Dorfläden vor Boom in Ostwestfalen-Lippe: Experte erklärt, was dahintersteckt

Bielefeld. Dorfläden sind Rosen in der Wüste, sagt Wolfgang Gröll. Denn wo sie stehen, ist sonst oft nichts: keine Bäckerei, kein Metzger, kein Supermarkt. Doch aus Sicht des Gründers der &bdquo;Vereinigung der Bürger- und Dorfläden in Deutschland“ stehen viele Dorfläden nun am Scheideweg. Viel hängt laut dem Experten davon ab, wie gut sich die von Bürgern betriebenen Einrichtungen auf die Babyboomer vorbereitet haben. Die Angehörigen der so bezeichneten geburtenstarken Jahrgänge aus den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem Jahrgang 1964 als Spitze gehen bald in Rente oder sind es schon. Im Ruhestand bleibe ihnen dann mehr Zeit für einen gemütlichen Besuch im lokalen Dorfladen, erwartet Gröll und sagt: &bdquo;Dorfläden stehen vor dem Boom.“ Doch beim Blick in die Region und die direkte Nachbarschaft entstand jüngst ein anderer Eindruck: So wird der Dorfladen in Amelunxen im Kreis Höxter Ende Juli schließen. Zu den genauen Hintergründen wollte sich Geschäftsführer Michael Knaup gegenüber dieser Zeitung nicht äußern. Schluss ist wenige Kilometer entfernt auch für den Dorfladen in Fürstenberg im Kreis Holzminden. Neben den Preissteigerungen beklagt man hier das Ausbleiben gerade der älteren Kundschaft. Menschen, die sonst mit dem Rollator zum Einkaufen kamen, würden mittlerweile von Pflegediensten mit Lebensmitteln versorgt, heißt es. Das Ende einer Erfolgsgeschichte: Dorfladen in Beverunger Ortsteil schließt Dass die Kundschaft aus Altersgründen weniger wird, stellt Dorfläden quer durch die Republik vor Herausforderungen. Manche Kunden seien ins Seniorenheim gegangen, andere verstorben, erklärt etwa der Vorsitzende eines Dorfladenvereins im Landkreis Neumarkt in Bayern gegenüber der Zeitung &bdquo;Mittelbayerische“. Experte präsentiert Erfolgsrezept für Dorfläden Doch aus Grölls Sicht ist es für Dorfläden sehr wohl möglich, neue Kundschaft zu gewinnen. &bdquo;Dafür darf man aber nicht dabei stehen bleiben, nur ein Miniatur-Supermarkt sein zu wollen“, sagt der Experte, in dessen Verein bundesweit 300 Dorfläden organisiert sind. Zum Erfolgsrezept zählt Gröll zunächst ein regionales Warensortiment mit Produkten aus der Umgebung und vielen Bio-Waren. Aber der Dorfladen muss auch Treffpunkt sein. Dafür sei es ratsam, ein kleines Café mit Bistro einzurichten. &bdquo;Die Kunden bleiben dann länger“, sagt der 58-Jährige. Wichtig seien zudem Serviceangebote, sagt Gröll. So komme es zum Beispiel gut an, wenn Dorfläden Eiersalat anbieten – anstatt nur Eier, aus denen das Rentnerehepaar daheim noch selber ein Gericht herstellen müsse, den Aufwand aber scheue. Zudem empfiehlt Gröll, am Preisimage zu feilen. Denn viele Kunden hätten einen falschen Eindruck von den Preisen in den Dorfläden, beklagt der Unternehmensberater. Dabei seien die Produkte oft günstiger als im Discounter. Einige Dorfläden haben das erkannt. Sie unterbieten gezielt Angebotspreise und machen damit Werbung, berichtet Gröll. Dorfladen-Kultur in NRW hat Nachholbedarf Sind die Weichen derart gestellt, lassen sich junge Familien für Dorfläden begeistern – und auch künftige Ruheständler, von denen es wegen der Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge bald sehr viele geben wird. Schon jetzt arbeiteten viele Dorfläden erfolgreicher als vor zehn oder 15 Jahren, berichtet Gröll. Doch in Nordrhein-Westfalen sieht der Experte in einigen Punkten noch Nachholbedarf. Im Süden der Republik seien Dorfläden samt Café und Bistro viel häufiger zu finden als im bevölkerungsreichsten Bundesland. NRW hole aber auf. Und auch die Dorfläden in Ostwestfalen-Lippe scheinen auf einem guten Weg zu sein – und das trotz einiger Schwierigkeiten. Das Laurentius-Lädchen im Örtchen Nammen im Kreis Minden-Lübbecke zum Beispiel bietet seiner Kundschaft 20 Plätze im Café, sagt Heike Bünte, Vorsitzende des verantwortlichen Vereins. Die Corona-Zeit mit ihren Beschränkungen war zwar ein Einschnitt. Doch mittlerweile habe sich die Resonanz im Café erholt, sagt Bünte. Zudem machten PC-Kurse und Waffelnachmittage den Dorfladen zum Treffpunkt. Selbstgemachtes und &bdquo;exklusive Spezialitäten“ in OWL-Dorfläden Auch die Inflation habe natürlich ihre Spuren hinterlassen. Die Zahl der Kunden sei leicht zurückgegangen – um etwa 10 Prozent im Vergleich zur Eröffnungsphase vor fünf Jahren, schätzt Bünte. Wirtschaftliche Sorgen hat die Vorsitzende aber nicht. Denn laufende Kosten würden durch die Vereinsbeiträge gedeckt. Und künftig erwartet auch Bünte, dass der Kundenstamm wegen der Babyboomer sogar wachsen werde. &bdquo;Ich glaube, da gibt es einen Trend.“ Auch im Dorfladen Häger im Kreis Gütersloh ist man zufrieden mit der Kundschaft, berichtet Uwe Gehring aus dem Vorstand des zuständigen Vereins. Mittlerweile seien einige ältere Stammkunden nicht mehr da. Aber neue Dorfladen-Fans treten an ihre Stelle. Besonders beliebt ist das Angebot mit seinen mehr als 600 verschiedenen Produkten auch bei Berufspendlern, erklärt Gehring. &bdquo;Die halten den Laden am Laufen.“ Lesen Sie auch: Wie ein Laden zum Zusammenhalt im Dorf Häger in OWL beiträgt Zum Erfolg mögen zudem auch einige &bdquo;exklusive Spezialitäten“ beitragen. Denn neben vielen regionalen Produkten wie Fleischwaren, Eiern und Honig gibt es im Dorfladen Lakritze aus Island oder Konfitüre aus Südengland. Auf einen großen Anteil Selbstgemachtes setzt derweil der Dorfladen Sonneborn im lippischen Barntrup. Dazu zählt Inhaber Andreas Müller Salate, belegte Brötchen, Eintöpfe und Kuchen. Auch Frühstück wird serviert. &bdquo;Von den Einnahmen könnte man zwar keine vierköpfige Familie ernähren“, sagt der 53-Jährige. &bdquo;Aber über die Kundschaft können wir uns prinzipiell nicht beklagen.“ Ansprüche der Generationen unterscheiden sich Deren Unterstützung fordert man ganz direkt im Dorfladen Dörenhagen im Kreis Paderborn ein. &bdquo;Wenn ihr nicht kommt, müssen wir dichtmachen“, stehe dem Sinn nach auf &bdquo;Erinnerungsschreiben“ an die Bewohner des 1.500-Einwohner-Ortes, sagt Hans Josef Ohms vom Dorfladen-Team. Auch im Dörenhagener Dorfladen gab es eine kleine Café-Sitzecke. Doch das Angebot sei schnell wieder aufgegeben worden, sagt Ohms. Der Platz direkt am Eingang sei ungünstig gewesen. Außerdem herrsche bei älteren Dorfbewohnern die Einstellung vor, dass man sich nicht einfach untätig hinsetzen könne. Dorfladen-Experte Wolfgang Gröll geht davon aus, dass sich die Ansprüche der heute 80-jährigen Kundschaft in dieser Hinsicht von den baldigen Ruheständlern unterscheide. Denn die hätten sehr wohl Interesse an Aufenthaltsmöglichkeiten, so Gröll. &bdquo;Wichtig ist, dass sich die Dorfläden den Bedürfnissen entsprechend immer wieder neu ausrichten“ – und so als Rosen in der Versorgungswüste überleben. Lesen Sie auch: Hofläden im Überblick: Hier gibt es in OWL Gemüse, Eier und Co. direkt vom Hof

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