fällen erwiesen sich die Anträge als &bdquo;nicht relevant“. Es bestand also kein weiterer Handlungsbedarf. Lesen Sie auch: Trotz Baumschutzsatzung – fast 1.000 Fällanträge für Bäume in Bielefeld genehmigt Handlungsbedarf besteht bei Johannes Delius vielleicht schon bald in einem zweiten Fall. Auch ein Schwarzer Holunder in seinem Vorgarten müsste irgendwann weichen. Eigentlich handelt es sich dabei ja um einen Strauch. Doch der ist so rasant gewachsen, dass er längst die Ausmaße eines Baumes hat. Fällt er also unter die Bestimmungen der Baumschutzsatzung oder nicht?

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