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Half-Life Remake "Black Mesa" im Test: So wie es hätte sein sollen

Fans des Originals haben die Neuauflage in 16 Jahren zusammengestöpselt - und damit ein ohnehin fantastisches Spiel mit Karacho auf einen aktuellen Stand gehievt.

Die berühmte Eingangshalle zum Black-Mesa-Komplex, wie ihn Half-Life-Spieler kennen. Jetzt auch in schön. | © Crowbar Collective

Björn Vahle
01.04.2020 | 22.06.2022, 12:45

Erstes Bekenntnis: Ich habe "Half-Life" nie gespielt. Ganz recht, der größte Meilenstein in der Entwicklung von Ego-Shootern ist mir gänzlich unbekannt. Doch - zweites Bekenntnis - das brauche ich auch gar nicht, um das jetzt final erschienene "Black Mesa" hervorragend zu finden. Dass es sich dabei um ein Fan-Remake handelt, fällt nur an Stellen auf, die mit dem Spielspaß nichts zu tun haben. Und das ist wahrlich eine Leistung für ein paar freischaffende Entwickler.

16 Jahre - so unfassbar lange haben die Hardcore-Fans, die sich "Crowbar Collective" tauften, an ihrem Lieblingsspiel herumgebastelt, bis es jetzt endlich fertig wurde. Keine Sorge, wir kommen gleich zu "Black Mesa". Aber die Geschichte der Entwicklung ist ebenso erzählenswert wie die, dass das fertige Spiel super geworden ist. Ein kurzer Abstecher also in die Vergangenheit.

Der Shooter to end all Shooters

"Half-Life" von Entwickler Valve raucht mit Erscheinen 1998 so ziemlich alles in der Pfeife, von dem Gamer und Games-Industrie dachten, es sei notwendig für einen guten Shooter. Statt Gegnerhorden und wildem Gehopse wie in "Doom" erzählt das Spiel eine Geschichte - und das auch noch gekonnt. Mit ruhigen Momenten (die Bahnfahrt am Anfang!), spannenden Charakteren, verschrobenem Charme und Witz, kurz: mit allem, was eine gute Geschichte braucht. Und das alles ohne Video-Sequenzen, wir erleben die ganze Erzählung aus der First-Person-Perspektive von Wissenschaftler Gordon Freeman - ein revolutionärer Ansatz.

Das Experiment im Forschungskomplex geht schief - und öffnet Tore in eine Alien-Welt, die Protagonist Gordon Freeman nun schließen soll. - © Crowbar Collective
Das Experiment im Forschungskomplex geht schief - und öffnet Tore in eine Alien-Welt, die Protagonist Gordon Freeman nun schließen soll. | © Crowbar Collective

Freeman soll ein missglücktes Experiment im Black-Mesa-Forschungskomplex ins Reine bringen, dass Tore in eine fremde Alien-Welt öffnet. Deren Bewohner fluten fortan in die Einrichtung. Mit zunächst nichts mehr als einem Brecheisen bewaffnet zieht Freeman in den Kampf. Klingt heute nach Klischeefest - und das ist es in Teilen auch. Doch die Art, wie das Spiel präsentiert wird, sorgt immer für genügend Motivation.

"Wir machen das jetzt nochmal. Und zwar besser."

Doch "Half-Life" hat auch Schwächen. Die Gegner-KI ist höchstens mittelbrauchbar, manche Abschnitte viel schwerer als andere und über die Alien-Welt Xen, deren gelangweilt hingeschluderte Hüpfpassagen das Finale bilden sollten, sollte eigentlich für alle Zeit der Mantel des Schweigens gebreitet werden. Sei's drum: Das Spiel findet eine begeisterte Fanbasis. Und die beschließt, nachdem Valve selbst nur eine unmotivierte Neuauflage herausbringt: Wir machen das jetzt nochmal. Und zwar in besser.

Zwei Fangruppen beginnen zunächst unabhängig voneinander die Entwicklung eines Remakes. Das Spiel und sein Verlauf soll dasselbe bleiben, aber Levels, Modelle und Texturen in das Technikgerüst des Nachfolgers "Half-Life 2" umziehen, das 2004 erschien und wieder alle anderen Shooter alt aussehen ließ. Aus den Gruppen formiert sich wenig später das rund 30 Entwickler starke Crowbar Collective, um die gemeinsame Vision zu verwirklichen. Und sie erhalten unverhoffte Unterstützung.

Valve bockt nicht - sondern hilft

Das rund 30 Mitarbeiter starke, freischaffende Team des Crowbar Collective. - © Crowbar Collective
Das rund 30 Mitarbeiter starke, freischaffende Team des Crowbar Collective. | © Crowbar Collective

Valve nämlich findet die Idee so gut, dass es nicht die Einstellung des Projekts verlangt, wie es mancher Entwickler in solchen Fällen gern tut. Es schlägt vor, das Spiel mit seinem Segen auf der hauseigenen Plattform Steam zu verkaufen - und so auch vollen Zugang zur neuen Engine zu bekommen. "Valve ist tatsächlich auf uns zugekommen", erzählte damals Black-Mesa-Chefentwickler Adam Engels baff.

Weil die Engine immer wieder Updates spendiert bekommt, die das Spiel besser aussehen lassen, zieht sich die Entwicklungszeit - und wird letztlich 16 Jahre beanspruchen. Auch weil die Entwickler lange Zeit ihre Freizeit dafür opfern und erst nach 11 Jahren erstmals Geld mit dem Spiel einnehmen. Mancher aus dem Team berichtet später, er sei nicht sicher, ob er das Projekt angegangen wäre, hätte er gewusst, wie lange es brauchen würde.

Die Stärken des Nachfolgers hervorragend eingebaut

Doch das Spiel entsteht. "Black Mesa" kann jetzt also technisch das, was "Half-Life" erst im zweiten Serienteil lernte. Allem voran ist die hervorragende Physik-Engine dabei, die uns nachvollziehbare Interaktionen mit der Umgebung und allerlei Spielereien mit den Gesetzen der Schwerkraft erlaubt. So geht ein vernünftig erweitertes Remake, liebes Blizzard, die ihr gerade "Warcraft 3 Reforged" in den Sand gesetzt habt.

Das fertige "Black Mesa" sieht nun genauso gut aus wie ein aufgebohrtes "Half-Life 2", was selbst heute noch ansehnlich ist. Und es erbt die Gameplay-Stärken der neuen Engine. Die Stromkabel-Rätsel und Bretter-Kloppereien mit dem ikonischen Brecheisen aus "Half-Life 2" zum Beispiel sind dabei. Das letzte Bonbon hat das Crowbar Collective dann aber nochmal Jahre ihres Lebens gekostet.

Das neue Schlusskapitel stammt komplett von den Hobby-Entwicklern

Die Alien-Welt Xen gilt als das schwächste Kapitel im Original. Darum haben die Fan-Entwickler es kurzerhand komplett neu erschaffen. - © Crowbar Collective
Die Alien-Welt Xen gilt als das schwächste Kapitel im Original. Darum haben die Fan-Entwickler es kurzerhand komplett neu erschaffen. | © Crowbar Collective

Denn "Half-Life" hatte das im Vergleich zum Rest des Spiels wohl bescheidenste Schlusskapitel der Spielegeschichte. Die Alien-Welt Xen wirkte unfertig. Valve gab irgendwann selbst zu, dass ihnen die Zeit ausgegangen war. Dieses Xen also haben die Hobby-Entwickler gänzlich neu gebaut, sogar einen besseren Story-Bogen zu "Half-Life 2" haben sie eingebaut - und damit den letzten großen Makel des Originals beseitigt.

Große Teile dieser Zusammenfassung über das Original referiere ich aus der Perspektive des interessierten Spielers, der jahrelang Reaktionen mitbekam, es aber selbst nie anfasste, weil es irgendwann einfach zu lange her war und Spiele sich längst weiterentwickelt hatten. Auch "Black Mesa" ist nicht frei von Problemen - gelegentliche Bugs, veraltetes Trefferfeedback - aber die wollen die Entwickler nach und nach beheben. Damit haben endlich auch Banausen wie ich die Möglichkeit, dieses immer noch hervorragend arrangierte Erlebnis zu genießen.

Fazit

Ein Spiel wie "Half-Life" würde heute so vermutlich niemand mehr entwickeln lassen, der bei einem börsennotierten Publisher was zu sagen hat. Da werden Spiele gebraucht, die mit Online-Klimbim jahrelang Einnahmen generieren.

Als bekennender Einzelspieler muss ich deshalb unheimlich viel an "Black Mesa" lieben. Die Art, wie es entstanden ist: aus Liebe zum Original, mit Durchhaltevermögen und ausnahmsweise mal mit der Unterstützung der Erfinder des Originalspiels statt gegen deren Widerstand.

Und trotzdem gibt es "Black Mesa" (übrigens mit 18 Euro für einen ziemlich fairen Preis). Produziert von Fans. In ihrer Freizeit! Auf Blockbuster-Niveau!! Was für eine Leistung. Im Grunde spielt sich "Half-Life" damit wie "Half-Life 2", was Kenner wie Verächter des Originals freuen muss. Für alle, die "Half-Life" also noch nicht kennen, und aktuell kein VR-Set daheim haben, um das neu erschienene "Half-Life Alyx" zu spielen, ist "Black Mesa" ein Pflichtkauf. Und ein Denkmal für ein sehr altes, aber sehr gutes Spiel.

"Black Mesa" ist erhältlich für PC (bei Steam), kostet 18 Euro und ist für Spieler ab 16 Jahren geeignet.

Der Trailer zum Spiel: