OWL-Crime – mit Podcast

Mordserie im Kreis Gütersloh: Diese Frauenmorde erschüttern die Region

Die Lebenswege dieser acht Frauen enden gewaltsam: Manche Kapitalverbrechen wurden aufgeklärt, andere werden als Cold Case von der Polizei weiter untersucht.

Moderatorin Brigitt Gottwald (li.) und Nicole Donath (re.), Redaktionsleiterin Haller Kreisblatt, bei der "OstwestFälle"-Live-Premiere, 19.11.2024 | © Sarah Jonek | © Sarah Jonek

Sevil Polat
09.01.2025 | 17.01.2025, 11:17

Gütersloh/Versmold/Halle/Steinhagen: Es handelt sich um Verbrechen, die die Menschen im nördlichen Kreis Gütersloh nicht loslassen: die Morde an Nelli Graf, Gabriele Obst, Marion S. und weiteren Frauen, die auf brutale Weise aus dem Leben gerissen werden. Nicole Donath, Redaktionsleiterin des „Haller Kreisblatts“, berichtet beim ersten „OstwestFälle“-Live-Event über die schrecklichen Geschehnisse, die die Städte und Gemeinden in den zurückliegenden drei Jahrzehnten erschüttern.

Ein besonders tragischer Fall wirkt bis heute nach: der Femizid an der elfjährigen Jennifer aus Versmold-Peckeloh. Die Schülerin verschwindet im Januar 1998 spurlos. Wenige Tage später wird ihre Leiche gefunden, und es stellt sich heraus: Der Stiefonkel hat sie zunächst missbraucht und dann getötet. Der Körper des Mädchens war übersät mit Blutergüssen, der Hals wies Wunden von Messerstichen auf. Nicole Donath spricht von einer Tat, die durch ihre unfassbare Brutalität bestürzt.

2013 erschüttert ein Kapitalverbrechen die Stadt Halle. Gabriele Obst, Zeitungsbotin für das „Haller Kreisblatt“, verschwindet auf ihrer morgendlichen Tour, der Fall scheint rätselhaft. Zehn Tage später findet man ihre Leiche – sie ist erschossen worden. Ihr Ehemann wird später wegen Totschlags verurteilt. Er soll sie am Morgen des 16. April 2013 während ihrer Zustelltour abgefangen, in ein Fahrzeug gezwungen und in ein nahe gelegenes Waldstück gebracht haben. Die letzten Meter müssen die beiden zu Fuß zurückgelegt haben, ehe er sie zwang, sich hinzuknien. Um sie dann aufzufordern, den Gewehrlauf in den Mund zu nehmen – und abzudrücken. Nicole Donath beschreibt die Tat mit den Worten: „Die Umstände ähneln einer Hinrichtung.“

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Über Gewaltverbrechen an Frauen, darunter auch die noch unaufgeklärten Cold Cases im nördlichen Kreis Gütersloh, sprechen Birgitt Gottwald und Nicole Donath, Redaktionsleiterin des „Haller Kreisblatts“, in der neuesten Ausgabe des True-Crime-Podcasts „OstwestFälle“ der „Neuen Westfälischen“. Und Donath thematisiert hier auch die ethischen Herausforderungen beim Teilen sensibler Informationen: „Einerseits haben wir den Anspruch und den Ehrgeiz, möglichst schnell viele Informationen zu sammeln. Zugleich hat der Schutz von Angehörigen aber höchste Priorität. Am Ende treten wir lieber einen Schritt zurück und stellen dafür sicher, dass sie durch die Polizei und nicht durch uns von einem schlimmen Unfall oder Verbrechen erfahren.“

Femizide im Kreis Gütersloh – die Fakten im Überblick:

  • Die Verbrechen an Nelli Graf, Gabriele Obst, Marion S. und anderen Frauen schockieren den nördlichen Kreis Gütersloh seit drei Jahrzehnten.
  • Im Jahr 2011 verschwindet die dreifache Mutter Nelli Graf spurlos. Trotz intensiver Ermittlungen bleibt der Fall bis heute ungelöst.
  • Der Mord an Gabriele Obst, einer Zeitungsbotin, löst 2013 in Halle tiefe Bestürzung aus. Während ihrer Zustellungstour wird sie von ihrem Ehemann abgefangen, in ein Waldgebiet gebracht und dort erschossen.
  • Durch Fortschritte in der DNA-Analyse wird die Aufarbeitung von Cold Cases möglich. So auch im Fall des Mordes an Martha Riewe aus Steinhagen, dessen Täter gestellt werden kann.
  • Im nördlichen Kreis Gütersloh werden in den vergangenen drei Jahrzehnten acht weibliche Opfer, darunter ein Mädchen, zu Opfern von Gewaltverbrechen.

Unaufgeklärter Mordfall Nelli Graf schockt Halle

Am Morgen des 14. Oktober 2011 verlässt Nelli Graf zu Fuß ihr Zuhause in Halle, um einen Arzttermin wahrzunehmen, und kehrt auch zu Fuß zurück. Anschließend bricht sie noch einmal auf.

Ihre persönlichen Gegenstände findet man später zu Hause, doch von ihr fehlt jede Spur, berichtet Nicole Donath. Am Nachmittag des 16. Oktobers 2011 entdeckt man ihr Fahrrad – der Reifen ist zerstochen, und das Rad liegt versteckt im Dickicht. Die Polizei geht davon aus, dass die Frau ihr Zuhause nicht freiwillig verlassen hat. Sie vermutet ein Kapitalverbrechen.

Die schlimmen Befürchtungen bestätigen sich dann am 9. Februar 2012, als ein Landwirt in einer Senke zwischen Feld und Wald bei Halle-Kölkebeck auf Nelli Grafs Leiche stößt. Die Umstände am Fundort offenbaren die Brutalität der Tat: Ihre Augen und ihr Mund sind mit Panzerband umwickelt, ihre Hände mit Kabelbindern gefesselt, und ihr Oberkörper weist Stichverletzungen auf. Außerdem hatte der Täter ihr postmortal, also nach ihrem Tod, noch die Kehle durchtrennt.

Trotz intensiver Ermittlungen und Massengentests an 6.900 Männern im Alter von 18 bis 60 Jahren aus Halle bleibt der Fall ungelöst. Am Panzerband werden zudem Fragmente einer weiblichen DNA gefunden, die jedoch nicht für eine Überführung eines Täters ausreichen. Der Ort, an dem die Leiche gefunden wird, legt nahe, dass der Täter mit der Gegend sehr vertraut sein muss. Die Ermittler schließen eine Beziehungstat allerdings mittlerweile aus und gehen von einem Fremdtäter aus. Der Mord an der dreifachen Mutter bleibt bis auf Weiteres ein ungeklärter Fall.

Der Leichenfundort von Nelli Graf. Bis heute ist der Mörder der 46-jährigen Mutter dreier Kinder nicht gefasst. I © Nicole Donath - © Nicole Donath
Der Leichenfundort von Nelli Graf. Bis heute ist der Mörder der 46-jährigen Mutter dreier Kinder nicht gefasst. I © Nicole Donath | © Nicole Donath

Lebenslange Haft für Mörder - Bundesgerichtshof prüft Revision

Steinhagen erlebt im Sommer 2023 ein schreckliches Verbrechen: Die 68-jährige Marion S. verschwindet am 5. Juli spurlos. Ihr Lebensgefährte alarmiert daraufhin die Polizei, die sofort eine Suchaktion einleitet. Elf Tage später finden Spaziergänger ihre Leiche in der Nähe von Halle-Kölkebeck. Ein DNA-Test bestätigt ihre Identität. Die Untersuchung ergibt, dass sie erdrosselt oder erwürgt worden ist.

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Ihr Noch-Ehemann, der mehrere Scheidungstermine am Amtsgericht Halle nicht wahrgenommen hat, gerät rasch in das Visier der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld erhebt am 23. Oktober 2023 Anklage wegen Mordes gegen ihn. Am 23. März des vergangenen Jahres verurteilt das Landgericht Bielefeld ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes. Der Verurteilte legt Revision ein. Das endgültige Urteil des Bundesgerichtshofs steht noch aus. Bis zur Entscheidung ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Täter trotz Belohnung und DNA-Spuren unauffindbar

Maria Kruse aus Versmold-Peckeloh wird 1983 brutal mit Hammer und Axt niedergeschlagen. Raub als Motiv oder Spuren eines Kampfes lassen sich nicht nachweisen. Obwohl die Polizei Handzettel verteilt und eine Belohnung von 3.000 D-Mark auslobt, bleibt der Täter unauffindbar.

Im Jahr 2001 kommt es in Steinhagen-Amshausen zu einem tödlichen Übergriff auf Susanne Nieter. Nach der Rückkehr ihres Ex-Mannes von einer Fahrt zu einer Sperrmüll-Deponie findet er sie schwer verletzt vor ihrem Haus. Sie ist mit einem Dachziegel erschlagen worden. Die 39-Jährige verstirbt vier Tage später an ihren Verletzungen. Gegen den Ex-Mann wird nicht ermittelt, der Täter ist bis heute nicht gefasst.

2009 wird die damals 67-jährige Ingrid Amtenbrink nach einem Musikfest in Gütersloh erwürgt in einem Kornfeld gefunden. Trotz zahlreicher DNA-Spuren und Massengentests bleibt der Fall ungelöst. „Die Hoffnung, ihn noch zu finden, besteht weiterhin“, sagt die Journalistin Nicole Donath.

Neue DNA-Technik löst Mordfall nach 16 Jahren

Doch einige jahrzehntealte Fälle können durch moderne Technik gelöst werden. Dafür gibt es Sonderermittlungsgruppen der Polizei, die sich diesen sogenannten Cold Cases widmen. Ein Beispiel ist der Mord an Martha Riewe aus Steinhagen.

Im September 1985 wird die 63-jährige Martha Riewe tot in ihrem abgelegenen Haus am Bußberg in Steinhagen gefunden. Sie ist über einen längeren Zeitraum hinweg brutal geprügelt worden und bereits zwei Tage vor ihrer Entdeckung verstorben. Die am Tatort gesicherten DNA-Spuren können damals nicht zugeordnet werden. Erst 16 Jahre später führt ein DNA-Abgleich zu einem Familienvater aus Steinhagen, der als Drogenkurier enttarnt wird. Seine DNA stimmt mit den Spuren am Tatort überein. Ihm wird der Prozess gemacht und nach seiner Verurteilung nach Serbien abgeschoben.

Die Mordrate an Frauen scheint ungewöhnlich hoch. Acht weibliche Opfer, darunter ein Mädchen, werden auf grausame Weise getötet. Doch Nicole Donath, Leiterin des „Haller Kreisblatts“, die erst kürzlich mit der Polizei gesprochen hat, erfährt, dass die traurige Realität eine andere ist: Der nördliche Kreis Gütersloh ist mitnichten ein Hotspot für Mord und Totschlag.