Indische Uni-Absolventen werden Handwerker in Bielefeld

Bielefeld. Mehr als 9.000 Kilometer liegen zwischen ihnen und ihrer Heimat. Die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere im Handwerk motivierte sie, den Weg auf sich zu nehmen. Shameer Shaji, Anand Babu und Robin Benny kommen aus Kerala, dem südwestlichsten Bundesstaat in Indien. Seit August vergangenen Jahres machen sie eine überbetriebliche Ausbildung im Handwerksbildungszentrum (HBZ) Brackwede. Robin ist angehender Straßenbauer bei der Bielefelder Firma Jens W. Kipp Tiefbau, Anand ist Maurer-Lehrling beim Baugeschäft B. Lohöfer-Marotz in Halle und Shameer macht seine Ausbildung zum Stahlbetonbauer bei AKD-Bau in Herford. Vor zwei Jahren sind sie im Internet auf das Online-Portal der Bundesregierung "Make it in Germany" gestoßen - ein Programm, das Fachkräfte bei ihrer Einwanderung nach Deutschland unterstützt. Zu dem Zeitpunkt hatten alle drei bereits ihren Bachelorabschluss in Bauingenieurwesen in der Tasche. Doch das reichte ihnen nicht. "In unserem Studium war der Fokus auf die Theorie gelegt, wir wollten aber gerne noch praktische Arbeitserfahrung sammeln", erklärt Shameer. In Indien habe es dafür nicht ausreichend Möglichkeiten gegeben, ergänzt der 25-Jährige. Und so versuchten sie ihr Glück in Deutschland. Mit Erfolg. Mithilfe einer indischen Vermittlungsfirma dauerte es nicht lange, bis die drei jungen Männer im Bewerbungsgespräch mit den Ausbildern Markus Ortmann und Markus Hennemann vom HBZ Brackwede saßen. Natürlich per Videoanruf - denn zu dem Zeitpunkt lebten sie noch in ihrer Heimat am Arabischen Meer. Kurz darauf folgten die Vorstellungsgespräche mit den Ausbildungsbetrieben. "Das Interesse unserer Baubetriebe war groß, wir haben für alle drei sofort einen Ausbildungsplatz gefunden", sagt Markus Ortmann. "Die praktische Arbeit macht besonders viel Spaß" Das HBZ habe sich dazu entschieden, Fachkräfte aus Indien zu rekrutieren, weil Firmen händeringend Bewerber suchen und sie in der Region oftmals nicht finden, wie Ortmann erklärt. Das 2020 von der Bundesregierung beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichterte den Prozess für das HBZ. Seit seiner Einführung können Fachkräfte leichter nach Deutschland einwandern. Nach erfolgreich absolviertem Deutschkurs mit B1-Zertifikat und dem lang ersehnten Visum ging es im August 2022 direkt von Kerala nach Bielefeld. Mittlerweile wohnen Shameer, Anand und Robin gemeinsam in einer Wohnung in Brackwede. In der überbetrieblichen Ausbildung im HBZ lernen sie in mehrwöchigen Ausbildungsblöcken die Theorie und Praxis des Baugewerbes kennen. "Die praktische Arbeit in Kleingruppen macht besonders viel Spaß", sagt der 24-jährige Anand. Neben ihrer Ausbildung jobben die Drei zusätzlich noch am Wochenende. Anand und Robin arbeiten als Küchenhilfen in Restaurants und Shameer liefert Pizza aus. "Unsere Familien in Indien haben uns bei der Auswanderung nach Deutschland finanziell unterstützt. Jetzt möchten wir ihnen das Geld schnellstmöglich zurückzahlen", erklärt Shameer. "Immer pünktlich und motiviert" Unterstützt werden Robin, Shameer und Anand auch von Barbara und Gerhard Kahmen. Montags gibt es Unterrichtseinheiten in den Fächern Geschichte, Wirtschaft und Politik mit Barbara Kahmen. Sie hilft dem Trio außerdem bei sprachlichen und kulturellen Fragen. Freitags übt Gerhard Kahmen, der selbst ehemaliger Bauingenieur und Berufsschullehrer ist, noch Bautechnik und Mathematik mit ihnen. Barbara und Gerhard Kahmen helfen den drei angehenden Handwerker ehrenamtlich im Rahmen der Initiative "Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA)" von der Stiftung "Senior Experten Service (SES)". Von dem Ehepaar hagelt es Lob für Anand, Robin und Shameer. "Sie sind immer pünktlich und motiviert. Und sie haben schon eine gute Vorbildung durch ihren Bachelor. Wir sind sehr froh, dass wir so tolle Herren unterstützen dürfen", sagt Gerhard Kahmen. Das Lob geben die drei Azubis direkt zurück. "Die Menschen hier in Bielefeld sind sehr nett. Wir sprechen oft Leute auf der Straße an, wenn wir Fragen haben - und die sind immer sehr hilfsbereit", sagt Shameer. An manche Dinge mussten sich die Drei allerdings erst einmal gewöhnen. Zum Beispiel an das Essen. "Die indische Küche ist ganz anders als die deutsche. Wir essen gerne scharf", sagt Robin. Trotzdem haben sie mittlerweile auch ein deutsches Leibgericht: "Schnitzel mit Pommes sind sehr gut", sagt Anand und schmunzelt. Die Ausbildungsbetriebe sind sehr zufrieden mit ihren neuen Lehrlingen. "Shameer wird sogar als Jahrgangsbester von seinem Ausbilder gelobt", erzählt Markus Ortmann. Und die jungen Männer haben noch große Pläne: Alle drei wollen im Nachgang noch die Meisterausbildung machen.

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