Kreis Paderborn

Eingeschränkte Betriebszeiten von Borchener Windrädern werfen Fragen auf

Beim umstrittenen Bau von vier Windkraftanlagen in Etteln fordert Landrat Manfred Müller endlich Klarheit. Der Kreis Paderborn stellt Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster.

Der Bau der neuen Windkraftanlagen bei Etteln bleibt auch nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden umstritten. Die Investoren müssen mit viel Gegenwind leben. | © Wilfried Hiegemann

15.01.2020 | 15.01.2020, 06:15

Kreis Paderborn. Als bitteren Tag für den Artenschutz bezeichnete Landrat Manfred Müller Ende Dezember das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) in Minden bezüglich des Baus von vier Windräder in Etteln. Laut Gerichtsurteil dürfen diese über 200 Meter hohen Windenergieanlagen gebaut werden, die Betriebszeiten seien aber zum Schutz des Rotmilans stark eingeschränkt. Die Begründung des Urteils lieferte das Verwaltungsgericht Anfang Januar nach. Zudem hat das VG Minden gegen seine Urteile keine Berufung zugelassen und den Kreis Paderborn verpflichtet, die beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Windräder zu erteilen. Doch dagegen wehrt sich nun der Landrat. Der Kreis Paderborn sieht noch viele offene Fragen und wird deshalb einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster stellen.

Das VG Minden kam zum Ergebnis, dass durch die seitens des Investors Westfalenwind in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagenen, weit reichenden Abschaltungen sowohl das Brutplatz- als auch Schlafplatzgeschehen ausreichend Berücksichtigung fänden. Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände stünden somit den geplanten Windrädern nicht entgegen. Vom 1. März bis einschließlich 31. Juli sind die Windräder tagsüber abzuschalten. Und vom 1. August bis Ende Oktober dürfen sie nicht in den Zeiten der Morgen- und Abenddämmerung betrieben werden.

Wird Artenschutz zur Nebensache?

Für den Kreis Paderborn werfen die erstinstanzlichen Entscheidungen jedoch auch grundsätzliche Fragen auf: Kann der Artenschutz im Ergebnis künftig zur Nebensache werden, wenn Windräder nur lange genug abgeschaltet werden? Ist ein solcher Eingriff in die Landschaft noch verhältnismäßig, wenn Windräder monatelang tagsüber still stehen und in dieser Zeit keinen Strom erzeugen? Und wie viel Wind darf es denn noch sein, damit die im Baugesetzbuch festgesetzte Privilegierung von Außenanlagen auch für Windräder weiter greift? Der Kreis Paderborn will Antworten.

„Wenn solche Teilzeitgenehmigen für Windräder kommen oder von Gerichten gut geheißen werden, müssen wir mit einer Flut weiterer Genehmigungsanträge rechnen", sagt Landrat Manfred Müller in einer Pressemitteilung. Die auch in Paderborn befürwortete und weithin sichtbare Energiewende dürfe die Menschen nicht überfordern. „Wenn überall in der Landschaft künftig still stehende Windräder rumstehen, ist das ein riesiges Ärgernis für weite Teile der Bevölkerung und gefährdet die grundsätzliche Akzeptanz von Windkraft", so der Landrat.

Urteil gefährdet die Akzeptanz von Windkraft

1997 wurde die so genannte Privilegierung der Windenergie-Nutzung eingeführt. Das heißt, dass Windkraftanlagen im Außenbereich grundsätzlich zulässig sind, weil sie der Erzeugung von regenerativen Energien dienen. "Wenn nun wie in Etteln massive Betriebsbeschränkungen dazu führen, dass die Jahresleistung von Windrädern deutlich sinkt, stellt sich für mich die Frage, ab wann die Privilegierung nicht mehr greift. Bislang gibt es hierzu keinerlei Rechtsprechung. Hier will ich Klarheit. Auch deshalb möchten wir die Entscheidung des VG Minden gerichtlich überprüfen lassen", betont der Landrat.

Mit der Ausweisung von so genannten Windkonzentrationszonen in Flächennutzungsplänen können Städte und Gemeinden den Bau von Windkraftanlagen räumlich steuern. Aber weder die Ausschlusswirkung des Sachlichen Teilnutzungsplans vom 25. Juni 2019 noch die 8. oder 23. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Borchen würden dem Vorhaben entgegenstehen, so das Verwaltungsgericht. Die Planung des Teilnutzungsplans weise erhebliche und beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang auf. Es mangele an einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept für die Ausweisung von Windkonzentrationszonen, so das Urteil. „Auch hier wünsche ich mir Klarheit von Gerichten und vom Gesetzgeber. Wenn Kommunen mit ihren Plänen regelmäßig vor Gericht scheitern, auch wenn sie diese von renommierten und spezialisierten Fachbüros erstellen lassen, muss nachgesteuert werden", fordert der Landrat.

INFORMATION


84 Anlagen in Planung

Der Kreis Paderborn ist Genehmigungsbehörde für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Meter. Für diese Anlagen wird ein Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durchgeführt. Je nach Standort und je nach Anzahl wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unter Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachbehörden durchgeführt. Der Antragsteller muss in einem solchen Verfahren ein umfangreiches Paket an Unterlagen einreichen. Zu prüfen sind beispielsweise Lärm, Schattenwurf oder auch Standfestigkeit der Anlagen. Darüber hinaus sind artenschutzrechtliche Fachbeiträge und UVP-Berichte vorzulegen. Dazu sind in der Regel weitere Sachverständigengutachten erforderlich. Erfüllt der Antragsteller alle rechtlichen Voraussetzungen, hat er einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung.

Derzeit drehen sich 514 Windräder im Kreis Paderborn. 30 weitere Anlagen sind genehmigt, 84 in Planung. In der Gemeinde Borchen sind 51 Windräder in Betrieb. Eine Anlage ist genehmigt, weitere 26 (darunter die vier Anlagen in Etteln) sind in Planung.