
Bielefeld. Nicht erschrecken, wenn Sie demnächst Post vom Oberbürgermeister bekommen. In dem Brief steckt kein neuer Steuerbescheid oder eine Knöllchen-Rechnung, sondern eine Einladung. OB Pit Clausen (SPD) möchte mit Ihnen ins Gespräch kommen, lädt Sie zu einer Dialogveranstaltung in die neue „Wissenswerkstadt“ an der Wilhelmstraße ein. Auch die Themen, um die es dann gehen soll, will nicht er bestimmen, sondern sollen von den Bürgerinnen und Bürgern gesetzt werden. Clausen will mit dem Format einen neue Zielgruppe erreichen.
Nun kann der OB nicht alle 340.000 Bielefelderinnen und Bielefelder einladen. Den Brief bekommen 1.500 zufällig ausgewählte Bürger. Sie können sich dann zum Veranstaltungstermin anmelden. 40 von ihnen bekommen am Ende die Möglichkeit, an dem neuen Dialogformat teilzunehmen.
Neues Format für eine neue Zielgruppe
1.500 Einladungen und nur 40 Teilnehmer – das hört sich erst einmal komisch an. „Das ist ein Erfahrungswert. Das Verfahren der Zufallsauswahl hat sich schon mehrfach bewährt“, sagt Britta Klausing, Partizipationsbeauftragte im Rathaus. Die Zahl der Interessenten reduziert sich in der Regel automatisch. Aber am Ende wird das eigentliche Ziel erreicht. „Ich möchte mit denen in Gespräch kommen, die wir mit herkömmlichen Bürgerversammlungen nicht erreichen“, sagt Pit Clausen. Zu denen kämen meist eher die, die sowieso gern zu Wort meldeten.
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Immer größere Bevölkerungskreise seien dagegen über die klassischen Kommunikationswege und Medien nicht mehr zu erreichen, findet Clausen. Das habe teils fatale Auswirkungen. Es gebe ein schwindendes Verständnis für kommunale Entscheidungen. Manche fühlten sich gar so abgehängt, dass sie Bielefeld nicht mehr als „ihre Stadt“ ansähen. Clausen will mit dem neuen Dialogformat gegensteuern.
Premiere im September 2024 - das steckt dahinter

Und so funktioniert’s: Geplant sind fünf Veranstaltungen, an denen neben dem OB immer auch einer der fünf Rathausdezernenten teilnehmen. Das sind die städtischen Spitzenbeamten, also Stadtkämmerer Rainer Kaschel, Sozialdezernent Ingo Nürnberger, Umwelt- und Verkehrsdezernent Martin Adamski, Schul- und Kulturdezernent Udo Witthaus oder der städtische Planungschef Gregor Moss.
Die Premierenveranstaltung ist am Dienstag, 24. September. Weitere Veranstaltungen sind für 5. November, 21. November, 4. Dezember und 10. Dezember geplant. Die Moderation übernimmt Timo Fratz (Radio Bielefeld).
Universität Bielefeld begleitet das Experiment
An allen Terminen soll munter darüber diskutiert werden, wo womöglich der Schuh drückt. Wie steht es um Sicherheit und Ordnung? Muss es immer neue Fahrradstraßen geben, oder gibt es eigentlich viel zu wenig davon? Und warum wird die blaue Tonne vom Umweltbetrieb nicht mehr pünktlich abgeholt? All das (und noch viel mehr) kann angesprochen und schon jetzt als Themenvorschlag eingereicht werden.
„Um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam stemmen zu können, müssen wir im Austausch bleiben“, sagt Clausen. Das soll in den Dialogveranstaltungen „respekt- und vertrauensvoll“ geschehen – jenseits der Radikalrhetorik, die sich vor allem auch in den sozialen Medien eingeschlichen hat. „Es geht um Wertschätzung und Vertrauen.“
In früheren Jahren war Clausen bereits zu klassischen Bürgerversammlungen durch die einzelnen Stadtbezirke gereist. „Jetzt wagen wir ein neues Experiment“. Wissenschaftlich begleitet werden soll es von der Universität Bielefeld. Gelingt es, soll das Format weiter ausgebaut werden. Und, wer weiß, vielleicht haben auch Sie bald eine Einladung vom OB im Briefkasten.
Jetzt mitmachen und Themen einreichen
Ideen und Themenwünsche können ab sofort und noch bis zum 18. August über die städtische Homepage angegeben werden.