
Lebensbeichte, zweiter Teil: Ja, auch "Final Fantasy VII" gehört zu den genreverändernden Meilensteinen, die ich im Original nie gespielt habe. So wie "Half-Life", das mir das Remake "Black Mesa" erstmals nahe brachte. Jetzt hat Square Enix ein Remake auf den Markt gebracht, das zeigt, wie man ein Meisterwerk technisch sinnvoll erweitert und spielmechanisch ergänzt - nur um Spieler wie mich dann doch ein bisschen zu verärgern.
"Final Fantasy VII Remake", wie die Neuauflauge heißt, ist exakt das: Kein plumpes Grafik-Update sondern ein vollwertig neu entwickeltes Rollenspiel-Projekt. In der Unreal Engine 4 erstrahlt die zwischen Cyberpunk und Sci-Fi angesiedelte Spielwelt auf dem Planeten Gaia in zeitgemäßem Glanz. Hier folgen wir dem klingenschwingenden Söldner Cloud Strife, der sich der Widerstandsbewegung Avalanche anschließt, um dem finsteren Megakonzern Shinra in die Suppe zu spucken, der die Welt ausbeutet.
Aus Nostalgie oder nicht: Das Spiel ist schwierig

So einfach waren Geschichten in Spielen damals oft noch angelegt. Ähnlich wie in "Silver" reichte ein simpler Konflikt zwischen Gut und Böse aus, um Spieler lange zu fesseln. Doch Final Fantasy gab sich bereits bei Erscheinen im Jahr 1997 reichlich Mühe bei der Inszenierung. Die Geschichte wurde in für damalige (und für J-RPGs übliche) Verhältnisse opulenten Zwischensequenzen erzählt. In den rundenbasierten Kämpfen setzten wir dann neben unseren eigenen auch die magischen sowie fern- oder nahkämpferischen Fähigkeiten unserer Mitstreiter ein und bauten dazwischen unsere Fähigkeiten aus, lernten neue und fanden bessere Ausrüstung.
Genau hier haben die Entwickler einige spannende Stellschrauben neu justiert. Statt in Runden (also mit Pausen) können wir die Kämpfe nun auch in Echtzeit bestreiten. Casual-Spielern ist zwar die alte Steuerung zu empfehlen, aber durch die Änderung wird das Kampferlebnis spürbar direkter, ohne taktische Tiefe einzubüßen. Allerdings auch anspruchsvoller, denn für Combos und vor allem in Boss-Kämpfen müssen wir wissen, welcher Angriff hilft und wann wir blocken sollten. Der Schwierigkeitsgrad oberhalb von "Leicht" ist - aus Nostalgiegründen oder nicht - mindestens fordernd.
Vorsicht: Das Remake ist nicht komplett

Auch das erzählerische Gerüst bauen die Entwickler deutlich aus. Wer das Original kennt, wird mit zusätzlichen Quests und Erzählsträngen überrascht, die den Charakteren deutlich mehr Zeit einräumen, dem Spieler sympathisch oder eben ein Dorn im Auge zu werden. Sogar Nebenquests gibt's jetzt. Leider geht das buchstäblich auf Kosten des Gesamteindrucks.
Denn auch wenn der Name suggeriert, man bekomme hier eine vollständige Neuauflage des Spiels, verbringt man im Remake nur Zeit im ersten Kapitel des Originals - in der Stadt Midgar. Das ist zwar wie gesagt erzählerisch und spielzeitstreckend erweitert, weil es im Original eigentlich nicht viel mehr als der Prolog war. Trotzdem fühlt es sich an, als hätte man hier zum Vollpreis nur eine Kurzgeschichte statt eines Romans bekommen. Die Streckung sorgt zusätzlich für einigen Leerlauf. All das muss man vor dem Kauf wissen.
Ob und wann Square Enix weitere Kapitel nachschiebt, ist noch unbekannt. Die Vorstellung, dass man für das gesamte - nochmal, zweifellos aufwändig produzierte - Spiel also mehrmals rund 60 Euro bezahlen soll, dürfte nicht jedem Spieler gefallen.

Den Erzählstil muss man abkönnen
Dasselbe gilt für den Erzählstil. Klar, in (Final) Fantasy sollte man es mit der Realität nicht zu genau nehmen. Dennoch erinnern vor allem die affektierten, überdrehten und teilweise schlicht albernen Schauspieleinlagen der Charaktere zwanghaft an Trash-Ikonen wie die Power Rangers.
Mit anderen Worten: Wer eine stets ernsthaft erzählte Geschichte erwartet, dem wird hier mancher Charakter einen quietschgrellen Strich durch die Rechnung machen. Dafür stimmt das Pacing: Die Mischung aus actionreichen und ruhigen Abschnitten führt angenehm motivierend durch die Handlung.
Es wäre also falsch, zu behaupten, dass man mit dem Spiel keinen Spaß hat. Nur, dass sich Spiele eben auch weiterentwickelt haben. Beim Gameplay merkt man, dass die Entwickler das verstanden haben. Bei der Story dürften sie darauf zugunsten der Nostalgie aber wohl einfach verzichtet haben. Schließlich handelt es sich hier um einen Klassiker. Und jetzt um einen, den man - mit den genannten Einschränkungen - auch Nachgeborenen empfehlen kann.