Neue Drogenpraxis in Bielefeld: Künstliches Heroin auf Rezept für Abhängige

Bielefeld. Anfangs schien der Konflikt programmiert. Bis zu 400 Menschen sollten im früheren Hauptpostamt an der Bielefelder Nahariyastraße jeden Tag Diamorphin, pharmazeutisch hergestelltes Heroin, gespritzt bekommen. Die Düsseldorfer Medikus-Gruppe um den Mediziner Christian Plattner wollte Abhängige aus der ganzen Region dort behandeln – unweit des Drogen-Hotspots am Stadtbahnzugang &bdquo;Tüte“. Die Aufregung war groß. Die Stadt wollte dem zu erwartenden Diamorphin-Tourismus mit einer eigenen Praxis am Drogenhilfezentrum Borsigstraße begegnen und plante einen millionenteuren Neubau. Doch jetzt kommt alles anders. Nun soll es eine Kooperation zwischen der Stadt und der Medikus-Gruppe geben. Am Donnerstag stimmt der Rat darüber ab. Eine Mehrheit gilt als sicher. Wichtiger Partner in der Zusammenarbeit wird der Verein Drogenberatung sein, der auch das Drogenhilfezentrum betreibt. &bdquo;Der Zugang zu dem Behandlungssystem soll über das Bielefelder Clearing-Verfahren erfolgen“, sagt Jan-Gert Hein, Vorstand des Vereins Drogenberatung. Über das Clearing-Verfahren wird erhoben, wer für Heroin auf Rezept in Frage kommt. Die Voraussetzungen dafür sind streng geregelt. Patientinnen und Patienten müssen mindestens 23 Jahre alt und sie müssen seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sein, bei ihnen muss eine schwere Form der Erkrankung vorliegen. Mehrere Therapieversuche müssen gescheitert sein. Und sie sollen aus Bielefeld kommen. Nur zehn Prozent der Abhängigen dürfen von auswärts kommen Das ist einer der zentralen Punkte der Vereinbarung zwischen Medikus und der Stadt: Maximal 120 Abhängige sollen an der Nahariyastraße Diamorphin erhalten. Nur zehn Prozent dürfen von auswärts kommen. Allenfalls leichte Überschreitungen dieser Richtzahlen sind erlaubt. Und die Drogenberatung ist stets dabei. &bdquo;Es ist täglich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von uns in der Praxis“, sagt Hein. Die Drogenberatung ist für die psychosoziale Beratung zuständig. Das heißt, sie ist auch so eine Art Alltagshelfer für die Patientinnen und Patienten. Das kann die Unterstützung bei familiären Problemen sein, Hilfestellung bei der Wohnungssuche oder schlicht das Einhalten von Terminen. Ziel der Behandlung mit Diamorphin ist es, dass die Menschen den Weg zurück in ein geordneteres Leben finden, im Idealfall auch wieder einer Beschäftigung nachgehen. Beschränkung auf 120 Patienten Die Beschränkung auf 120 Patientinnen und Patienten werde nicht zu einer Verschärfung der Situation im Bahnhofsumfeld führen, ist Verena Küpperbusch, die ebenfalls dem Vorstand des Vereins Drogenberatung angehört, überzeugt. Der Patientenstamm der Praxis bleibe auf Bielefelderinnen und Bielefelder beschränkt. Ziel sei es, ihren Beikonsum, also den zusätzlichen Konsum von Drogen, zu reduzieren. Lesen Sie auch: Wo in Bielefeld jetzt Kiffen erlaubt ist - mit großer Karte Damit die Behandlung mit Diamorphin anschlägt, müssen die Patientinnen und Patienten täglich in die Praxis kommen, auch an Wochenenden und an Feiertagen. Das bedeutet für die Medikus-Gruppe, aber auch für den Verein Drogenberatung einen enormen personellen und organisatorischen Aufwand. Von der jetzigen Lösung in Bielefeld werden Patienten profitieren Dass aus einem zunächst unlösbar scheinenden Konflikt eine tragfähige Lösung für alle Beteiligten wurde, ist auch einem Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums zuzuschreiben, wonach bei Eröffnung einer Diamorphin-Ambulanz die Kooperation mit den örtlichen Trägern der Drogenhilfe zwingend vorgeschrieben ist. &bdquo;In der öffentlichen Wahrnehmung können die Kehrtwende und die Kooperation mit Medikus vielleicht irritierend wirken“, sagt Jan-Gert Hein. Doch jetzt sei eine Lösung gefunden worden, mit der alle Beteiligten gut leben könnten. &bdquo;Vor allem eine Lösung, von der die Patientinnen und Patienten profitieren werden.“ Wenn die Rahmenbedingungen für entsprechende Praxen nicht so schwierig gewesen wären, hätte vielleicht schon früher eine solche Einrichtung nach Bielefeld kommen können. Denn Hein betont ausdrücklich: &bdquo;Die positiven Wirkungen von Diamorphin sind unbestritten.“ Lesen Sie auch: Darum verschreiben Ärztinnen und Ärzte Heroin als Medikament

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