
Melle/Bielefeld. Ihre Beziehung beruhte auf einer Lüge, die Eltern waren von Anfang an skeptisch und als Laura N. (alle Namen geändert) es endlich schafft, sich von ihrem gewalttätigen Freund zu trennen, überfällt ihn die Eifersucht. Zwei Menschen sterben.
In der neuesten Folge von „Ostwestfälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Birgitt Gottwald und „NW“-Redakteur Jobst Lüdeking über den Verlauf der gewalttätigen Beziehung und die beiden tragischen Todesfälle aus dem Jahr 2001.
Laura N. und Serhart W. haben sich an einem Abend in der Disco kennengelernt. Serhart W. hat sich als Italiener ausgegeben, sich Roberto genannt und viel von seiner Familie in Parma, seinem Abitur und seiner Ausbildung erzählt. Drei Monate später kommt heraus, dass seine ganze Lebensgeschichte gelogen war.
Tödliche Eifersucht – der Fall im Überblick:
- Das Paar hat sich in einer Disco kennengelernt, Serhart W. lügt über Name, Herkunft und Werdegang.
- Laura N. versucht, sich mehrfach zu trennen, doch ihr Bielefelder Freund ist gewalttätig und droht auch, ihrer Familie etwas anzutun.
- Nach der Trennung erschießt er Laura und eine Kollegin in der Praxis, in der Laura arbeitet.
- W. stellt sich kurz nach der Tat bei der Polizei in Bielefeld. Er wird zu 15 Jahren Haft verurteilt, später jedoch vorzeitig entlassen.
- Acht Jahre nach der frühzeitigen Entlassung wird seine Leiche gefunden.
Die 19-Jährige bleibt trotzdem bei ihrem Partner, das Paar zieht sogar in eine gemeinsame Wohnung. Die Familie von Laura N. ist nicht begeistert von der Beziehung. Der Vater sagt, seine Tochter habe oft über Schmerzen geklagt und angefangen, sich stark zu schminken.
Ein paar Mal habe sie versucht, sich von Serhart W. zu trennen, doch der drohte im Fall einer Trennung damit, ihrer Familie etwas anzutun. Als der 20-Jährige ihr gegenüber gewalttätig wird, will ihr Vater zur Polizei gehen, doch Laura N. stoppt ihn. Weil sie Angst davor hat, ihr Freund könnte der Familie etwas antun, soll er auf eine Anzeige verzichten. Mehrfach soll W. damals Morddrohungen geäußert haben.
Morddrohungen und Angst um ihre Eltern
Im September gelingt der jungen Frau mithilfe ihrer Familie doch noch die Trennung. Doch alle haben Angst vor W. Denn der versucht weiterhin, mit der jungen Frau in Kontakt zu bleiben. Experten sprechen nun von Stalking. Ihre Eltern schlagen erneut vor, zur Polizei zu gehen. „Der bringt euch um!“, soll Laura N. daraufhin zu ihrem Vater gesagt haben, sodass sie sich erneut gegen die polizeiliche Hilfe entscheiden.
Die Eltern wollen damals ihre Urlaubsreise absagen, um ihre Tochter beschützen zu können. Als sie doch fahren, sagt die 19-Jährige zu ihnen: „Gut, dass ihr in Urlaub fahrt, dann kann er Euch nicht umbringen.“
Trotz neuer Beziehung fährt er bewaffnet nach Melle
Obwohl W. längst eine neue Beziehung führt, fährt W. am 11. Oktober 2001 mit einem lilafarbenen Ford Fiesta bei der Praxis vor, in der Laura N. gearbeitet hat. Ein Nachbar berichtet, gesehen zu haben, wie er eine Pistole aus dem Auto nimmt und in seinem Blaumann versteckt. Mit der Waffe ging er in die Praxis und soll Laura N. sowie eine Kollegin in eine Abstellkammer gedrängt haben. Dann schoss er seiner Ex-Freundin dreimal in den Rücken, sie starb sofort. Der Kollegin schoss er in den Mund und die Brust. Auch sie verblutete noch am Tatort.
Serhart W. flüchtet daraufhin über die A30 und die A2 in Richtung Hannover, kehrt aber wieder um. In einem Waldstück in Bielefeld-Senne stellt er abends den Wagen ab und kehrt in die Wohnung seiner neuen Freundin zurück. Dort wechselte er seine Kleidung und beriet sich mit Familienmitgliedern, erklärten die Ermittler später.
Der Fahndungsdruck wird massiv für den Bielefelder
Als er erfährt, dass das SEK mittlerweile seine Wohnung gestürmt hat, kommt Stress auf. Der „massive Fahndungsdruck“ führt dazu, dass der Täter sich am Donnerstagabend um 22.20 Uhr in Bielefeld der Polizei stellt. So berichtet es die ermittelnde Staatsanwaltschaft Osnabrück.
Serhart W. wird wegen zweifachen Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe, weil W. sein Opfer „aus Wut und verletzter Eitelkeit“ getötet habe. Doch aufgrund des jungen Alters des inzwischen 20-Jährigen und seines späten Geständnisses sehen die Richter von der Höchststrafe ab. Das Urteil lautet schließlich: 15 Jahre Haft wegen zweifachen Mordes.
Jahre später ermittelt noch eine Mordkommission
Die komplette Haftzeit muss der Doppelmörder übrigens nicht absitzen. Wegen guter Führung und einer positiven Sozialprognose wird er 2011 aus der Haft entlassen. Serhat W. lebt wieder in Bielefeld.
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Acht Jahre später ermittelt die Mordkommission erneut. Denn Serhart W. wird mit einer Schusswunde im Kopf tot in einem Zimmer des Bielefelder Tulip Hotels in der Bielefelder Altstadt gefunden. Die Mordkommission nimmt ihre Ermittlungen auf, kommt aber schon bald zu der Erkenntnis, dass sich W. die tödliche Schussverletzung selbst zufügte. Die Kripo geht von einem Suizid aus.
INFORMATION
Hilfe für Betroffene
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