In Corona-Zeiten ist "The Longing" vielleicht genau das richtige PC-Spiel

Mit dem Computerspiel hat das Stuttgarter Indie-Studio Seufz unlängst ein interessantes Konzept veröffentlicht. Gefragt ist dabei vor allem eins: Geduld.

Spielszene: In seinem „Wohnzimmer" kann es sich der kleine Schatten bei einem Buch gemütlich machen. | © Studio Seufz

01.05.2020 | 04.05.2020, 11:44

Viele Spiele sind actiongeladen, hyperaktiv, vollgepackt mit optischen Reizen und lauten Szenen. Der Ansatz von „The Longing" ist ein anderer. Es ist eine ungewöhnliche Mischung aus Adventure und Idle-Game, also Spielen, die sich das Warten zum Thema gemacht haben. Und diesen Umstand treibt es durchaus auf die Spitze. „Das Videospiel stellt eine Antithese zur gängigen Design-Philosophie zeitgenössischer Videospiele dar", so Medienwissenschaftler Hendrik Mutzenbach, der an der Universität Bielefeld lehrt.

Worum geht es? Tief unter der Erde liegt ein Königreich, das aus verwinkelten Höhlensystemen, irdenen Prunksälen, Kristallseen und steinernen Labyrinthen besteht. Sein Monarch ist jedoch kraftlos und beschließt, für die nächsten 400 Tage zu schlafen. Als Spieler schlüpft man nun in die Rolle des „Schatten", einem kleinen Kobold, der als letzter Diener des Königs verblieben ist. Als solcher hat er die Order erhalten, diesen nach Ablauf der Zeit zu wecken.

Das Spiel läuft in Echtzeit ab

Die große Besonderheit des Spiels ist dabei, dass es in Echtzeit abläuft. Will man den König aufwecken, müsste man also tatsächlich 400 Tage warten und sich die Zeit vertreiben. Zwar tickt die Zeit auch weiter runter, wenn das Spiel nicht gespielt wird, das ist aber nicht der bevorzugte Weg.

Eines ist also absolut notwendig: Geduld. Denn eine weitere Besonderheit von The Longing ist, dass alles sehr langsam abläuft und eine gefühlte Ewigkeit dauert. Allein die Gehgeschwindigkeit des kleinen „Schatten", der durch die im Zeichentrickstil gehaltenen Gänge schlurft, ist unglaublich bedächtig. Bummeln statt rennen ist angesagt. „Durch hochgradige Entschleunigung der Handlungs- und Belohnungsprozesse werden tradierte Normen der Spielmotivation ins Gegenteil verkehrt. Dies verlangt den Spielern eine Neubewertung der eigenen Nutzungsgewohnheiten ab", urteilt Mutzenbach weiter.

Für das Öffnen einer Steintür müssen zwei Stunden Realzeit eingeplant werden

„Ein erfolgreicher Spieldurchlauf erfordert weniger spielerisches Können als vielmehr die Fähigkeit zur kontinuierlichen Beschäftigung – auch ohne sofortige positive Verstärkung." Für das Öffnen einer schweren Steintür müssen zum Beispiel erst einmal zwei reale Stunden eingeplant werden. Eine Spinne muss ein Netz spinnen, was einen Tag beansprucht. Wenn der kleine Kobold einen Sprung von einer Klippe wagen soll, muss am Grund zunächst Moos wachsen, dafür müssen aber erst zwei Wochen auf dem Countdown verstreichen. Bis eine Grube sich Tropfen für Tropfen mit Wasser füllt, das von einem Stalaktit rinnt, vergeht gar ein ganzer Monat. Auf dem Weg stößt man als Spieler immer wieder auf ähnliche solche Hindernisse, die sich nur durch Warten überwinden lassen. Es ist eine einzigartige, langsame Spielerfahrung, die exzessive Gebrauch von Zeit als Spielmechanik macht.

Allerdings gibt es mehrere Arten das Spiel zu spielen, die man selbst entdecken muss: So lässt sich die Zeit beschleunigen, indem man sein unterirdisches „Wohnzimmer", direkt neben dem König, mit immer mehr Gegenständen gemütlich ausbaut und sich beschäftigt. Schatten und auch der Spieler unter anderem frei zugänglichen Bücher zur Gänze lesen. Dazu zählen unter anderem Klassiker wie Herman Melvilles „Moby Dick" oder „Also sprach Zarathustra" von Friedrich Nietzsche. Auch Bilder können gezeichnet und aufgehängt werden. Für schwarze Motive braucht es dafür Kohle und natürlich Papier.

Manchmal steht die Zeit auch still

Die Kohle fällt immer mal von der Decke und kann eingesammelt werden. Soll es aber ein wenig bunter werden, muss man Lehm finden, damit rote Farbe ins Spiel kommt. Dafür gilt es jedoch erst zahlreiche Gänge zu durchqueren. Das Papier hingegen findet sich unter anderem in der sogenannten „Halle der Unendlichkeit". Die Besonderheit: Die Zeit steht hier still. Sprich, wenn der Schatten eine viertel Stunde von rechts nach links über den Bildschirm trottet, muss er später genauso lange in die andere Gegenrichtung zurück. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Der Countdown steht währenddessen jedoch still.

Ob man nun letztlich den Weisungen des Königs folgt und die Zeit abwartet oder hingegen versucht, aus der Höhle zu entkommen, bleibt dem Spieler überlassen. Hierzu muss man sich auf den langen und gefährlichen Weg an die Oberfläche begeben, der immer wieder von Blockaden gesäumt ist. Am Schluss warten vier mögliche Enden, je nachdem, welchen Weg der Spieler gewählt hat.

Inspiriert wurden die Macher von „The Longing" sehr stark von der Kyffhäuser Sage um König Friedrich Barbarossa. Im bekannten Gedicht von Friedrich Rückert wird ein Zwerg beschrieben, der die Aufgabe hat, alle 100 Jahre aus der Höhle zu schauen, um zu sehen, ob es Zeit für Barbarossa ist, wieder aufzustehen. Das Team fragte sich, wie das Leben des Zwergs wohl aussehen würde und ob man es in einem Computerspiel erzählen könnte.

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