
Bielefeld. Der Grundwasserpegel sinkt, der Pro-Kopf-Verbrauch steigt, die Stadt wächst: Trinkwasser könnte künftig knapp werden. Damit das nicht passiert, wollen die Stadtwerke zusammen mit der Gelsenwasser AG eine neue Firma gründen. Die soll künftig Trinkwasser aus dem Einzugsgebiet der Ruhr und aus dem Sauerland nach Bielefeld pumpen.
„Kurz und mittelfristig ist nicht von einer Wasserknappheit auszugehen“, betont Stadtwerke-Geschäftsführer Rainer Müller. Es gehe darum, die Versorgung langfristig zu sichern. Martin Uekmann, ebenfalls Stadtwerke-Geschäftsführer, ergänzt: „Trotz des neuen Fernwasserbezuges werden wir 85 Prozent des Bedarfs aus eigenen Brunnen decken.“
Schon jetzt bezieht das kommunale Versorgungsunternehmen 2,5 Prozent seines Wassers von anderen Anbietern. Das Gros gewinnt es mit 15 Wasserwerken, an die 154 Brunnen angeschlossen sind. Die Hälfte des Wassers kommt aus 20 bis 40 Meter Tiefe, 40 Prozent werden mit bis zu 630 Meter tiefen Brunnen gefördert, zehn Prozent kommen aus 100 Meter Tiefe. Die Tiefe der Brunnen hat jedoch keinen Einfluss auf die Fördermengen.
Grundwasserstände sinken seit Jahren
Doch weil Grundwasserstände über die Jahre gesunken seien und Grundwasser wichtig für den Natur- und Umweltschutz sei, könne nicht unbegrenzt gefördert werden, so Uekmann. Im Maximum sei der Grundwasserstand nach den Dürrejahren 2018 bis 2022 um cirka vier Meter im Vergleich zum Normalniveau abgefallen. Die Absenkung entspreche einem historischen Tiefstand seit 1960, informiert Stadtwerkesprecher Sebastian Bauer.
Eine Folge war etwa, dass der Sennestädter Sprungbach austrocknete. Auf Geheiß der Bezirksregierung müssen die Stadtwerke daher die Fördermenge im Wasserwerk Sennestadt seit Januar 2023 um ein Drittel reduzieren. „Auch künftig erwarten wir längere Perioden mit geringem Niederschlag und hoher Lufttemperatur, die zu extremen Absenkungen des Grundwasserspiegels führen“, so Bauer.
Einer der größten Wasserversorger Europas
Daher wollen sich die Stadtwerke an das Gelsenwasser-Netz anschließen. Die Gesellschaft aus Gelsenkirchen liefert jährlich 230 Millionen Kubikmeter Wasser ins Ruhrgebiet sowie in das Rhein- und das Münsterland und ist einer der größten Wasserversorger Europas. Der verfüge über ausreichend H2O, da im Ruhrgebiet weniger Wasser verbraucht werde als früher, erklären die Stadtwerke.
In Verl, Rheda-Wiedenbrück und Rietberg kommt bereits Gelsenwasser aus dem Hahn. Nun will das Unternehmen drei neue Leitungen ins südliche Ostwestfalen bauen. Gemeinsam mit den Stadtwerken soll zudem eine weitere Leitung von Varensell nach Bielefeld verlegt werden. Die wird an das Rohrleitungsnetz der Stadtwerke angeschlossen. Das Fernleitungswasser werde nach einer laborüberwachten Eingangskontrolle mit dem Bielefelder Wasser gemischt und fast in der ganzen Stadt verteilt, teilen die Stadtwerke mit.
„Wasser bleibt im mittleren Härtebereich“
„Das Mischwasser, das bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, wird weiterhin im mittleren Härtegrad liegen. Es ergeben sich keine spürbaren Änderungen in der Wasserhärte“, sagt Bauer. Auch eine Änderung des Geschmacks oder Geruchs des Trinkwassers sei nicht zu erwarten. Bisher hat das Wasser fast in der ganzen Stadt den Härtegrad „mittel“. Nur für Ummeln, Brackwede, Kupferhammer und Gadderbaum weisen die Stadtwerke die Stufe „hart“ aus.
Bis zu 2,5 Millionen Kubikmeter Wasser soll die Rohrverbindung pro Jahr nach Bielefeld befördern. Sie wird aus Stahlrohren mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern bestehen, die unterirdisch verlegt werden. Der Trassenverlauf werde ebenso wie der Anschlusspunkt ans Bielefelder Netz mit Hilfe einer Machbarkeitsstudie und anschließender Genehmigungsplanung festgelegt. „Überregionale Verbundsysteme werden durch die nationale Wasserstrategie ausdrücklich gefordert“, sagt Nils Neusel-Lange, Leiter des Bereichs Netze und Infrastruktur bei den Stadtwerken.
Auch die Förderung in Bielefeld wird ausgebaut
2030 soll die Gelsenwasser AG die Ventile aufdrehen. Der Anteil des zugekauften Wassers soll dann maximal 15 Prozent betragen. „Die Stadtwerke-Strategie umfasst auch den Ausbau der Eigenförderung, sodass der Fremdwasseranteil nicht weiter ansteigen wird“, sagt Bauer.
Bereits von 1985 bis 2012 hatten die Stadtwerke mit Gelsenwasser zusammengearbeitet und gemeinsam das Wasserwerk Mühlengrund in Verl betrieben. Durch eine 50 Prozent-Beteiligung standen den Stadtwerken eine Million Liter Wasser pro Jahr zu. Die Hälfte verkauften sie an die Gelsenwasser-Tochter Vereinigte Gas- und Wasserversorgung GmbH in Rheda-Wiedenbrück. Die Beteiligung gaben sie ab, weil sie das zusätzliche Wasser nicht mehr benötigen. Seit Mitte der 90er Jahre sei der Wasserbedarf durch den Einsatz von Wasser sparenden Geräten im Haushalt und den sparsamen Umgang mit Wasser gesunken, hieß es damals.
Der Aufsichtsrat der Stadtwerke wird im März über die Gründung der gemeinsamen Gesellschaft mit der Gelsenwasser AG abstimmen.