
Herford. „Ganz klar die Auftritte, die Konzerte als Augenblicke, wenn etwas Einmaliges entsteht“, antwortet Jonathan Bloxham, seit Beginn der Saison 2024/25 Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie (NWD), auf die Frage, ob er an seinem Beruf mehr das Agieren auf der Bühne oder die akribische Probenarbeit davor schätzt. Das Musizieren vor Publikum sei doch Antrieb jeder Musikerin und jedes Musikers.
Bloxham erarbeitet gerade das Programm seiner zweiten Konzertreihe als Chefdirigent mit dem Orchester, erläutert im NWD-Studio Takt für Takt Einsätze oder Intensität und seine Vorstellung vom Klangbild, das am Ende entstehen soll. Gegen Ende der Probe nimmt er noch einmal eine Streichergruppe beiseite, geht eine Passage mehrmals durch. Dass er seine Musikkarriere als Cellist begann, hilft bei der Verständigung, ebenso, dass er mit dem Orchester seit 2019 immer mal wieder als Gastdirigent gearbeitet hatte.
„Es gab also einen gemeinsamen Startpunkt, von dem aus wir gleich richtig loslegen konnten“, sagt er. Richtig loslegen heißt für ihn, sich mit der Grammatik der Musik zu beschäftigen und von dort aus eine gemeinsame musikalische Sprache zu finden. Die Grundlagen dieser Sprache haben für ihn die Großen wie Mozart oder Beethoven gelegt, die in seinen Programmen daher ebenso ihren Platz haben werden wie Werke zeitgenössischer Komponisten.
Repertoire und Zusammenarbeit mit Solisten
Für die aktuelle Reihe erarbeitet er gerade die 3. Sinfonie von Jean Sibelius und das Klavierkonzert Nr. 5 von Ludwig van Beethoven mit dem Solisten Martin James Bartlett am Flügel. „Bartlett und ich kennen uns schon lange, haben zusammen Kammermusik gemacht“, sagt Bloxham. „Ich glaube, dass es der Musik guttut, wenn sich Menschen, die gemeinsam musizieren, auch persönlich gut verstehen.“

Darauf hoffe er auch bei der regelmäßigen Zusammenarbeit mit der NWD. Für die jeweiligen Abonnementserien sei er regelmäßig für etwa 14 Tage mit dem Orchester zusammen, und verglichen mit den Bedingungen in seinem Heimatland sei in Deutschland die Probenzeit fast großzügig bemessen. „Mir zehn Extraminuten mit den Streicherinnen und Streichern zu nehmen, ist ein Luxus, den ich mir nicht überall leisten kann“, sagt er. Er freue sich daher, dass zu einigen Orchestermitgliedern allmählich auch Beziehungen über die Musik hinaus entstehen.
Während seiner Aufenthalte wohnt er entweder in Herford oder in Bad Salzuflen. Neben Detmold, wo er gerade ein Fotoshooting absolviert hat, seien das die Orte, von denen er bisher mehr als die Konzerthallen gesehen habe. Die Säle haben alle ihren individuellen Charakter, den er vor jedem Konzert für sich zu erspüren versuche, erklärt er.
Musikalische Gestaltung und individuelle Spielstätten
Größe, Klangfarbe, Akustik – alles habe Auswirkungen darauf, wie ein Orchester das zuvor Erarbeitete spielen müsse. „Bei der klassischen Musik geht es nicht um Reproduktion, sondern darum, das zuvor Erarbeitete immer wieder neu und einmalig auf die Bühne zu bringen“, sagt Bloxham. Die Möglichkeit für ihn als Dirigenten, dabei entscheidende Impulse zu setzen, sei ein echtes Privileg.
Mitreden kann der Chef am Taktstock, dessen Vertrag zunächst bis 2027 läuft, auch bei der Erstellung des Jahresprogramms und bei der Auswahl der Solistinnen und Solisten. „Das Jahresprogramm entsteht in einer Art Vorschlags-Ping-Pong mit dem Intendanten Andreas Kuntze. Meistens werden wir uns schnell einig“, sagt Bloxham.
Von dem, was die Spielzeit 2025/26 zu bieten haben werde, wolle er noch nicht zu viel verraten, nur so viel: „Die Zuhörenden werden eine Welturaufführung und eine Deutschlandpremiere erleben können und natürlich Werke der großen Komponisten.“ Außerdem freue er sich ungemein, in der Jubiläumsspielzeit der NWD ihr Chefdirigent zu sein.
Zukunftsvisionen und Jubiläum der NWD
Das Orchester hatte am 10. Oktober 1950 sein erstes Konzert gespielt und feiert in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag: „Auch zu diesem Jubiläum können Musikfreundinnen und Musikfreunde Besonderes erwarten.“ Er sei jedenfalls stolz, Teil des nächsten Kapitels der NWD zu sein.
Jonathan Bloxham lebt als Brite in Luzern, wo er auch Musikdirektor des Luzerner Theaters ist. Und diese Tätigkeit führt ihn ins aktuelle Herforder Geschehen.
Denn auch in Luzern hatte es eine Diskussion um Umbau und Erweiterung des Theaters mit geschätzten 130 Millionen Franken Baukosten gegeben. Trotz Zustimmung der Politik und des bereits für Konzeptionierung und Planung ausgegebenen Geldes wurde der Plan bei einer Volksabstimmung im Februar abgelehnt.
Unterstützung für neue Spielstätten
Er bedauere, dass auch in Herford der Plan A für ein neues Kultur- oder Konzerthaus gescheitert sei, sagt Bloxham. Falls es einen realistischen Plan B gäbe, würde er diesen natürlich unterstützen. Für ihn sei klar, dass neue, zeitgemäße Spielstätten mit einem vielfältigen Programm nicht nur Menschen von auswärts in die Stadt locken, sondern auch neue Menschen für die Musik begeistern können.
Da steht Bloxham ganz in der Tradition eines anderen großen britischen Dirigenten: „Auch Sir Simon Rattle hat sich immer wieder für neue Spielstätten eingesetzt.“
Am morgigen Freitag, 21. März, ist das Programm ab 20 Uhr im Stadtpark Schützenhof zu erleben, am Samstag, 22. März ab 19.30 Uhr in der Konzerthalle Bad Salzuflen und am Sonntag, 23. März, ab 17 Uhr im Theater im Park in Bad Oeynhausen, außerdem am Dienstag und Mittwoch in Detmold und Gütersloh.