OWL Crime – mit Podcast

Sexualverbrechen im Seniorenheim: Der brutale Todesfall von Herford

Die Vergewaltigungen in einem Herforder Seniorenheim 2002 und 2003 schockieren. Der Täter geht kaltblütig vor, eine Frau stirbt. Die Spur führt schließlich zum 20-jährigen Torben T.

Das zweite Opfer ist nach der brutalen Vergewaltigung in einem Herforder Seniorenheim ist an den Folgen der Verletzungen gestorben. | © picture alliance / dpa

27.03.2025 | 27.03.2025, 12:58

Herford. Es ist der 5. März 2003, Polizisten klingeln an der Tür von Torben T. (alle Namen geändert). Der 20-Jährige ist einer von rund 3.200 Männern, die in diesen Tagen eine Speichelprobe abgeben – angesichts eines der gravierendsten Verbrechen der bundesdeutschen Kriminalgeschichte haben die Ermittler einen Massen-DNA-Test in Herford angeordnet.

Es geht um Ermittlungen in zwei Fällen, in denen Frauen in einer Senioreneinrichtung Opfer von Sexualverbrechen geworden sind. Eines der Opfer – die 94-jährige Katharina K. – wird von dem bis dato noch unbekannten Täter in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar so schwer verletzt, dass sie stirbt.

In „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Birgitt Gottwald und „NW“-Redakteur Jobst Lüdeking über diesen brutalen Fall. Im Podcast wird aufgedeckt, wie es der Täter trotz erhöhter Sicherheitsvorkehrungen auf das Gelände geschafft hat, was sein Motiv ist und wie der Täter überführt wird.

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Vergewaltigung im Herforder Seniorenheim – Alle Fakten im Überblick

  • Im Dezember 2002 wird eine 86-jährige Bewohnerin eines Seniorenheims in Herford missbraucht.
  • Im Januar 2003 stirbt eine 94-jährige Bewohnerin desselben Seniorenheims an den Folgen einer weiteren Vergewaltigung durch denselben unbekannten Täter.
  • Nach dem ersten Vorfall werden Sicherheitsmaßnahmen getroffen, trotzdem gelingt es dem Täter erneut, in das Heim einzudringen.
  • Nachdem die polizeilichen Ermittlungen ins Stocken geraten, wird ein Massengentest mit 3.200 Männern durchgeführt, um den Serientäter zu finden.
  • Durch den Gentest wird der 20-jährige Torben T. identifiziert, der sich ohne Widerstand festnehmen lässt.

Das Sexualverbrechen im Herforder Seniorenheim beginnt am 7. Dezember 2002. Das erste Opfer ist eine 86-jährige Frau. Ihre Hilfeschreie dringen aber nicht nach außen. Die 86-Jährige wird missbraucht und misshandelt, überlebt jedoch.

Das Opfer steht unter Schock und kann der Polizei daher nicht viele Angaben zu dem Täter liefern. Die Senioreneinrichtung reagiert nach der Tat im Dezember entschlossen: Teile des Geländes werden mit besonders scharfkantigen und schwer zu überwindenden NATO-Draht abgesperrt. Außerdem patrouilliert ein Wachdienst. Die Mitarbeitenden des Seniorenheims sind jetzt besonders wachsam.

Zeugin entdeckt den Täter – Phantombild entsteht

Die Polizei geht tatsächlich davon aus, dass der Täter zurückkehren könnte – und die Ermittler haben recht. Trotz der Sicherheitsvorkehrungen schafft es ein junger Mann in der Neujahrsnacht erneut, das Gelände zu betreten. Aber diesmal bleibt der junge Mann nicht unentdeckt. Eine Mitarbeiterin sieht ihn. Als sie den Mann anspricht, flieht der Unbekannte. Doch jetzt hat die Polizei eine Beschreibung des mutmaßlichen Täters, aus der ein Phantombild entsteht. Das Bild führt jedoch zu keinen weiteren Erkenntnissen. Die Angst bleibt.

Am Morgen des 18. Januar 2003 kommt die 20-köpfige Mordkommission unter Leitung des damaligen Kriminalhauptkommissars Jürgen Heinz an der Hansastraße zusammen. Eine Mitarbeiterin des Seniorenheims, in dem beide Opfer lebten, macht kurz vor 7 Uhr ihren Routine-Kontrollgang, geht in jedes Zimmer. Als sie die Tür zum Raum von Katharina K. öffnet, weiß sie intuitiv, dass hier ein Verbrechen passiert ist.

Zweites Opfer stirbt an Folgen der Vergewaltigung

Die Rentnerin ist tot. „Das Opfer wies schwere Verletzungen auf, nicht nur alle Rippen sind gebrochen. Einen Bruch der Wirbelsäule sowie schwere Verletzungen am Kopf, im Gesicht sowie im Schambereich diagnostizieren die Gerichtsmediziner aus Münster später“, sagt Jobst Lüdeking im Podcast. Die 94-Jährige ist an den Folgen der Vergewaltigung im Seniorenheim gestorben. Der Täter muss zugeschlagen haben, als der Wachdienst nicht mehr da war.

„Der Mann ist kaltblütig und äußerst brutal. Was ist das für ein Täter?“, fragt Birgitt Gottwald im Podcast. „Für die Ermittler steht schnell fest, dass es sich um einen Serientäter handelt, der noch einmal zuschlagen könnte“, sagt Lüdeking.

Der Herforder gilt als „freundlicher Einzelgänger“

Schulabschluss, eine erfolgreich absolvierte Ausbildung, eine Freundin. Nachbarn beschreiben Torben T. später als „freundlichen Einzelgänger“. In der Summe wirken die Lebensumstände des jungen Mannes, der daheim lebt, äußerlich normal. Den DNA-Test macht er freiwillig. Der 20-Jährige sieht an jenem Märztag, wie der Beamte das Wattestäbchen mit den Anhaftungen seiner Mundschleimhaut in das Glasröhrchen mit der Nummer 1.497 zurücksteckt. Ab jetzt, so weiß er, läuft die Zeit gegen ihn und für die 20-köpfige Mordkommission.

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Die Mordkommission (MK) hatte den bis dato größten Massengentest Herfords beschlossen. Rund 3.200 Männer wurden anhand der Beschreibung der Zeugin und weiterer definierter Kriterien wie Alter und Wohnort ausgewählt. Bereitschaftspolizisten unterstützten die Mordkommission bei den Haustür-Tests. „Ist das ungewöhnlich?“, fragt „OstwestFälle“-Moderatorin Birgitt Gottwald. „Eigentlich nicht“, antwortet Lüdeking. „Denn bis dahin waren alle Ermittlungen erfolglos. Man sah die Gefahr, dass der Täter noch mal zuschlagen könnte, wenn nicht in Herford, dann vielleicht in einem anderen Seniorenheim. Das war für die Ermittler eine tickende Zeitbombe.“

Der Massengentest führt endlich zum Täter

Drei Wochen nach dem Test erhält die Polizei den erlösenden Anruf. Eine Probe stimmt mit dem Gen-Material vom Tatort überein. Als die Beamten zum Haus von Torben T. fahren, steht er vor dem Haus. Ohne Widerstand lässt er sich festnehmen.

Noch in dieser Nacht legt er bei der Kripo ein Teilgeständnis ab. Er habe Drogen und Alkohol bei einem Diskobesuch konsumiert und dann den Entschluss gefasst, ins Altenheim einzubrechen. Seine Beschreibungen passen zunächst zu den Ergebnissen der Spurensicherung von der Kripo. Er berichtete, das Opfer habe sich zu der Zeit im Bad befunden. Dann behauptet T., er sei auf den Flur gelaufen, habe versucht, über andere Zimmer wieder zu flüchten, sei dann ins Apartment seines Opfers zurückgekehrt – eine Aussage, die sich mit den Spuren der Kripo deckt.

Am Ende landet der junge Herforder im Maßregelvollzug, also in der besonders gesicherten forensischen Klinik in Lippstadt-Eickelborn. - © Bernd Schäperkoetter
Am Ende landet der junge Herforder im Maßregelvollzug, also in der besonders gesicherten forensischen Klinik in Lippstadt-Eickelborn. | © Bernd Schäperkoetter

Das, was Torben T. dann zum Tode des Opfers erzählt, stimmt überhaupt nicht mit den Fakten überein“, erzählt Lüdeking. Er habe die Tür aufgerissen, sein Opfer am Kopf getroffen. Katharina K. sei gestürzt. „Danach will er versucht haben, die 94-Jährige wiederzubeleben“, erzählt der damals ermittelnde Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede aus der Vernehmung. Zunächst umfassen die Angaben des Beschuldigten 110 Seiten. Von der Vergewaltigung sagt T. nichts. Mutmaßlich aus Scham, so Oberstaatsanwalt Heidbrede.

Was trieb den Torben T. zur Tat in Herford?

Doch was hat Torben T., gegen den am nächsten Tag ein Richter Untersuchungshaft anordnet, zu der Tat getrieben? „Er hat gesagt, er wisse selbst nicht, wie es zu der Tat gekommen sei, er habe das Gefühl, dass er zwei Gesichter habe“, sagt sein Verteidiger Achim Depenbrock später. Seit dem 5. März, so sein Verteidiger, habe sich der 20-Jährige mit dem Gedanken getragen, sich zu stellen. Die MK beendet das dreiwöchige Gedankenspiel.

Was im Kopf des jungen Mannes vorgeht, können die Ermittler und später auch die Psychologen, die sich mit ihm befassten, nur erahnen. Im Prozess vor dem Landgericht erklären die renommierten Gutachter, dass es sich bei dem Herforder um einen psychisch gestörten und sexuell abartigen jungen Mann handelt, der mit gewalttätigem Sex gegen alte Frauen seinen Lebensfrust – dabei geht es unter anderem um frühere familiäre Probleme und eigene Missbrauchserfahrungen – ausglich: „Je schlimmer das Leben für ihn wurde, desto stärker wurden die Fantasien“.

Gutachter rätseln über die „sexuellen Gewaltfantasien“ von Torben T.

Aus Sicht der Gutachter ist damals aber unklar, ob die sexuellen Gewaltfantasien schon als „stabile Orientierung“ zu bewerten sind oder bei dem Angeklagten nur in Krisensituationen auftreten. Im Gericht entschuldigt sich Torben T. bei den Kindern der Getöteten. Handelt es sich um taktische oder echte Reue? Auch hier, so die beiden Gutachter, möchten sie nicht beurteilen, ob die „lückenhaften und widersprüchlichen Aussagen“ von T. „taktisches Verhalten“ oder eine „langsame Annäherung“ an die Taten offenbaren.

Das Landgericht Bielefeld verurteilt den inzwischen 21-Jährigen schließlich am 10. Februar 2004 wegen Vergewaltigung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Wegen seiner psychiatrischen Einschränkungen ordnet das Gericht zudem die Unterbringung an in einer forensischen Klinik für kranke Straftäter in Lippstadt-Eickelborn.