Bielefeld. Es ist der 4. Advent und Weihnachten steht vor der Tür. Einige Häuser sind weihnachtlich verziert. Auch in einem Mehrfamilienhaus an der Bremer Straße in der Nähe des Bielefelder Nordparks blinkt eine bunte Lichterkette. Was bisher niemand ahnt: Der Streit um diese Lichterkette eskaliert und endet mit dem Tod der jungen Frau.
Am 22. Dezember 2019 klingelt Uwe M. (59, alle Namen geändert) bei seiner Nachbarin Stefanie K. (34). Er beschwert sich zum wiederholten Male über ihre blinkende Lichterkette und fordert sie auf, diese auszuschalten. Die Frau ignoriert sein Anliegen. Sie nimmt den ständig unzufriedenen Nachbarn nicht ernst. Gegen 23.30 Uhr klingelt es erneut an ihrer Haustür. Sie öffnet die Tür – das letzte Mal in ihrem Leben. Später findet der Lebenspartner von Stefanie K. ihre Leiche in der Wohnung.
In der neuen Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, spricht Moderatorin Birgitt Gottwald mit dem Bielefelder Strafverteidiger Torsten Giesecke über die Tat, den unfassbaren Tod von Stefanie K., ausgelöst durch einen Nachbarschaftsstreit um eine blinkende Lichterkette.
Der „Lichterketten-Mord“ in Bielefeld – der Fall im Überblick
- Ein Nachbarschaftsstreit um eine blinkende Lichterkette führt zum Äußersten.
- Uwe M. erwürgt seine Nachbarin Stefanie K.
- Die Tat ereignet sich am 22. Dezember 2019 in ihrer Bielefelder Wohnung.
- Im Vorfeld der Tat kam es bereits zu anderen Auseinandersetzungen zwischen den Nachbarn.
- Vor Gericht wird Uwe M. aufgrund seiner psychischen Erkrankung als schuldunfähig eingestuft.
- Uwe M. wird in die forensische Klinik Lippstadt-Eickelborn eingewiesen.
- Bereits 2008 hatte ihn ein Gericht zu 9 Monaten auf Bewährung verurteilt, nachdem er eine Frau bedroht und eine andere verletzt hatte.
Das geschah am Abend des 4. Advents in Bielefeld
Uwe M. fühlt sich durch die blinkenden Lichter seiner Nachbarin Stefanie K. massiv gestört und provoziert. Er hat sie bereits mehrmals darauf angesprochen, dass sie das Blinken abstellen soll. K. ignoriert sein Anliegen.
So kommt es am Abend des 22. Dezember zu einem Streitgespräch zwischen den beiden Bewohnern. Im Anschluss telefoniert K. mit ihrem Freund, schildert ihm die Situation und sagt, dass M. „einen an der Mütze hat.“ Gegen 23.30 Uhr klingelt M. erneut an der Tür seiner Nachbarin.
Nach einem hitzigen Gespräch packt der 59-Jährige seine Nachbarin am Hals und drängt sie in die Wohnung. Er schubst die Frau auf das Sofa und beginnt sie zu würgen. K. wehrt sich heftig, kann sich allerdings nicht befreien, da ihr Nachbar ihr körperlich überlegen ist. Nach einigen Minuten bricht M. ihr das Zungenbein – Stefanie K. ist tot.
Täter drapiert die Leiche in Richtung Lichterkette
Nach der Tat schaltet der Nachbar die ungeliebte Lichterkette aus und verlässt die Wohnung. Später kehrt er noch einmal zurück. Anstatt seinen ersten Plan zu verfolgen, die Leiche in Müllsäcke zu packen, drapiert er die Leiche seiner Nachbarin in Richtung der Lichterkette. Dann verlässt er die Wohnung.
Die Mordkommission nimmt schon bald die Ermittlungen auf. Schnell steht der Nachbar im Verdacht. Bei der Durchsuchung seines Autos findet die Spurensicherung eine Jacke, ein Paar Stiefel, einen Ohrring von K. und blutverschmierte Müllsäcke. M. rückt damit endgültig als Hauptverdächtiger in den Fokus der Polizei. Am 25. Dezember wird er in der Wohnung seiner Mutter festgenommen, mit der er jedes Jahr Weihnachten feiert.
Jahrelang schon Auseinandersetzungen und Streitereien
Wie sich im Verlauf der Ermittlungen herausstellt, gab es im Vorfeld der Tat wohl immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Stefanie K. und Uwe M. – beide wohnen in einem großen Mehrfamilienhaus in der Nähe des Bielefelder Nordparks. M. wohnt schon seit 2003 dort. Seine Nachbarin zieht später in die Wohnung nebenan – inzwischen bereits vier bis fünf Jahre. Beide Wohnungen haben verglaste Erker mit Blick in Richtung Nordparkcenter, sie grenzen direkt aneinander.
In dem Erker von Stefanie K. ist die blinkende Lichterkette aufgehängt, die M. in seiner Wohnung wahrnimmt und die ihn provoziert. Im Vorjahr hatte seine Nachbarin dort einen leuchtenden Weihnachtsbaum aufgestellt – auch das sorgte bereits für Ärger zwischen den Nachbarn. Außerdem liegt vor ihrer Wohnungstür eine Fußmatte mit der Aufschrift „Oh no – not you again“. Auch diesen Spruch bezog M. auf sich, fühlte sich davon angesprochen. Außerdem beschwerte sich M. immer wieder über K.s bellenden Hund und ihre Musik. Aus Wut wird bei ihm Wahn.
Aber auch die 34-jährige Bielefelderin fühlt sich durch ihren Nachbarn gestört. Dieser war zu später Stunde sehr aktiv und sorgte für viel Gepolter in der Nacht. K. wendet sich daraufhin schriftlich an die Hausverwaltung. Doch damit wird der Streit noch weiter befeuert, denn die Hausverwaltung leitet den Brief von Stefanie K. mit der Bitte um Stellungnahme an ihren Nachbarn weiter.
Bereits vor der Tat wird Uwe M. wegen anderer Taten verurteilt
Die Kripo bekommt heraus, dass sich Uwe M. bereits 2008, also elf Jahre vor dem Mord an Stefanie K., vor dem Landgericht verantworten musste. M. hatte damals eine junge Frau, die sich einmal in der Woche ehrenamtlich zu Gesprächen mit ihm traf, körperlich angegangen. Was hatte ihn so wütend gemacht? Eine Terminverschiebung seitens der Betreuerin.
Noch mehr True Crime: Unsere Ostwestfälle-Übersichtsseite
Nach mehreren gescheiterten Anrufen bei der Betreuerin machte sich Uwe M. damals auf den Weg zu ihr, um sie zu konfrontieren. Dabei bedrohte er sie mit einem Messer, indem er es ihr vor das Gesicht hielt. Als ein Zeuge schützend eingriff, stürzten sowohl er als auch M. zu Boden.
Die bedrohte Frau nutze den Moment und versuchte zu fliehen, doch M. rannte ihr hinterher. Als sich auch andere Zeugen in den Weg stellten, trat er einer Frau so heftig vor den Brustkorb, dass diese stürzte und sich das Handgelenk brach. Das Landgericht verurteilte Uwe M. 2009 zu neun Monaten auf Bewährung.
Täter aufgrund seiner psychischen Krankheit in ärztlicher Behandlung
Bereits seit seiner Jugend ist Uwe M. aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie medikamentös eingestellt. Sein Abitur hat er geschafft. Das Studium der Medizinwissenschaft, das er im Rheinland beginnt, muss er aufgrund seiner Erkrankung abbrechen.
Seine Erkrankung äußerte sich vor allem durch ein gestörtes Verhältnis zu Menschen. „Wenn man mit ihm spricht, dann merkt man eine fehlende Empathie“, erzählt Strafverteidiger Torsten Giesecke im „OstwestFälle“-Podcast. Er hat Uwe M. im Prozess verteidigt.
Erstes Gutachten stellt Schuldfähigkeit von Uwe M. fest
Ein halbes Jahr nach der Tat, am 16. Juni 2020, startet der Prozess vor dem Bielefelder Landgericht. Es gibt ein erstes Gutachten, das zunächst die Schuldfähigkeit von M. feststellen soll. Seinem Strafverteidiger Torsten Giesecke ist es wichtig, dem Gericht einen Eindruck davon zu vermitteln, wie vermindert das Schuldbewusstsein seines Mandanten ist.
Lesen Sie dazu: Bielefelder tötet Nachbarin wegen Lichterkette: Sieben Jahre Haft gefordert
Und so lässt er den Täter von dem Tatabend erzählen. „Er hat in verstörenden, ruhigen und abgeklärt wirkenden Worten geschildert, wie er nach der Tat die Lichterkette ausgeschaltet und den Körper der Getöteten mit Blick auf die Lichter ausgerichtet hat – schließlich sei dies der Anlass des Geschehens gewesen“, berichtet damals NW-Gerichtsreporter Nils Middelhauve aus dem Gerichtssaal. Dann habe Uwe M. nach eigener Aussage vor Gericht eine „ruhige Nacht“ und zwei Tage später ein „unbeschwertes Weihnachtsfest“ verbracht.
Das Gericht stellt nach den Schilderungen fest, dass M. aufgrund seiner Krankheit strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Gutachter attestieren aber eine von ihm ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit und weisen ihn in die forensische Klinik Lippstadt-Eickelborn ein. Dort wird versucht, M. durch eine Langzeit-Therapie medikamentös einzustellen.
Das Urteil: Nachbarin erwürgt: Bielefelder Angeklagter muss in die Psychiatrie