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Spiele-Ruhmeshalle: Darum war Max Payne so großartig

Das Spiel führte nicht nur eine der coolsten Zeitlupen der Branche ein, sondern auch eine herausragende Art seine Geschichte zu erzählen - auch wenn die jahrelang nicht jeder erleben konnte

Max Payne in der Bullet Time, in der er in Zeitlupe seine Gegner anvisieren kann. | © Rockstar Games

Björn Vahle
22.03.2019 | 22.03.2019, 17:28

Wir lieben Spiele. Und das nicht erst seit gestern. In unregelmäßigen Abständen erinnern wir uns also nostalgisch verklärend an Games, die wir vor ewigen Zeiten gespielt haben und die uns bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Die Kriterien sind dabei subjektiv: eine schlaue Spielmechanik, eine packende Story, etwas, das Spiele für immer verändert hat - all das können Gründe für die Aufnahme in die (nicht repräsentative) Hall of Fame sein.

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Okay, der Name hätte etwas subtiler sein können. Max Payne, also "maximaler Schmerz", ist genau das, was dem Hauptcharakter eines der besten Action-Spiele aller Zeiten widerfährt. Vertont mit der coolsten (englischen) Stimme seit Darth Vader durchlebt der Mann tiefste Abgründe in einer der am stylishsten präsentierten Geschichten, die es im Videospiel-Genre gibt.

Max Payne, Cop im verschneiten New Yorker Viertel "Hell's Kitchen" (auch das ein wahrlich sprechender Name), kommt eines Tages von der Arbeit nach Hause und findet Frau und Tochter ermordet vor - offenbar von Junkies, offenbar ohne nachvollziehbaren Grund. Fortan widmet sich Max der Jagd nach den Hintermännern des Anschlags - und geht dabei wenig zimperlich vor.

Das beweist schon die erste Sequenz. In einer U-Bahn-Station muss sich Max gleich schießwütigen Unterwelt-Ganoven erwehren. Dafür hat er eines der coolsten Mittel der Spielegeschichte zur Verfügung: Die Bullet-Time. Per Knopfdruck verlangsamen wir beim Schießen die Zeit, dürfen aber weiter in Echtzeit zielen. So hechten wir wie Neo aus "Matrix" in Zeitlupe durch die Gegend und versehen New Yorks Gangster mit allerlei frischen Löchern.

Stylish, aber unheimlich brutal

So stylish das ist und so wohlig es Cineasten an Film-Sequenzen von John Woo erinnert, so brutal ist es auch. Seine Altersfreigabe ab 18 trägt Max Payne zurecht, nach dem Release 2001 war es wegen seiner Gewaltdarstellungen bis Anfang 2012 sogar indiziert, durfte also nur noch an Erwachsene verkauft und nicht mehr beworben werden. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute USK) fand an der Selbstjustiz und der Ästhetisierung der Feuergefechte keinen Gefallen, bescheinigte Sequenzen aus dem Spiel gar, sie könnten "den Spieler traumatisieren".

Traumatisiert ist aber vor allem Max, dessen Ein-Mann-Rachefeldzug immer wieder von Alptraumsequenzen unterbrochen wird. Darin muss er bizarre, verwinkelte und durch einen blutroten Schleier dargestellte Zerrbilder seiner Erinnerungen durchleben. Die Sequenzen sind zwar atmosphärisch, die Ideen der Entwickler gehen aber an die Substanz.

So träumt Max immer wieder davon, wie er daran scheitert, seine Familie zu retten. Dann vernagelt sich die Tür zum Kinderzimmer vor seinen Augen mit Brettern, eine zweite Tür führt in einen schwarzen Raum, durch den nichts als eine dünne Blutspur führt, von der wir immer wieder abstürzen, wenn wir nicht genau auf ihr laufen. Ein anderes Mal müssen wir den Weg durch ein verworrenes Labyrinth finden und dabei dem Geräusch von Max weinender Tochter folgen.

Für die damalige Zeit waren das krasse Motive, die Spielern die Payne des Max aber umso deutlicher spüren ließen. Erzählt wurde die düstere Geschichte in stimmungsvollen Graphic Novel-Optiken im Film Noir-Stil, die zwischen den Levels die Story weitertrieben - ein Novum für Spiele und vor allem für Shooter, bei denen eine aufwändig präsentierte Story damals noch nicht wirklich zum Anforderungskatalog gehörte.

In den Sequenzen treffen wir auch die undurchsichtige Mona Sax (ja, mit Sexismus kam man damals noch ziemlich ungeschoren davon), in deren betörende Unnahbarkeit sich Max so ein wenig verguckt, die ihm den Schmerz über den Verlust lindern soll. Allerdings hat die Killerin ihre eigenen Verluste erlitten. Da haben sich also zwei für eine glückliche Zukunft gefunden. Said no one ever.

Glücksgefühle löst allerdings bis heute die Soundkulisse aus. Max kommentiert den Spielfortschritt - auch in den in Deutschland verkauften Versionen - mit dem knorrigen Bass von Sprecher James McCaffrey. Auf Englisch. Eine deutsche Version gab es nie. Warum das nicht schlimm ist, wird klar, wenn man McCaffrey hört, wie er Max Paynes Geschichte erzählt:

Diese sonore, manchmal etwas dick aufgetragene aber immer stimmungsvolle Präsentation war stilbildend für die späteren Teile. Wo die Reise hingehen würde, war aber bereits nach den ersten Worten von Max klar: "They were all dead. The final gunshot was an exclamation mark to everything that had led to this point. I released my finger from the trigger. And then it was over." Darauf eine Dose Pain Killers.