Windkraft-Boom im Kreis Höxter: Mehr Genehmigungen als in Bayern

Kreis Höxter. Je nach Perspektive sind die Zahlen berauschend oder erschreckend: Allein im Kreis Höxter wurden in diesem Jahr bereits deutlich mehr Windräder genehmigt als in ganz Bayern. Nimmt man den Kreis Paderborn dazu und blickt damit aufs ganze Hochstift, sind es sogar mehr als doppelt so viele. In absoluten Zahlen: Im Kreis Höxter wurden 2024 bisher genau 100 Anlagen genehmigt, im Nachbarkreis Paderborn 47 – im kompletten Freistaat sind es bisher nur 71 Genehmigungen. Dabei ist Bayern fast 29 Mal so groß. Diese und noch viel mehr Zahlen präsentierte Jürgen Quentin von der Fachagentur Wind und Solar bei den Windenergietagen in Bad Driburg. Die Branche feiert den Boom. Genehmigungen erreichen in NRW einen neuen Rekord &bdquo;Noch nie in der bundesdeutschen Geschichte wurde in einem Jahr nur annähernd so viel Windenergieleistung genehmigt wie in diesem Jahr in NRW – dabei ist das Jahr noch nicht zu Ende.“ Größten Anteil an diesem Rekord hat das Hochstift – mehr als 25 Prozent der insgesamt 550 Anlagen in NRW wurden hier genehmigt. Lesen Sie auch: Landrat warnt vor massiven Veränderungen durch Windkraft im Kreis Höxter Der Boom ist mit Blick auf die dringend notwendige Energiewende politisch gewollt. Entsprechend gab es Lob vom Vorsitzenden des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), Hans-Josef Vogel. Die Windenergie sorge in unsicheren Zeiten für ein Wirtschaftswachstum. Das gelte besonders für Ostwestfalen, wie LEE-Sprecher Ralf Köpke mit Verweis auf das Milliarden-Vorhaben von Westfalen-Weser Energie in Kooperation mit dem Projektierer LSF Energy (Bad Lippspringe). Die Partner haben sich das Ziel gesetzt, bis 2027 etwa 120 Windräder im Raum Höxter, Paderborn und Lippe zu bauen und zu betreiben. Branche sieht kein Wildwuchs-Problem bei Windrädern Der Boom hatte in jüngster Zeit im Kreis Höxter aber auch zu großer Sorge und Verunsicherung geführt, vor allem weil in einigen Bereichen, insbesondere in Marienmünster und Borgentreich, ein völlig ungeregelter Wildwuchs an Anlagen droht – auch dort, wo sie weder von der Kommune noch vom künftigen Regionalplan vorgesehen sind. Vogel lässt durchblicken, dass er die Schuld daran bei den Städten selbst sieht. &bdquo;Im Kern ist es selbstverursacht, weil einige das Thema Flächennutzungspläne unterschätzt haben“, so der LEE-Chef. Tatsächlich hatten Borgentreich und Marienmünster auf Expertenrat hin im letzten Moment die Aufstellung eigener Wind-Flächennutzungspläne Ende 2023 gestoppt. Lesen Sie auch: Städte im Kreis Höxter schlagen Alarm: Windkraftausbau völlig unkontrolliert Windkraft-Lobbyist Vogel hofft einerseits, dass die Aufstellung der Regionalpläne mit den Windflächenausweisungen jetzt schnell abgeschlossen werde, und weist andererseits darauf hin, dass von Wildwuchs keine Rede sein könne. Der Kreis Höxter müsse in diesen Fällen jetzt nur für jede einzelne Windkraft argumentiert werden, warum sie zurückgestellt oder abgelehnt wird. &bdquo;Das wird eine lange Strecke sein“, prognostizierte er. Denn anders als in den im Regionalplan ausgewiesenen Flächen müssten alle rechtlichen Belange einzeln geprüft werden. Goeken hält Handeln im Kreis Höxter für &bdquo;moralisch verwerflich Darauf verweist auch der heimische Unions-Landtagsabgeordnete Matthias Goeken, der mit einer größeren CDU-Landtagsdelegation gekommen war. Selbst wenn es rechtlich möglich sei, hält er es für moralisch verwerflich, dass im Kreis Höxter im Moment an so vielen Stellen Anträge für Windkraftanlagen gestellt werden, wo sie aus kommunaler und landesplanerischer Sicht nicht gewünscht sind. Lesen Sie auch: Windkraftausbau: Lebensgrundlagen im Kreis Höxter werden zerstört Das habe die CDU auf den Windenergietagen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. &bdquo;Die Planungshoheit der Kommune ist für mich eines der heiligsten Rechte“, so Goeken im &bdquo;NW“-Gespräch. Er hoffe, dass eine neue Bundesregierung dies auch stärkt. Lösungsansätze gegen unkontrollierten Windkraft-Ausbau Das Thema unkontrollierter Ausbau war auch ein viel besprochenes Thema beim Branchentreff – auch wenn es dort genau von gegenteiliger Seite diskutiert wurde. Professor Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, erklärte mit Blick nach Berlin, er &bdquo;sei sich nicht sicher, ob wir nicht doch noch eine Überraschung sehen, weil sich eine schwarz-rot-grüne Koalition bildet, die eine Lösung findet.“ Zum Beispiel, in dem man bundesrechtlich Zurückstellungen zulässt. Und er weist auf eine andere Möglichkeit hin – nämlich, dass die derzeitige allgemeine Privilegierung von Windkraftanlagen in dem Moment nicht mehr gilt, wenn das Flächenziel erreicht ist. &bdquo;Jetzt könnte man auf die Idee kommen, zu sagen, ich nehme nicht nur bestehende Anlagen, sondern auch genehmigte Anlagen und rechne sie schon zum Flächenziel hinzu. Das wäre so eine kreative Idee, wie man das Problem lösen könnte.“ Gegenwind für Höxters Landrat Michael Stickeln Der Kreis Höxter hat seine politischen Vorgaben in Sachen Windkraft erfüllt, wenn 7.100 Hektar Fläche für Windräder zur Verfügung stellt. Das dürfte ziemlich schnell erreicht sein. Dass die Städte und Kommunen davon finanziell in besonderer Weise profitieren, ist bisher nicht zu erwarten. Mehrfach hatte Landrat Michael Stickeln diesbezüglich nach Düsseldorf geschrieben und gefordert, die energiepolitischen Leistungen des ländlichen Raums bei der Festlegung der finanzkraftunabhängigen Pauschalen oder durch eine Modifizierung bei den Sonderbedarfszuweisungen zu berücksichtigen. Lesen Sie auch: Kreis Höxter soll Hauptlast beim Windkraftausbau tragen &bdquo;Der Landrat kann sich solche Schreiben sparen, das wird nicht kommen“, hieß es dazu auf den Fluren im Gräflichen Parkhotel, wo sich auch zahlreiche Unternehmen der Branche den 300 Tagungsteilnehmern präsentierten. Es würde von der CDU in Düsseldorf abgelehnt. Das würde der CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Goeken so nicht unterschreiben. &bdquo;Dass wir einen Ausgleich für die Flächen haben möchten, kann man sicherlich verstehen. Dass das irgendwo beraten und abgelehnt wurde, kann ich nicht bestätigen. Wir sind im Diskussionsprozess“, erklärte Goeken gegenüber der &bdquo;NW“. Wie die Bürger von Windkraft profitieren können Profitieren könnten aber Bürger, wenn sie selbst investieren. Das von der NRW-Landesregierung vor einem Jahr beschlossene Bürgerbeteiligungsgesetz wirke positiv, berichtet Catharina Hoff, Vorständin der Bürgerenergiegenossenschaft Bürgerwind Westfalen mit Sitz in Paderborn. &bdquo;Damit sind wirklich alle Betreiber gefordert, etwas für die Bevölkerung vor Ort zu tun“, so Hoff. Das führe zur Akzeptanzsteigerung vor Ort. Bei Genossenschaftsmodellen wie bei Bürgerwind Westfalen könnten sich auch schon Bürger mit vergleichsweise wenig Kapital beteiligen – ab 500 Euro. Die meisten Genossenschaftsmitglieder würden jedoch zwischen 5.000 und 50.000 Euro investieren. Rund 2.000 Mitglieder hat die Paderborner Bürgerenergiegenossenschaft. Das Interesse sei sehr groß, berichtet Hoff. Obwohl vor Ort umstritten, seien die drei Millionen Euro für das jüngste Projekt in kürzester Zeit eingeworben gewesen. Deshalb nimmt die Genossenschaft, die mit rund 40 Millionen Euro Anlagevermögen zu den größten landesweit zählt, im Moment keine neuen Mitglieder auf.

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