So sah es in Bielefeld früher aus – spektakuläre Fotos zeigen den Wandel

Bielefeld. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erlebte der Kesselbrink offenbar seine Blütezeit. Der Platz habe zu dieser Zeit mit seiner Park-Gestaltung eine Aufenthaltsqualität gehabt, &bdquo;die heute noch geradezu verzweifelt, vor allem aber erfolglos gesucht wird“, sagte uns einst Stadtarchivar Jochen Rath. Wir haben einige historische Bilder herausgesucht, die den Betrachter staunen lassen. Kesselbrink Das ehemalige Telekomhochhaus am Kesselbrink war kurz nach Fertigstellung 1972 ein pittoreskes Postkartenmotiv: &bdquo;Zumindest für den Fototermin schmückten seinerzeit prächtig bepflanzte Blumenkübel den Platz vor der Volksbank“, heißt es in der Bildbeschreibung des Stadtarchivs zu dem interessanten Motiv. Das auch als Fernmeldehochhaus oder Posthochhaus bezeichnete 18 Stockwerke umfassende Gebäude zählte mit einer Höhe von mehr als 90 Metern lange Zeit zu den wenigen Hochhäusern Bielefelds, heißt es weiter. Es überragte sowohl die benachbarte Pauluskirche (57 m) als auch die Altstädter Nicolaikirche (81,5 m). Die Grundsteinlegung des Gesamtkomplexes, bestehend aus dem vierstöckigen Technikbau an der Friedrich-Ebert-Straße, dem Hochhaus und Parkhaus, fand laut Stadtarchiv am 14. September 1967 statt. Drei Jahre später – am 4. November 1970 – wurde dann das Richtfest gefeiert. Das Fundament des Hochhauses bestand demnach aus einer massiven, einen Meter dicken Grundplatte mit 25 Betonsäulen. Im September 1972 war die Stahlbeton-Konstruktion mit der gradlinigen Glas-Aluminiumfassade schließlich fertiggestellt, und das Fernmeldeamt mit etwa 1.000 Mitarbeitern konnte die Flächen beziehen. In einem Zeitungskommentar hieß es damals, dass Bielefeld mit dem Hochhaus nun &bdquo;ein Stück mehr Großstadt“ geworden sei. 2017 zog die Telekom aus dem stadtbildprägenden Gebäude aus. Die Bielefelder Goldbeck-Gruppe erwarb die Immobilie im Jahr 2018, um sie zu sanieren. In dem nun als &bdquo;H1“ bezeichneten Gebäude werden neben der Firma Goldbeck unter anderem die Universität und der Personaldienstleister Piening Büroflächen nutzen. Mehr zum Thema: Seltene Einblicke – so wunderschön war Bielefelds Kesselbrink Klosterplatz Auf diesem Bild ist der nördliche Rand des Klosterplatzes um das Jahr 1925 zu sehen. Auf der rechten Seite dieser Richtung Südwesten aufgenommenen Fotografie dominiert das 1862 erbaute und beim Luftangriff am 30. September 1944 zerstörte Vereinshaus der Gesellschaft Eintracht an der Ritterstraße 37 (heute Klosterplatz 9), wie in der Bildbeschreibung zu lesen ist. Hinter dem Gesellschaftshaus ragt wiederum das Gebäude Klosterstraße 2 hervor. Am linken Bildrand sei das Gebäude Ritterstraße 33 mit dem Drogeriegeschäft des Kaufmanns Friedrich Möller (1878–1949) zu sehen. Rechts davon schließen sich das Haus Ritterstraße 27 sowie die Gebäude Klosterstraße 1 und 3 und Oberntorwall 7 an. Der auf dem Dach des letztgenannten Hauses befestigte Schriftzug des Tapetengeschäfts Hager & Schweikher ist deutlich zu erkennen. Lesen Sie auch: Bielefelds beliebtester Platz: So soll der Klosterplatz neu gestaltet werden Jüdisches Haushaltswarengeschäft Heine Das Haus Ritterstraße 57 / Ecke Notpfortenstraße (heute Ritterstraße 11–13) im Jahr 1927. Auf dieser Richtung Norden aufgenommenen Fotografie sind deutlich die Schaufenster des Haushalts- und Küchengeräte-Geschäfts Adolf Heine zu erkennen. Das von dem jüdischen Kaufmann Simon &bdquo;Adolf“ Heine (1857–1919) im Jahr 1886 gegründete Geschäft hatte sich von Anfang an unter dieser Adresse, jedoch nicht in diesem Gebäude befunden. So war das ursprünglich an dieser Stelle befindliche, 1832 erbaute Haus zu Beginn der 1920er Jahre durch den hier zu sehenden Neubau ersetzt worden. Noch heute prägt das Gebäude die besagte Straßenecke. Nach dem Tod von Simon &bdquo;Adolf“ Heine im Dezember 1919 übernahmen dessen Tochter Thekla Lieber geb. Heine und deren Ehemann Ernst Lieber (1872–1933) das Geschäft. Thekla Lieber, die im August 1938 als Geschäftsinhaberin enteignet worden war, wurde im Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Sohn Erich Lieber (1907–2000) hatte jedoch 1939 nach Palästina auswandern können und führte ab den frühen 1950er Jahren das weiterhin nach seinem Großvater benannte Haus- und Küchengeräte-Geschäft fort. Zuletzt war in dem Haus seit 2010 das Musikhaus Niemeyer untergebracht, das allerdings 2017, nach insgesamt fast 100 Jahren in Bielefeld, seine Türen schloss. Bekanntester Standort des Geschäfts war an der Niedernstraße 41 direkt am Jahnplatz. In dem Gebäude ist seit vielen Jahren die Kaffee-Kette Starbucks untergebracht. Von Altstadt bis &bdquo;Ossi“: Historische Fotos von Bielefelds vergessenen Straßen Grüner Niederwall Ein Richtung Süden gerichteter Blick vom Eckhaus Viktoriastraße 1 auf den damaligen Neumarkt (heute Niederwall) an einem sonnigen Tag um das Jahr 1890. Links unten ist der Garten des früheren Städtischen Krankhauses am Neumarkt 1 – heute Standort des Alten Rathauses – zu erahnen. Südlich davon befindet sich die später für den Bau des Stadttheaters abgerissene Villa des Geheimen Sanitätsrates und Augenarztes Bernhard Steinheim (1832–1913) am Neumarkt 2. Dahinter erhebt sich die heute noch existierende Villa der Familie Kobusch am Neumarkt 3 (heute Niederwall 29). Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind von rechts nach links die Häuser Neumarkt 22, 21, und 20 zu sehen, links daneben schließen sich die Gebäude Renteistraße 31 und 33 sowie das durch einen Fassadenvorbau gekennzeichnete Haus Neumarkt 19 an. Dahinter ist das Gebäude Renteistraße 35 zu erahnen, das – wie das vom Haus Neumarkt 19 verdeckte Gebäude Neumarkt 18 – 1897 für den Bau der Rathausstraße abgerissen wurde. Das dann folgende Haus mit den markanten Schornsteinen bildete wiederum die Renteistraße 37. Die Bäume der Allee am Neumarkt scheinen zum Zeitpunkt der Aufnahme noch relativ jung gewesen zu sein, heißt es in der Bildbeschreibung. In der Mitte der Allee ist ein Brunnen zu erkennen. Rechts im Hintergrund ist die Neustädter Marienkirche mit ihren damaligen barocken Zwiebeltürmen zu sehen, dahinter erhebt sich die Sparrenburg. Jüdisches Bekleidungsgeschäft Friedmann Auch die Familie Friedmann teilte das Verfolgungsschicksal vieler erfolgreicher jüdischer Unternehmer unter den Nationalsozialisten, so das Stadtarchiv. Franz (1871–1942) und Johanna (1881–1939) kamen demnach mit ihren Kindern Paul, Lotte und Karl 1910 nach Bielefeld und eröffneten das Geschäft &bdquo;Franz Friedmann“ in der Innenstadt, Ecke Niedern- und Hagenbruchstraße. &bdquo;Bis zur Inflation und der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren lief das Geschäft für Damen- und Kinderkonfektion sowie Wäschewaren aus verschiedenen Stoffen erfolgreich.“ Danach kooperierte das Unternehmen mit dem ebenfalls jüdischen Kaufhaus Alsberg am Jahnplatz. &bdquo;Die Familie wohnte in der Falkstraße 12, in unmittelbarer Nähe der Synagoge und musste mitansehen, wie sie in der Pogromnacht am 9. November 1938 zerstört wurde. Mit der zunehmenden Verfolgung nahm sich Johanna Friedmann am 1. November 1939 selbst das Leben.“ Franz habe die Flucht zu seiner Tochter Lotte in die USA abgelehnt, heißt es weiter. &bdquo;Auch er nahm sich am 26. Juli 1942 selbst das Leben und gehört zu den derzeit sechs bekannten Personen, die sich so der Deportation aus Bielefeld am 31. Juli 1942 entzogen.“ Derzeit befindet sich unten im Gebäude eine Filiale des Deko-Händlers Butlers. Zum Thema: Historischer Vergleich: Entdecken Sie Bielefelder Orte gestern und heute (interaktive Bilder) Historische Tankstelle &bdquo;Die zu Beginn der 1950er Jahre rasant steigende Zahl an Automobilen machte es auch in Bielefeld notwendig, die bereits bestehende Infrastruktur an Tankstellen auszubauen“, heißt es in der Bildbeschreibung. &bdquo;Vor diesem Hintergrund eröffnete am 30. April 1953 die an der Neustädter Straße 18 gelegene Großtankstelle der Firma Ernst Rückwarth GmbH & Co KG, die 1932 von dem Bielefelder Kaufmann Ernst Rückwarth (1904–1967) gegründet worden war und in der frühen Nachkriegszeit mehrere Tankstellen im Raum Bielefeld betrieb.“ Die neue Großtankstelle habe seinerzeit &bdquo;nicht nur durch eine damals vollkommen neuartige Dachkonstruktion und vier leicht zu meisternde Zufahrten bestochen, sondern bot ihrer Kundschaft darüber hinaus zwei Waschhallen mit Hebebühne und Warm- und Kaltwasserleitung sowie mehrere lichtdurchflutete Aufenthaltsräume mit Glaswänden“. In den 1990er Jahren habe die mittlerweile stillgelegte Tankstelle dem Büro für Kunst als Domizil gedient, danach musste die Anlage einer Neubebauung weichen. Links im Hintergrund der 1953 Richtung Nordwesten aufgenommenen Fotografie ist der Turm der St.-Jodokus-Kirche zu erkennen. Das rechts im Hintergrund zu sehende Eckhaus Welle 20 existiert heute ebenfalls noch. Markt auf dem Siegfriedplatz Buntes Wochenmarkt-Treiben auf dem Siegfriedplatz (&bdquo;Siggi“) im Bielefelder Westen im August 1955 ist auf diesem Foto zu sehen: &bdquo;Unter den gestreiften Marktschirmen stapelten sich die prallgefüllten Obst- und Gemüsekisten, während sich die Kundschaft dicht an den Tischen drängte und einen prüfenden Blick auf die Ware warf“, schreibt das Stadtarchiv. Im September 1949 berichtete laut Stadtarchiv die Freie Presse (fusionierte 1967 mit der Westfälischen Zeitung zur Neuen Westfälischen) unter der Überschrift &bdquo;Weiche Birnen auf dem Siegfried-Markt“ von einem kuriosen Ereignis: Ein Händler hatte Birnen zu verkaufen, darunter zahlreiche überreife Früchte, und die Kollegen machten verächtliche Witze. Aber der Händler entschied sich kurzerhand, seine Birnen-Kisten auf die Mitte des Platzes zu stellen und alles kostenlos anzubieten. Lesen Sie auch: Das Geheimnis um Bielefelds dritte Tür der Bürgerwache am Siegfriedplatz &bdquo;In Nullkommanix gab es einen Run auf die Birnen – nachdem ein altes Mütterchen den Anfang gemacht hatte. Zwar brachte es dem Händler nichts ein, er verdiente sich jedoch zahlreiche dankbare Blicke von meist alten Frauen, die mit den Birnen eine gute und schmackhafte Birnensuppe kochen konnten.“ Noch heute findet immer mittwochs und freitags der Siegfried-Markt statt, zudem wird in der Sommerzeit vor der Kulisse der 1913 bis 1914 erbauten Bürgerwache alle vier Wochen ein Flohmarkt veranstaltet. Das Rezept zur Birnensuppe: 500 g Birnen, 1 l Wasser, 30 g Dr. Oetker Gustin (Stärke), 2 EL kaltes Wasser zum Anrühren, 1 Päckchen Vanille-Zucker, 50–150 g Zucker, etwas Zitronensaft, Wein oder Most zum Abschmecken. Zerkleinertes Obst mit 1 l Wasser kochen und durch ein Sieb drücken. Die Flüssigkeit wieder zum Kochen bringen, Gustin einrühren und aufkochen lassen. Suppe mit Vanillezucker, Zucker und Zitronensaft/Most nach Belieben abschmecken – fertig. Lesen Sie auch: Bielefeld historisch: Dieses Wohnviertel existiert nicht mehr – erkennen Sie es? Rutschpartie im Tierpark Olderdissen &bdquo;Nicht unfreiwillig zu rutschen war die Devise der Wagemutigen, die in früheren Jahren zur Winterzeit den sogenannten Idiotenhügel – eine abschüssige Wiese am Tierpark Olderdissen – als Piste zum Schlittenfahren und Skilaufen nutzten“, sagt die Bildbeschreibung des Stadtarchivs. Die Richtung Südosten aufgenommene Fotografie zeigt das dortige Treiben im Jahr 1973. Heute dient die nun zum Tierpark gehörende Wiese unter anderem als Weidefläche für Shetlandponys und Schottische Hochlandrinder.

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