Ukrainer auf der Flucht nach Bielefeld - Stadt startet Vorbereitungen

Bielefeld. Zahlreiche Menschen befinden sich nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine auf der Flucht mit Ziel Bielefeld. Darunter seien rund 20 bis 30 Angehörige von Mitgliedern der Jüdischen Kultusgemeinde, weiß die Vorsitzende Irith Michelsohn. Unterdessen landen amerikanische Militärflugzeuge auf dem Flughafen der Partnerstadt Rzeszów in Polen, nur rund 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Oberbürgermeister Pit Clausen sichert den polnischen Partnern Unterstützung zu angesichts der hier erwarteten Flüchtlingsströme. Auch Bielefeld selbst trifft erste Vorbereitungen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Kriegsland. Ukrainische Juden flüchten Richtung Deutschland Es sind schlimme Geschichten, die Irith Michelsohn an den ersten Kriegstagen durch Mitglieder der jüdischen Gemeinde erreichen: Von Familienmitgliedern, die in den U-Bahn-Schächten von Kiew ausharren, während die Stadt unter Beschuss steht. &bdquo;Ich weiß auch, dass Leute mit dem Auto in Richtung Bielefeld unterwegs sind. Aber es gibt kein Benzin mehr, kein Geld aus den Automaten.“ Unter den Flüchtenden seien Ukrainer jüdischen Glaubens, die die Ausreise zu ihren Familien in Deutschland schon länger geplant und nur noch auf die notwendigen Papiere gewartet hätten, erzählt Michelsohn. &bdquo;Jetzt wissen wir nicht einmal, ob sie es bis zur Grenze schaffen und ob man sie dann dort rüberlässt.“ Noch gebe es zumindest Strom und Handykontakt. Doch wie lange noch? &bdquo;Wir müssen einfach helfen und alles tun, was in unserer Macht steht.“ Rund 1.000 Menschen mit ukrainischen Wurzeln in Bielefeld 569 Menschen mit ukrainischem Pass leben laut städtischen Angaben aktuell in Bielefeld. Nehme man Menschen mit ukrainischen Wurzeln und deutschem Pass hinzu, seien es wohl um die 1.000 Bielefelder, von denen viele nun um Freunde oder Angehörige in ihrer Heimat bangen müssen, sagt Murisa Adilovic vom Integrationsrat. &bdquo;Viele haben dort schon seit einiger Zeit auf gepackten Koffern gesessen in Erwartung eines russischen Angriffs.“ Aus der ukrainischen Community wisse sie, dass der Kontakt zu Familien in umkämpften Gebieten bereits teilweise abgebrochen sei. Laut Olaf Selonke, Referent für Städtepartnerschaften bei der Stadt, erwartet man in der polnischen Partnerstadt Rzeszów zum Wochenende die ersten großen Flüchtlingsströme. Am Freitag habe der Oberbürgermeister ein Schreiben formuliert und Unterstützung aus Bielefeld angeboten. Wie die konkret aussehen könne, hänge jetzt von den Partnern in Rzeszów ab, so Selonke.Noch sei es dort relativ ruhig. In der Universitätsstadt nahe der Grenze studierten viele junge Ukrainer. Das Augenmerk liege darauf, ihnen und ihren Familien zu helfen. Politikerin fordert "Sicheren Hafen" Adilovic appelliert unterdessen an die Stadtverwaltung, auch in Bielefeld die Aufnahme von Ukrainern frühzeitig vorzubereiten und Wohnverhältnisse und aufenthaltsrechtliche Fragen zu klären, um für die Flüchtenden schnell neue Perspektiven zu schaffen. &bdquo;Wir sind eine Gesellschaft, die Fachkräfte braucht. Wichtig ist die Hilfe zur Selbsthilfe von Anfang an.“ Die Stadt müsse schnell &bdquo;Sicherer Hafen“ für Flüchtlinge aus dem Kriegsland werden, fordert Gordana Rammert, für die Bürgernähe im Stadtrat. Sie hat das Thema im Sozial- und Gesundheitsausschuss auf die Tagesordnung gesetzt und will Auskunft darüber, welche Vorbereitungen bereits getroffen wurden oder werden, um Asylsuchenden aus der Ukraine zu helfen. &bdquo;Sicherer Hafen bedeutet, wir können und wollen mehr Geflüchtete aufnehmen, als wir müssten. An der Situation der Menschen in der Ukraine können wir von hier aus nichts ändern, aber wir können ihnen eine Perspektive geben, wenn sie ihr Land verlassen und sich in Sicherheit bringen wollen.“Auf Nachfrage äußert sich Oberbürgermeister Clausen dazu vage: &bdquo;Flüchtlinge aus Ländern und Staaten, aus denen Menschen fliehen müssen, nehmen wir auf. Das gilt auch für die Ukraine. Man muss offen dafür sein, Menschen in Not zu helfen, und über Obergrenzen kann man jetzt nicht diskutieren.“Erste Vorbereitung für die Aufnahme laufen an Konkreter wird es bei Sozialdezernent Ingo Nürnberger: &bdquo;Ich habe bereits das Gespräch mit dem Sozialamt gesucht, und wir werden in der kommenden Woche zu einem Runden Tisch einladen, um zunächst unser Netzwerk zu aktivieren, mit dem wir in den Jahren 2015 und 2016 gut zusammengearbeitet haben.“ Es gebe viele Strukturen zur Aufnahme von Geflüchteten, die sich bereits bewährt hätten – von der Wohlfahrt, über Unterkünfte bis hin zu Ehrenamtlichen. &bdquo;Zum Beispiel wird das Jugendamt jetzt auf entsprechende Träger zugehen, um sich auf die Ankunft unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorzubereiten. Denn es wird sicher Familien in der Ukraine geben, die ihre jungen Männer in Sicherheit bringen wollen und alleine auf den Weg schicken.“"Es gibt große bürokratische Hürden" Am stärksten würden die Fluchtbewegungen wohl zunächst Polen betreffen, sagt Nürnberger, aber natürlich wollten viele Ukrainer zu Angehörigen nach Deutschland. &bdquo;Auch Bielefeld wird Fluchtziel sein.“ Beim Verein AK Asyl berät Tobias Reher zu Fragen rund ums Aufenthaltsrecht. Eine der häufigsten von Angehörigen sei jetzt, &bdquo;welche Garantien es gibt, dass sie ihre Familie zu sich nach Bielefeld holen können. Das können wir aber gerade auch noch nicht beantworten. Es gibt große bürokratische Hürden. Die Bundesregierung muss jetzt ihr Wort halten und nicht nur Solidarität bekunden sondern solidarisch handeln.“Es sei möglich, dass der Bund jetzt Kontingente für Flüchtlinge aus der Ukraine schaffe, sagt Ingo Nürnberger. &bdquo;Bei Menschen, die hier Angehörige haben, kann möglicherweise etwas über den Familiennachzug arrangiert werden. Das wird man von Einzelfall zu Einzelfall sehen müssen.“ Einreise ohne Visum möglich Einreisen können Menschen aus der Ukraine kurzfristig auch ohne Visum, erklärt Reher vom AK Asyl: "Ukrainische Staatsangehörige dürfen ohne Visum drei Monate in Deutschland bleiben. Das heißt aber nicht, dass das auch zu einem längeren Aufenthalt in Deutschland führen würde, wenn die Person sagt, dass sie aufgrund des Kriegs nicht in ihren Herkunftsstaat zurückkehren kann. Im Moment scheint zumindest eine kurzfristige Verlängerung des Besuchsaufenthalts für ukrainische Staatsangehörige möglich zu sein." Bei Fragen zu Asylverfahren und Aufenthaltsrecht sei die Bielefelder Ausländerbehörde erster Ansprechpartner, so Nürnberger, aber auch die kommunale Fachstelle für Flüchtlinge. Hier könnten auch Angebote vermittelt werden, um die betroffenen Menschen aufzufangen, die oft unter extremer psychischer Belastung stünden.

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