Paderborn. Besuche in der Paderborner Home Deluxe Arena werden so langsam vergnügungssteuerpflichtig. Erst gab's ein 5:0 gegen Karlsruhe, dann ein 4:2 gegen Hannover. Und im dritten Heimspiel der Saison legte der SC Paderborn in Sachen Unterhaltungswert sogar noch zwei, drei Schippen drauf. So verteidigte das Team von Trainer Lukas Kwasniok am Samstag mit einem spektakulären 7:2 (5:2)-Erfolg gegen Holstein Kiel seine Tabellenführung.
SCP-Coach Lukas Kwasniok hatte sich für eine Startelf-Änderung entschieden. Stürmer Sirlord Conteh stand im fünften Zweitliga-Saisonspiel erstmals nicht in der Anfangsformation. Für ihn kehrte Robert Leipertz in die erste Elf zurück. Der 20er-Kader blieb unterdessen komplett unverändert.
Beide Trainer hatten vor der Partie ein "unterhaltsames Spiel" prognostiziert. Doch das sollte sich als glatte Untertreibung erweisen. Denn was den 9.641 Zuschauern im Stadion in den ersten 45 Minuten geboten wurde, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Von Beginn an entwickelte sich ein schier unfassbarer offener Schlagabtausch, der unzählige Highlights zu bieten hatte.
Höhepunkt Nummer eins gab's in der fünften Minute. Nach einer SCP-Ecke ging Leipertz am Fünfer zu Boden. Schiedsrichter Florian Exner ließ zunächst weiterspielen, erhielt aber schon Sekunden später einen Hinweis des Video-Assistant-Referees. Kiels Stürmer Benedikt Pichler hatte den Paderborner mit dem Fuß am Kopf erwischt. Und Exner zeigte auf den Elfmeterpunkt.
Harte Entscheidung führt zum 1:0
Es war eine harte Entscheidung, denn Leipertz' Kopf war recht tief, während Pichlers Bein nicht sonderlich hoch gewesen war. Florent Muslija war das herzlich egal. Er ließ Holstein-Keeper Thomas Dähne nicht den Hauch einer Chance und erzielte mit seinem dritten Saisontreffer das 1:0 (7.).
Die Antwort der Gäste ließ nicht lange auf sich warten. Steven Skrzybski ging im gegnerischen Strafraum im Duell gegen Leipertz zunächst zu Boden, stand aber schnell auf und flankte in die Mitte. Und dort bugsierte Teamkollege Julian Korb das Leder mit dem rechten Knie ins Netz. Der Treffer wurde zwar noch vom VAR wegen eines möglichen Handspiels gecheckt, doch das 1:1 (9.) zählte.
Doch weitere vier Minuten später stand es 2:1 für die Hausherren. Julian Justvan schnappte sich in halblinker Position den Ball, hatte zu viel Platz, zog nach innen und netzte mit seinem schwächeren rechten Fuß aus 13 Metern ein. Sein Schuss wurde dabei von Patrick Erras unhaltbar abgefälscht.
Unfreiwilliger Doppelpass - und es steht 3:1
Kiel antwortete mit wütenden Angriffen, kassierte jedoch das 1:3. Raphael Obermair spielte einen unfreiwilligen Doppelpass mit Holstein-Akteur Philipp Sander, stand plötzlich frei vorm Tor, behielt die Nerven und markierte seinen ersten Zweitliga-Treffer (25.).
Keine 120 Sekunden später verpasste Alexander Mühling mit einer Direktabnahme aus vier Metern nur hauchdünn das 2:3. Stattdessen schlug der SCP erneut zu. Nach einem haarsträubenden Kieler Ballverlust fuhren die Hausherren einen Konter aus dem Lehrbuch. Marvin Pieringer und Ron Schallenberg spielten einen sensationellen Doppelpass. Pieringer passte auf Felix Platte, der das Leder zum 4:1 (29.) über die Linie schob.
Die Kieler Defensive war heillos überfordert. Vor allem Justvan und Obermair konnten auf der linken Seite nach Herzenslust kombinieren. Das Duo initiierte auch das 5:1 in Minute 38. Justvan bediente Obermair. Dieser flankte auf den langen Pfosten, wo der freistehende Platte per Kopf seinen sechsten Saisontreffer erzielte.
In der 43. Minute leistete sich SCP-Verteidiger Jannis Heuer eine zu kurze Kopfballrückgabe, die fast bestraft worden wäre. Doch Torwart Jannik Huth verhinderte gegen Pichler das 2:5, das dann aber in der Nachspielzeit der ersten Hälfte fallen sollte. Ein verdeckter 17-Meter-Schuss von Skrzybski landete im Anschluss an eine Ecke im Netz.
Es hätte zu einer atemberaubenden ersten Hälfte gepasst, wenn auf der Gegenseite anschließend auch noch der spektakuläre Seitfallzieher von Marvin Pieringer im Netz gelandet war. Doch dann war erst einmal Pause. Und die Zuschauer konnten ein wenig durchatmen.
Nach Wiederanpfiff geht es weiter
17 Sekunden nach Wiederbeginn zappelte das Leder schon wieder im Kieler Gehäuse, doch Pieringer hatte bei seinem Drehschuss zum vermeintlichen 6:2 knapp im Abseits gestanden. Der SCP-Neuzugang musste sich aber nicht lange grämen. In der 52. Minute wurde er von Schallenberg auf die Reise geschickt. Und Pieringer schoss eiskalt zum 6:2 ins kurze Eck.
Es war ein Treffer, der die zarten Kieler Hoffnungen auf ein Comeback zerstörte. Zwar mühten sich die Gäste weiter nach Kräften. Doch der SCP hatte nun auch defensiv fast alles im Griff. In der 64. Minute hatte Paderborns bärenstarkes Sturmduo Feierabend. Platte und Pieringer verließen unter dem tosenden Applaus der Fans das Spielfeld.
Sirlord Conteh und Dennis Srbeny kamen in die Partie und hatten prompt Chancen zum 7:2. So köpfte Srbeny nach Leipertz-Maßflanke nur knapp neben das Tor (69.). Und ein Muslija-Steilpass auf Conteh geriet nur einen Hauch zu lang (71.). Doch ein Co-Produktion zweier Joker führte schließlich zum nächsten traumhaft schönen Treffer. Nach erstklassiger Vorarbeit des gerade erst eingewechselten Jonas Carls erzielte Srbeny das 7:2 (80.). So viele SCP-Treffer hatte es in einem SCP-Heimspiel noch nie gegeben.
Huth pariert Strafstoß kurz vor Schluss
Es passte zu einem perfekten Paderborner Fußball-Nachmittag, dass Huth anschließend einen Strafstoß parierte. Carls hatte Jann-Fiete Arp umklammert und zu Fall gebracht, Schiedsrichter Exner auf den Punkt gezeigt. Doch Paderborns Keeper hielt den Elfmeter von Alexander Mühling (84.).
Es war das letzte von vielen Highlights einer denkwürdigen Partie. In dieser Verfassung ist dem SCP in dieser Saison alles zuzutrauen. Die nächste Aufgabe hat es allerdings in sich. So geht's am kommenden Samstag, 27. August, mit dem Gastspiel beim FC St. Pauli (13 Uhr) weiter. Dann könnte es am altehrwürdigen Millerntor das nächste Spektakel geben.
Hier gibt es das Spiel zum Nachlesen im Live-Ticker:
INFORMATION
SC Paderborn - Holstein Kiel 7:2 (5:2)
Paderborn: Huth - Heuer, van der Werff, Hoffmeier - Schallenberg - Leipertz (83. Tachie), Muslija (76. Schuster), Justvan, Obermair (76. Carls) - Pieringer (64. Conteh), Platte (64. Srbeny).
Kiel: Dähne - Schulz (61. Ignjovski), Erras, Becker - Sander (46. van den Bergh) - Korb, Mühling, Porath (42. Arp), Reese (61. Bartels) - Pichler, Skrzybski (75. Wriedt).
Schiedsrichter: Florian Exner (Münster)
Tore: 1:0 Muslija (7., Foulelfmeter), 1:1 Korb (10.), 2:1 Justvan (13.), 3:1 Obermair (25.), 4:1 Platte (29.), 5:1 Platte (38.), 5:2 Skrzybski (45.+1), 6:2 Pieringer (52.), 7:2 Srbeny (80.)
Zuschauer: 9.641
Beste Spieler: Schallenberg, Platte, Justvan, Pieringer - Mühling
Gelbe Karten: Carls - Pichler, Sander (2), Erras, Arp (3)
Besonderes Vorkommnis: Huth (Paderborn) hält Foulelfmeter von Mühling (84.)
Statistik: 17:14 Torschüsse, 85:81 Prozent Passquote, 50:50 Prozent Ballbesitz, 59:41 Prozent Zweikämpfe, 2:9 Ecken, 117:113 Kilometer Laufdistanz.