Sorge um Trinkwasser?

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Trotz Überschwemmung: Die Gründe für zu wenig Grundwasser in OWL

2023 war eines der nassesten Jahre in jüngster Vergangenheit und trotzdem haben sich viele Grundwasservorkommen nicht erholt. Ein Experte erklärt warum.

In Minden war es zu einer Belastung des Trinkwassers mit Bakterien gekommen. | © Friso Gentsch

Felix Schwien
07.01.2024 | 07.01.2024, 08:25

Minden/Versmold. Wann hört der Regen endlich auf? Das denken derzeit viele, aber nicht Joachim Loheide. Er ist technischer Dezernent bei der Bezirksregierung Detmold und unter anderem zuständig für das Thema Grundwasser. „Bis April kann es weiter so bleiben“, sagt Loheide.

Denn auch wenn es in vielen Regionen derzeit zu Überschwemmungen kommt, ist der Grundwasserpegel in OWL noch lange nicht auf einem zufriedenstellenden Niveau. Die aktuellen Niederschläge seien laut Loheide zumindest mit Blick auf das Grundwasser notwendig, besonders im Winter. Denn in den kalten Monaten würden sich die Speicher erholen.

Hochwasser hat Vor- und Nachteile

„Im Sommer bringt der Regen wenig“, sagt der technische Dezernent. Da brauchten ihn Pflanzen auf, sodass der Niederschlag gar nicht bis in das Grundwasser gelange. Das aktuelle Hochwasser ist allerdings Fluch und Segen zugleich. Die Speicher füllen sich zwar, vielerorts kommt aber zu viel Wasser herunter. Keller laufen voll, Straßen werden gesperrt oder Trinkwasser wird kontaminiert.

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So etwa in Minden, wo die Stadtverwaltung ein Abkochgebot ausgesprochen hat, weil das Trinkwasser teilweise mit Bakterien belastet worden ist. Ob das auch in anderen Regionen in OWL vorkommen kann? Loheide nennt diesbezüglich drei Wasserwerke: eines in Harsewinkel, eines in Gütersloh und eines im Bad Oeynhausener Stadtteil Rehme.

Ist verschmutztes Trinkwasser in weiteren Regionen OWLs möglich?

Hier seien Brunnen in der Nähe und auf der Höhe von Gewässern, die bei extremen Überschwemmungen theoretisch verunreinigt werden könnten. An Land tretendes Hochwasser könnte zunächst Schadstoffe von Oberflächen wie Äckern aufnehmen und dann durch das eigene Gewicht in die Brunnen bis zum Grundwasser drücken. Loheide vermutet, dass etwas Ähnliches in Minden passiert sei.

Doch er gibt zunächst eine Entwarnung für die genannten Standorte: „Hier gibt es solche Probleme wegen der Dauerchlorung nicht.“ Außerdem: „Leitungswasser ist das bestkontrollierte Lebensmittel. Sie brauchen sich nicht um das Leitungswasser zu sorgen.“

Wie sich der Grundwasserbestand entwickeln könnte

Zu 100 Prozent lässt sich ein Szenario wie in Minden jedoch nicht verhindern. Grundwasser stehe im ständigen Austausch mit den oberirdischen Flüssen, Seen und Biotopen und könne so zu einer Belastung beitragen, heißt es auf der Webseite der Flussgebietsgemeinschaft Weser. Insbesondere Nitrat und Pestizide können in das Grundwasser sickern und werden naturbedingt nur sehr langsam abgebaut.

Auch der Grundwasserpegel gab zuletzt Anlass zur Sorge. Er folge einem Zehn-Jahres-Rhythmus, indem er auf- und wieder absteige. Veränderungen sind also erst einmal normal. Zuletzt sei allerdings ein starker Abwärtstrend zu beobachten. Dieser wurde durch die letzten sehr nassen Winter etwas gemildert, doch: „Wir bräuchten mindestens zwei bis drei vergleichbare Winter wie jetzt, um wieder ein Mittelmaß zu erreichen“, erklärt Loheide.

Welche Verbesserungen notwendig sind

Zudem müsse es ausgeglichenere Sommer geben. Mit weniger Dürre und weniger Extremwetter, damit mehr Wasser aufgenommen werde. „Dann klappt das wieder mit dem Grundwasser“, sagt der Experte.

Förderlich wäre eine bessere Infrastruktur. Mit plötzlichen hohen Wasserverbrauchen, wie im Sommer, kämen viele Regionen nicht zu Recht und müssten dann Wasser sparen. Als Beispiel nennt Loheide das Gießen des Gartens nach dem Feierabend im Sommer. Das bringe die Wasserversorgung vielerorts an die Grenzen. Nicht, weil nicht insgesamt genug Wasser vorhanden sei, sondern weil nicht ausreichend Wasser schnell genug verteilt werden könne. Früher sei bei der Wasserwirtschaft die Qualität vorrangig gewesen. Nun auch die Menge. „Unser Bewusstsein muss dafür mehr geschärft werden“, sagt Loheide.