Strategiewechsel

Wegen Drogen- und Trinkerszene: An der Stadthalle Bielefeld wird umgebaut

Seit Jahren sind die Probleme am Hotspot „Tüte“ und rund um die Stadthalle ungelöst. Jetzt gibt es neue Pläne, die Bereiche an der Stadtbahnhaltestelle und rund um die Stadthalle besser zu trennen.

Blick in Richtung Stadthalle und Tüte: Suchtkranke Menschen bestimmen mehr und mehr das Bild im direkten Umfeld des Eventhauses. | © Oliver Krato

Christine Panhorst
26.06.2024 | 08.08.2025, 13:46

Bielefeld. Drogen, Dreck, Gewalt – die Situation rund um die „Tüte“, dem überdachten Stadtbahnzugang am Bielefelder Hauptbahnhof, ist seit mehr als einem Jahrzehnt Stadtthema. Abhängige, oft wohnungslose, teils stark verwahrloste Menschen treffen sich dort. Zuletzt war der Ton immer rauer, die Zustände übler, die Stimmung aggressiver geworden. Weil Versuche, vor der Stadthallen-Haustür für mehr Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen, nicht die erhoffte Wirkung zeigten, zieht das Stadthallen-Management jetzt Konsequenzen. Und will umbauen.

Was wurde nicht alles schon ausprobiert: „Für Elise“ dudelte einst in Endlosschleife aus Lautsprechern und sollte „die Szene“ abschrecken. Ein Alkoholverbot wurde 2008 ausgesprochen und wieder zurückgenommen. Kleine Mauern und Fahrradständer sollten den Treffpunkt der Trinker- und Drogenszene von den Fußwegen wegverlagern und wurden stattdessen zu Sitzplätzen. Drogenhilfe und Sozialarbeit erweiterten ihr Angebot, doch die Szene wuchs weiter. Auch verstärkte Razzien und Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt verzeichneten nur zeitweise Erfolge. Im Oktober könnte die neue Diamorphin-Praxis zudem für neuen Zulauf sorgen.

Jetzt will die Stadthalle als direkt betroffene Anliegerin einen neuen Weg einschlagen und baulich Fakten schaffen.

Neues Konzept für das Umfeld der Bielefelder Stadthalle

Die BBVG als Eigentümerin von Stadthallen-Gebäuden und angrenzenden Flächen und die Stadthalle Bielefeld Betriebs GmbH als Betreiberin kündigen in einer gemeinsamen Mitteilung an, ein neues Gesamtkonzept für die Außenbereiche auf den Weg zu bringen – „vor dem Hintergrund der begrenzten räumlichen Situation im schwierigen Umfeld der Stadthalle“. Weiter heißt es: „Eine Optimierung von Anlieferlogistik und Besucherzugang durch baulich-strukturelle Maßnahmen soll (...) hierbei im Vordergrund stehen.“ Denn der aktuelle Aufwand für Sicherheit und Sauberkeit sei hoch.

Beim der Konferenz der Start-up-Szene "Hinterland of Things" wurde zuletzt auch der Eingangsbereich der Messehalle mitgenutzt. Das soll durch abgesperrte Außenbereiche rund um die Stadthalle in Zukunft noch besser möglich sein. - © Jörg Diekmann/ Dieckmann-Fotodesign l Bielefeld
Beim der Konferenz der Start-up-Szene "Hinterland of Things" wurde zuletzt auch der Eingangsbereich der Messehalle mitgenutzt. Das soll durch abgesperrte Außenbereiche rund um die Stadthalle in Zukunft noch besser möglich sein. | © Jörg Diekmann/ Dieckmann-Fotodesign l Bielefeld

Laut BBVG-Geschäftsführerin Ilona Hannemann wird das Architekturbüro Brüchner-Hüttemann Pasch das Projekt begleiten. Mit Beteiligten im direkten Umfeld des Stadthallen-Gebäudes sowie mit den zuständigen Stellen der Stadtverwaltung sei man bereits in der Abstimmung.

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Ob Zaun, Mauer oder Holzwände – wie die zukünftige Barriere zwischen Stadthallen-Publikum hier, „Tüten“-Publikum dort aussehen könnte, sei noch offen, sagt Stadthallenmanager Stephan Kipp auf Nachfrage. Man stecke noch mitten in der Abstimmung. Doch das Ziel ist klar: „Wichtig sind für uns sichere, verlässliche und professionelle Zugangsmöglichkeiten“, so Kipp. Die gebe es aktuell nicht. Die Bereiche für die Anlieferung seien teilweise sehr, sehr beengt, während der logistische Aufwand für Stadthallen-Events hoch sei. Ein weiteres Problemfeld: die Sauberkeit ums Gebäude.

Ab 2025 könnten die ersten Maßnahmen umgesetzt werden

„Der Plan ist, jetzt nutzbare Außenbereiche zu bekommen, die auch bei Veranstaltungen mit einbezogen werden können“, erklärt Kipp. Bei der Start-up-Konferenz „Hinterland of Things“ habe man das bereits erfolgreich getestet. Und der Zeitplan? „Unser Wunsch wäre, dass sich die Planung in diesem Jahr konkretisiert und wir 2025 mit der Umsetzung erster Maßnahmen rechnen können.“ Denn das Kongress- und Eventzentrum am Hauptbahnhof sei als Veranstaltungeort in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden und die Anforderungen seien gestiegen. Im Inneren habe die BBVG bereits modernisiert und die Technik auf den neuesten Stand gebracht.

Jetzt soll es vor der Tür weitergehen. Bestehende Planungen für das Bahnhofsumfeld sowie der freie Zugang zur U-Bahn-Haltestelle sollen in das Konzept einfließen.

Dezernent Martin Adamski sieht Handlungsbedarf

Die Gruppe der Suchtkranken dominiere zunehmend das Bild an der Tüte, sagt der Sozialdezernent - © Mike-Dennis Müller
Die Gruppe der Suchtkranken dominiere zunehmend das Bild an der Tüte, sagt der Sozialdezernent | © Mike-Dennis Müller

Bei einem Runden Tisch im Juni habe das Stadthallen-Team bereits das Gespräch mit Vertretern von Polizei, Verwaltung, Ordnungsamt, Streetworkern, Bahn, Mobiel und weiteren Anliegern gesucht, sagt Dezernent Martin Adamski, in dessen Zuständigkeitsbereich Ordnungsamt und der Hotspot „Tüte“ fallen.

„Wir haben das positiv aufgenommen. Ich verstehe die Akteure, die an das Erscheinungsbild der Stadthalle und ihre Klientel denken. Jetzt ist es wichtig, sich gemeinsam Gedanken zu machen.“ Feststehe: „Die Problematik ist eklatant.“ Nach dem Sommer wird es laut Adamski einen weiteren Runden Tisch geben, bei dem die genauen Pläne auf den Tisch kommen.

Hintergrund: Wann die Bielefelder Tüte zum Trinker- und Drogen-Treffpunkt wurde

Suchtkranke Menschen dominieren die Atmosphäre

Unterdessen denkt man im Sozialdezernat über ergänzende Maßnahmen der Suchthilfe nach, um die Situation an der „Tüte“ zu verbessern, erklärt Dezernent Ingo Nürnberger auf Anfrage. Bereits im Bahnhofsumfeld aktiv seien die Drogenberatung, die Bahnhofsmission, Bethel, die Aidshilfe, die städtische Streetwork und weitere Initiativen.

Nürnberger sagt auch: „Wir brauchen an der ,Tüte’ meines Erachtens einen besseren Interessenausgleich.“ Die Gruppe der suchtkranken Menschen sei hier mittlerweile sehr groß geworden und dominiere damit das Bild und die Atmosphäre. „Deshalb ist die Diskussion über stadtgestalterische Maßnahmen sinnvoll und die Kontrolle der Szene an der ,Tüte’ durch ordnungspolitische, vor allem polizeiliche Aktivitäten ist hilfreich.“