Krach bei Bielefelder Philharmonikern wirkt sich aufs Programm aus

Bielefeld. Die Besucherzahlen in den Sinfoniekonzerten steigen kontinuierlich. Nach außen bietet das städtische Orchester ein nahezu tadelloses Bild. Doch hinter den Kulissen herrscht offenbar alles andere als Harmonie. Aufhorchen ließ Mitte Mai eine kurzfristige Programmänderung aus &bdquo;organisatorischen Gründen", wie es hieß. Im 8. Saisonkonzert der Philharmoniker bekamen die erstaunten Zuhörer statt der lange angekündigten und mit vier Solisten aus dem Orchester besetzten Sinfonia concertante KV 297b von Mozart dessen Sinfonie Nr. 29 geboten. Differenzen über das "angemessene Honorar" Tatsächlicher Hintergrund für die kurzfristige Programmänderung waren offenbar Differenzen zwischen den als Solisten angekündigten Orchestermusikern und der Orchesterleitung über die Höhe eines angemessenen Honorars. So geht es jedenfalls aus einem der Redaktion vorliegenden Brief &bdquo;an alle Orchestermitglieder" hervor. Musiker auf Solo-Positionen in Orchestern bekommen höheres Gehalt und sind dafür in bestimmtem Umfang zu solistischen Leistungen verpflichtet. Die Solopartien für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott in Mozarts Sinfonia concertante gehen jedoch unstrittig – was Probenaufwand und künstlerische Herausforderung angeht – über die üblichen Solisten-Pflichten hinaus. Deswegen ist dafür laut Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) ein &bdquo;angemessenes Honorar" fällig. Was angemessen ist, ist jeweils Verhandlungssache. Solisten seien deutlich unter dem Honorarsatz geblieben In dem Brief an die Orchestermitglieder wird betont, dass eine Zusage für den Solo-Auftritt nur unter der Voraussetzung einer finanziellen Einigung gegeben worden sei. Im Programmheft wurden die Musiker als Solisten aufgeführt, obwohl eine Vereinbarung noch ausstand. Nach Verhandlungen mit dem Solistenquartett lag man bei der Finanzierung des Konzerts zum Schluss, laut Brief, &bdquo;um 400 Euro auseinander" – 100 Euro pro Musiker. Dabei seien die Solisten mit ihrem Angebot noch deutlich unter dem Honorarsatz geblieben (&bdquo;netto 60 Prozent"), den die Orchesterleitung vor zehn Jahren bei einem vergleichbaren Einsatz eines Solistenquartetts (Haydns Sinfonia Concertante B-Dur op. 84) gezahlt habe. Die Orchesterleitung änderte trotz des vergleichsweise geringen Betrags lieber kurzfristig das Programm des von der Bisegger-Stiftung geförderten Konzerts, ließ die betreffenden Musiker aber noch wissen, dass man es &bdquo;äußerst bedauerlich" finde, nun &bdquo;keine Orchestersolisten in besonderem Maße präsentieren zu können". Zwei Monate später, Anfang Juli, wurde ein juristischer Streit zwischen Jörg Engelhardt, Bratschist der Philharmoniker, und der Orchesterleitung am Bielefelder Arbeitsgericht publik. Engelhardt, seit 26 Jahren Orchestermitglied, klagt gegen seinen Arbeitgeber, die Stadt Bielefeld, wegen Verstoßes gegen das Arbeitsschutzgesetz. Erlaubt sind lediglich sogenannte Anspielproben Grund ist die Ansetzung einer Orchesterprobe vor dem &bdquo;Klassik um 3"-Konzert am 14. April, einem Sonntag, im Assapheum in Bethel. Der Tarifvertrag verbietet Proben an Sonn- und Feiertagen. Erlaubt sind lediglich sogenannte Anspielproben. Nach Auffassung des Orchestermusikers und – wie zu hören ist – der meisten seiner Kolleginnen und Kollegen inklusive des an dem betreffenden Sonntag dirigierenden Kapellmeisters, war die von GMD Alexander Kalajdzic angesetzte Probe unnötig. Nicht zuletzt, weil das Orchester seit zwölf Jahren Konzerte im Assapheum gibt und eine kurze Anspielprobe vor dem Konzert vor eintreffendem Publikum keine wirklichen Verbesserungen verspreche. Die Stadt beharrte jedoch vor dem Arbeitsgericht darauf, dass eine Anspielprobe als &bdquo;Teil der Aufführung" auch an einem Sonntag tariflich gestattet sei. Der Gütetermin im Juli scheiterte. Die Verhandlung vor der 1. Kammer ist nun für den 9. November angesetzt. Theaterintendant Michael Heicks und GMD Kalajdzic pflegen die Philharmoniker in öffentlichen Äußerungen stets über den grünen Klee zu loben, nicht zuletzt wegen ihrer Einsatzfreude. In der Tat musiziert das städtische Orchester längst nicht nur in Vorstellungen und Konzerten in den angestammten Spielstätten Stadttheater und Oetkerhalle. Solches Engagement setzt gemeinhin ein gedeihliches Betriebsklima voraus Mit Open-Air-Auftritten in Freibädern, auf dem Kesselbrink und anderswo und klaglos mitvollzogenen Crossover-Spagaten ist es rührig um neues Publikum bemüht. In spielfreien Stunden werben Orchestermitglieder auf freiwilliger Basis vor Bielefelder Schulklassen für die E-Musik. Solches Engagement – auch in der Konzertreihe &bdquo;Philharmoniker solistisch" – setzt gemeinhin ein gedeihliches Betriebsklima voraus. Davon kann derzeit offenbar keine Rede sein. Orchestermusiker, die nicht namentlich genannt werden möchten, beklagen &bdquo;fehlendes Vertrauen" und &bdquo;mangelnde Wertschätzung". Mündliche Vereinbarungen würden nicht eingehalten. Es werde versucht, Orchestermusiker gegeneinander auszuspielen, Anliegen des Orchesters würden &bdquo;abgeschmettert". Es sei ein Punkt erreicht, an dem &bdquo;der soziale Frieden gefährdet ist". Bei einer außerordentlichen Orchesterversammlung vor der Sommerpause war der, wie es in der Einladung heißt, &bdquo;beklagenswerte Umgang mit uns als Orchester" einziger Tagesordnungspunkt. Es brenne &bdquo;momentan an vielen Stellen lichterloh". Ein absolutes Novum in der Geschichte des Orchesters Die verhärteten Fronten schlagen sich auch im Konzertprogramm für die just gestartete Saison nieder. Die immerhin neun Termine umfassende Kammerkonzertreihe im &bdquo;Konzerthaus Oetkerhalle", in der Vergangenheit stets zu großen Teilen mit solistischen Philharmoniker-Einsätzen bestückt, besteht mit Ausnahme eines Klavier- und eines Liederabends bisher lediglich aus Leerstellen. Ein absolutes Novum in der Geschichte des Orchesters. Orchester- und Konzerthausdirektor Martin Beyer, um eine Darstellung der Vorgänge aus Sicht der Orchesterleitung gebeten, bittet schriftlich ,,um Verständnis, dass wir zu Ihrer Anfrage bezüglich des von Ihnen angeführten laufenden Arbeitsgerichtsprozesses keine Stellung nehmen". Zur Programmänderung im 8. Symphoniekonzert teilt er mit: &bdquo;Wir versuchen Umgestaltungen von schon veröffentlichten Programmen – insbesondere im Rahmen unserer Reihe der Symphoniekonzerte – zu vermeiden." Und weiter: "Leider bleibt es aber nicht aus, dass im Einzelfall reagiert werden muss. So musste aus dispositorischen Gründen leider das Programm verändert und mit neuer Stückauswahl im Konzert präsentiert werden."

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