Ein Gotteshaus wie ein Theater: Diese Bielefelder Kirche ist außergewöhnlich

Bielefeld. &bdquo;Es muss hoch hergegangen sein in den Jahren 1961 und 1962, in denen der experimentelle Kirchenbau mit der Epiphaniaskirche in Bielefeld zum ersten Mal Einzug hielt“, heißt es in einer Festschrift der evangelischen Versöhnungskirchengemeinde. Günther Klussmann, der als Architekt viele Spuren in Bielefeld hinterlassen hat, gab nicht auf, obwohl das Landeskirchenamt seinen Entwurf eher für ein &bdquo;Caféhaus“ geeignet hielt. Seit dem vergangenen Jahr steht die zweitjüngste Bielefelder Kirche unter Denkmalschutz. Dies teilt das Bauamt auf Nachfrage mit. Rechte Winkel gibt es im Kirchengebäude kaum, der Innenraum hat den Charakter eines Theaters, bunte Betonglasfenster und eine auffällige Eingangstür verraten, dass am Bau auch Künstler beteiligt waren. 1961 genehmigte das Presbyterium den ungewöhnlichen Entwurf. Die damalige Bauerngemeinde stand ebenfalls hinter dem gewagten Konzept. Altar, Kanzel und Taufbecken sind gleichberechtigt nebeneinander aufgestellt. Ungewöhnlich ist dafür die Verwendung von Waschbetonplatten, die auch den Boden bedecken. Klussmann arbeitete mit dem Künstlerehepaar Reuter zusammen. Eines der bemerkenswerten Kunstwerke ist die große Eingangstür, die mit farbig leuchtenden Emailplatten verkleidet ist. Waschbeton als preiswertes Material Dabei musste alles mit wenig Geld geschehen, berichtete der Architekt, der 2023 im Alter von 96 Jahren gestorben ist, im Rückblick. Den Waschbeton schätzte er nicht nur als faszinierendes, modernes, sondern auch als preiswertes Material. Der Einsatz der Betonverglasung durch einen Fachbetrieb hätte den finanziellen Rahmen des Kirchbaus völlig gesprengt. Stattdessen sprang der Künstler Ernst Hansen von der Kunstgewerbeschule selbst ein – kostenlos. Lesen Sie auch: Gemeindehaus vor Abriss Bielefelder Initiative kämpft für Nachbarschaftszentrum &bdquo;Jeden Glasbaustein verlegte er persönlich. Die einzelnen Elemente durften gerade so groß werden, dass man sie noch gemeinsam tragen konnte“, heißt es in der Festschrift der Kirchengemeinde von 2013. Die Asymmetrie ist nach Klussmanns Einschätzung auch der Grund für die häufig gelobte Akustik der Kirche. &bdquo;Günther Klussmann hat die Sehgewohnheiten herausgefordert. Er war experimentierfreudig. Die Verwendung von verschiedenen Materialien bildet krasse Kontraste und lässt einen gut komponierten Innenraum entstehen“, sagt Silke Plate, die Führungen in der Kirche anbietet. Turm als Ausrufezeichen Dabei weist die Vilsendorferin auf den frei stehenden Turm mit seinen 103 Stufen hin, der 33 Meter hoch ist. &bdquo;Die Anzahl der Stufen ist auf den Psalm 103 bezogen (Lobe den Herrn, meine Seele). Der Turm ist Mahnmal und Gedenkort für die Opfer beider Weltkriege“, erläutert die Übersetzerin. Die Gedenkstätte ist als Beton-Relief gestaltet, das auch Namen von Kindern auflistet. Dort werde nicht nur der gefallenen Soldaten, sondern auch der zivilen Opfer gedacht. Dazu gehörten neben den alteingesessenen Familien auch Familien, die als Flüchtlinge gekommen seien. &bdquo;Das ist ein umfassendes Gedenken und hat integrierenden Charakter.“ Ihr Großvater Johann Tallarek, der auch Presbyter war, habe seine Wurzeln in Ostpreußen gehabt. Weitere Infos: Aus diesen Bielefelder Kirchen sollen Denkmäler werden Darüber hinaus ist zwischen Kirche und dem wie eine Skulptur aufragenden Turm ein kommunikativer Platz entstanden, wo auch schon Konzerte stattfanden. Als Begründung für die Unterschutzstellung des Gebäudes wurde von der Denkmalbehörde in Münster betont, dass die Kirche im Ort verwurzelt und &bdquo;bedeutend für die Geschichte der Menschen“ sei. Zudem sei das Bauwerk ein &bdquo;signifikantes Zeugnis für den Wandel der Architektur in den 1960er Jahren“. Außerdem habe es städtebaulich eine besondere Funktion. Kirche wie ein Solitär &bdquo;Früher gab es hier noch keine Wohnbebauung. Da ragte die Kirche wie ein Solitär heraus. Sie stellte einen Bezug zwischen altem und neuem Dorf her und war ein Ausrufezeichen auf der Kreuzung“, erläutert Silke Plate. Aus der Abteilung Denkmalschutz des Bauamtes heißt es, dass die Epiphaniaskirche &bdquo;aktuell die zweitjüngste Kirche in der Denkmalliste der Stadt Bielefeld“ ist. Silke Plate bietet nach Absprache Führungen an. Anfragen unter: silke.plate@kirche-bielefeld.de. Die jüngsten Entwicklungen über den möglichen Abriss des Gemeindehauses und der Schaffung von Wohnraum hatte zu Diskussionen und zur Gründung der Initiative &bdquo;Vinz“ (Vilsendorfer Nachbarschaftszentrum) geführt. In einer Machbarkeitsstudie hatte Innenarchitektin Elke Upmeier zu Belzen eingeräumt, dass der Denkmalschutz enge Grenzen für eine multifunktionale Nutzung des Kirchenraumes setze. Deshalb schlägt sie einen kleinen Anbau vor. &bdquo;Es ist nicht so, dass man nichts verändern darf“, sagt Plate, die auch Mitglied im Presbyterium ist. Die Kirche solle nicht zu einem Museum werden. Dennoch bestehe an Nutzung und Erhalt ein öffentliches Interesse. Bislang sei noch nichts entschieden. Nicht zuletzt müsse die Frage gestellt werden, wie sich alle Aufgaben finanziell bewältigen lassen.

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