Wenig bekannt: Riesiger Atomschutzbunker in Bielefeld wird stillgelegt

Bielefeld. Über das Treiben auf dem Bielefelder Kesselbrink wird seit Jahren viel diskutiert. Auch das Ergebnis der intensiven Bauarbeiten neben dem Kesselbrink ist inzwischen bestens zu erkennen. Hier ist das ehemalige Telekom-Hochhaus komplett umgebaut und ein neues Bürogebäude entstanden: Das H1. Dass aber an gleicher Stelle auch tief unter der Erde gearbeitet wird, das wissen die wenigsten Bielefelder. Denn unter dem damaligen Fernmeldeamt I (später: Telekom-Hochhaus) und dem benachbarten Parkhaus verläuft - für viele unbekannterweise - über zwei Untergeschosse ein gewaltiger Atomschutzbunker mit einer Gesamtfläche von 800 Quadratmetern und Platz für theoretisch 1.300 Schutzsuchende. Das Bielefelder Bauunternehmen Goldbeck, das nicht nur dem Hochhaus zu neuem Leben verhilft, sondern auch für das Nachbargrundstück unter anderem für den Bau der neuen NW-Medienzentrale verantwortlich ist, arbeitet seit Wochen unterirdisch in diesen gewaltigen Bunkerräumen. 300 Millionen Mark-Investition soll Fernmeldetechnik modernisieren Während das erste Untergeschoss künftig für Park- und Lagerflächen des Medienhauses genutzt werden soll, muss der Tiefkeller im zweiten Untergeschoss, der sich bis unter das H1 erstreckt, stillgelegt werden. Er wird zukünftig nur noch für Revisionszwecke begehbar sein. Update, 20 Uhr: Wie die Firma Goldbeck mitteilt, ist aus Sicherheitsgründen kein Zutritt mehr in die unterirdischen Geschosse mehr möglich. Mehrere Interessierte hatten auf den Bericht der Neuen Westfäliscen reagiert und Interesse an einem Besuch des Bunkers geäußert. Aber die Bauarbeiten dort sind inzwischen zu weit fortgeschritten. 1967 hatten die Bauarbeiten an der Nordwestecke des in seiner Geschichte oftmals umgebauten Kesselbrinks begonnen. 300 Millionen Mark investierte der damalige Post- und Fernmeldeminister Werner Dollinger in Bielefeld, um das Fernmeldewesen in der Region auf ein neues Level zu heben. Die Hälfte der Investition waren für das neue stadtbildprägende Hochhaus nebst Technikzentrale nötig, die andere Hälfte für die moderne Fernmeldetechnik. Zuerst wurde zwei Geschosse unter der Erde großräumig gebaut Zum Richtfest des ersten Bauabschnitts - dem vierstöckigen Technikbau - im Juli 1968 wagte Dollinger die Prognose: &bdquo;Es wird die Zeit kommen, in der man bei jedem Neubau Telefonleitungen wie Licht-, Wasser- oder Gasanschlüsse gleich verlegt.“ Die Post hatte damals bei vielen Kunden großen Ärger gesorgt, weil die Antragsteller auf ihren Telefonanschluss mitunter sehr lange warten mussten. Das Fernmeldeamt wurde kurze Zeit sogar Dollinger-Hochhaus bezeichnet. Lange ist das her. Bevor das daneben liegende Hochhaus von 1969 bis 1972 in die Höhe von 74 Metern wachsen konnte (mit Antennenturm und Antenne war es am Ende knapp 113 Meter hoch), war zuvor bereits im Untergrund ein gigantischer Tiefkeller zwischen Techniktrakt, Hochhaus und dem später noch zu bauenden Parkhaus entstanden. Im Tiefkeller stand eine gewaltige Batterieanlage und zwei gelb gehaltene Schutzräume Dort standen unter anderem eine &bdquo;gewaltige Batterieanlage und zwei Dieselanlagen“ zur Notstromversorgung bereit. So berichtete die NW anlässlich des ersten &bdquo;Tags der offenen Tür“ des Fernmeldeamtes im Mai 1972. Doch in Zeiten des kalten Krieges war der Untergrund nicht nur für technische Dinge vorgesehen. Für die Angestellten der Behörde hatten die Planer einen Atomschutzbunker für 1.333 Schutzsuchende erschaffen. Ein Schild am Eingang zu den Schutzräumen gibt diese genaue Zahl an. Damit hätten im Ernstfall bei voller Besetzung jeder Person 0,6 Quadratmeter Raum zur Verfügung gestanden. Dicke Eisentüren, Kommunikationstechnik und Lebensmittellager Geschützt waren die mit verschiedenen Gelbtönen bemalten Räume mit dicken Eisentüren, drinnen gab es für die Bediensteten Dekontaminationsduschen, Schutzkleidung in einem Lager, Verpflegungsräume und Kleiderkammern. Die verschiedenen Räume verfügten über Gegensprechanlagen. In einem der beiden 400 Quadratmeter großen Schutzräume stand eine Art Technik-Schreibtisch, von dem offenbar ein Verantwortlicher Kommunikation, Lüftung und Licht regeln konnte. In Raum T43 war zudem noch die Befehlsstelle untergebracht. Kurios: In den 1970er Jahren wurde eine der riesigen Schutzräume zu einer Sporthalle umfunktioniert. Der Verein &bdquo;Post SV Bielefeld“ nutzte sie zu den Anfangszeiten für die Badminton-Abteilung als behelfsmäßigem Trainingsstandort, erinnert sich der heutige Abteilungsleiter Michael Schäfer. &bdquo;Leider waren die Decken dort relativ niedrig, für Badminton also nur bedingt geeignet.“ Auch Tischtennis soll der Verein tief unterm Kesselbrink im Fernmelde-Bunker gespielt haben. &bdquo;Da standen auch Tischtennisplatten.“ Ungewöhnliches Badminton-Training bei relativ niedriger Decke Schäfer weiß das allerdings auch nur von Erzählungen. Er selbst kam erst zum Post SV, als der Schutzbunker nur noch für die Vereinsverwaltung von Bedeutung war. Denn in den 1980er Jahren blieb dort nur noch die Geschäftsstelle zurück, auch Vorstandssitzungen fanden noch unterm Kesselbrink statt, so Schäfer. Mit der Privatisierung der Post seien dann aber höhere Mietforderungen aufgekommen, so dass sich der Verein vom Telekom-Hochhaus endgültig abwandte. 2017 verließ die Telekom ihren bekannten Standort und das Bielefelder Bauunternehmen Goldbeck übernahm hier die Regie. Auch unter Tage, denn die statische Konstruktion des Bunkers musste für die völlig neuen Grundrisse (Medienhaus und Parkhaus) komplett umstrukturiert und ertüchtigt werden, berichtet ein Projektleiter bei Goldbeck. &bdquo;Dafür mussten teilweise bestehende tragende Betonwände und Stützen entfernt werden, um diese durch neue Betonstützen und Wände in anderer Dimension und Position zu ersetzen.“ Harte Bauarbeiten unter Tage verdienen in Bielefeld &bdquo;Anerkennung“ Solche Arbeiten seien keine Leichtigkeit, betont er: &bdquo;Die logistischen Herausforderungen bei einer solchen Baustelle unter Tage sind enorm.“ Jedes Bauteil, egal ob aus Stahl oder Beton oder einfach Werkzeug, müsse in den bestehenden Untergrundräumen teilweise von Hand bewegt werden. Bei normalen Baustellen über Tage übernehmen Gabelstapler, Kräne und Lkws diese schwere Arbeit. Außerdem sei das Arbeiten unter Ausschluss von Tageslicht für die Handwerker ein Knochenjob. &bdquo;Das verdient echte Anerkennung“, betont der Goldbeck-Experte. Lesen Sie auch: Im Bielefelder Kesselbrink-Hochhaus öffnet neue Gastronomie mit der Marke &bdquo;Heins“

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