„Völlig verkorkst“: Soziologe übt scharfe Kritik am Bielefelder Kesselbrink

Bielefeld. Hans E. Latzke ist der Erste, der in den NW-Kesselbrinkgesprächen kein gutes Haar an dem Innenstadtplatz lässt. &bdquo;Ich empfinde dessen Gestaltung, die vor elf Jahren umgesetzt wurde, als völlig verkorkst“, betont der Verwaltungssoziologe und Reisejournalist, der den Planern vorwirft, den Platz falsch konzipiert zu haben. Er sagt: &bdquo;Der Kesselbrink wird von der Zivilgesellschaft gemieden, er schließt sie aus.“ Der Platz sei zu dem geworden, wie der Volksmund ihn nenne: einen &bdquo;Kessel“. Einen Kessel, der kaum jemanden wirklich anlocke. Latzke, der an der Friedrich-Ebert-Straße einst ein Büro mit seiner Firma hatte, die Bücher zur Druckreife brachte, hat beobachtet, dass die Menschen auf ihren Wegen nicht das &bdquo;Normale“ machen, &bdquo;sie kreuzen den Kesselbrink nur selten oder lieber gleich gar nicht, sondern gehen an den Rändern vorbei“. Das sei so wie an der Friedrich-Ebert-Straße auch. &bdquo;Alle laufen an der Südseite entlang der Geschäfte, aber nicht entlang der toten Fensterfronten gegenüber.“ Ähnlich sei das am Kesselbrink, die Menschen gehen an der Westseite, dort, wo noch ein paar Läden sind und damit soziales Leben, am Platz vorbei. Das sei auch an der Nord- und Südseite zu beobachten. Latzke nennt das Verhalten &bdquo;nicht ungewöhnlich, denn intuitiv suchen Menschen nicht nur den kürzesten, sondern auch den sichersten, unter sozialer Kontrolle stehenden Weg.“ &bdquo;Der Kesselbrink ist eine Falle“ Und da setzt nun Latzkes Kritik am Kesselbrink an. &bdquo;Der Platz ist eine Falle, wird nicht aufgesucht und nicht gekreuzt, weil es hier keine soziale Einbindung gibt.“ Die hätten die Planer schlichtweg nicht berücksichtigt. &bdquo;Der Platz ist eben wie ein Kessel abgeschottet, bietet in seinem Zentrum keine Anziehungspunkte und an seinen Rändern keine Durchlässigkeit.“ &bdquo;Warum sollte jemand dann dort hingehen?“, fragt Latzke. Lesen Sie auch: Reportage: Zwischen Chillen, Gewalt und Angst – eine Nacht am Bielefelder Kesselbrink Dann zählt der 67-Jährige auf, was er meint: &bdquo;Die Nord- und Südseite sind zugeparkt.“ Die Büsche und Bäume dazwischen wirkten zusätzlich wie Gebüschbarrikaden. &bdquo;Die schmalen Durchgänge reichen nicht, sie bringen keine Öffnung“, kritisiert er. Die Ostseite wiederum sei vom Skaterpark verstellt. An der Westseite neben dem Grünen Würfel gebe es zwar Durchgänge. &bdquo;Die sind aber wiederum von der Alkohol- und Drogenszene belagert.“ Die würden die Menschen auch nicht wirklich einladen, an ihnen vorbei auf den Platz zu gehen. &bdquo;Und der Grüne Würfel selbst wirkt auch eher wie ein Fremdkörperklotz denn als Magnet auf die Menschen.“ &bdquo;Das ist eine Katastrophe“ Latztkes Fazit daher: &bdquo;Der Platz ist baulich von allen Seiten eingeschlossen, eine Katastrophe und ein abschreckendes Beispiel für die bauliche Quadratisierung Bielefelds.“ Er könne eine solche Planung überhaupt nicht nachvollziehen, sagt der Soziologe. Die Folge laut Latzke: &bdquo;Die Bürgerinnen und Bürger meiden den Platz, verweigern das Betreten, und in diesem Freiraum fühlen sich dann die Drogendealer wohl und gehen ihren Geschäften nach.“ In Fatalismus will Latzke aber nicht verfallen und hat drei zentrale Ideen mitgebracht, wie der Platz verändert werden könnte. An erster Stelle gilt es für ihn Laufachsen über den Platz zu schaffen. Dazu sollte die Rechteckstruktur des Platzes aufgegeben werden und durch einfache Mittel wie Laternen, Pflasterung oder Bodenlichter eine Diagonalstruktur geschaffen werden. &bdquo;Wenn wir solche ausgewiesenen Wege auf und über den Platz anbieten, dann fühlen sich die Menschen hier nicht mehr so verloren und nehmen den Platz viel eher an und benutzen ihn.“ Da sei er sich sicher. Zentralen Ankerpunkt schaffen Außerdem müsse ein Ankerpunkt auf dem Platz geschaffen werden. &bdquo;Als die Planer noch wussten, was sie tun, schufen sie Brunnen oder Statuen als Anlaufpunkte auf den Plätzen.“ Der Kesselbrink hingegen habe völlig unverständlicherweise keinen solchen. Latzke schlägt daher einen Kiosk in Holzbauweise als Zentrum des Platzes vor. Der könne ein Magnet, ein Treffpunkt werden, wo sich dann die diagonalen Wege auf dem Platz kreuzen. &bdquo;So erhält der Kesselbrink eine ganz neue Struktur.“ Zudem rät Latzke dazu, an den derzeit abgeschotteten Seiten vier oder fünf Meter breite Eingänge auf den Platz anzulegen, die wiederum direkt auf die jeweiligen Laufachsen führen. &bdquo;Das schafft eine neue Offenheit“, ist er sich sicher. Nicht zuletzt regt Latzke an, an den Rändern des Platzes &bdquo;niedrige Nutzbauten“ (Tiny Houses) zu schaffen, die für private oder kommunale Dienste (wie Ordnungsdienst und Erste-Hilfe-Station) genutzt werden könnten und zudem den Platz stärker in die umgebende Stadtstruktur einbinden würden. Polizeiwache auf dem Platz Eines der Häuser sollte aber unbedingt von der Polizei bezogen werden. &bdquo;Denn wir brauchen trotz aller notwendigen gestalterischen Veränderungen zudem auch eine dauerhafte Polizeiwache auf dem Platz, die zumindest ab 17 Uhr bis in die Nacht besetzt sein sollte. Denn wir werden die Menschen für den Platz nur einnehmen können, wenn es uns auch gelingt, ihr subjektives Sicherheitsgefühl zu erhöhen.“ Und da gebe es einiges zu tun, wie die vergangenen Meldungen über Gewalttaten und Drogenhandel auf dem Platz ja zeigen, betont Latzke.

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