Codename „Schlafender Riese“: Großes Wasserstoff-Projekt in OWL startet

Paderborn/Herford. Wasserstoff gilt als ein wichtiger Schlüssel für die Energiewende. Noch ist der Stoff knapp, teuer und ineffizient. Doch in ein paar Jahren dürfte sich das ändern, prognostizieren Experten. Schon jetzt läuft ein Wettbewerb unter den Regionen an. OWL scheint ganz vorne mit dabei zu sein: Nachdem das NRW-Wirtschaftsministerium Fördergelder in Millionenhöhe zugesagt hat, geht im Süden der Region jetzt ein einzigartiges Projekt an den Start. Sein Name: &bdquo;Schlafender Riese“. &bdquo;Wir geben jetzt den Startschuss – die Ausschreibungen beginnen“, sagt Jürgen Noch, Geschäftsführer des Unternehmens Westfalen Weser Netz (WWN), beim Exklusiv-Termin mit dieser Zeitung. Lange habe das Unternehmen auf Fördergelder aus Berlin oder Düsseldorf gewartet – NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) gab kürzlich grünes Licht. In OWL ist damit die Hoffnung verbunden, in der Energiewende in der ersten Liga mitzuspielen. Das neue und ambitionierte Wasserstoffprojekt im Süden des Kreises Paderborn eröffnet neue Chancen; ist aber zugleich überfällig. Bei der Anzahl der Windräder und Photovoltaikanlagen liegt OWL bereits im Landesvergleich weit vorn. Das kommt aber an Grenzen, wenn die erzeugte Energie gar nicht in das Netz eingespeist und verbraucht werden kann, da die Leitungen nicht groß genug sind. Das ist in OWL regelmäßig der Fall, weshalb allein 2023 Strom in einer Größenordnung von 11 Millionen Euro bezahlt, aber nicht genutzt wurde, weil er überschüssig war. Leistung wie fünf oder sechs Kohlekraftwerke Das Unternehmen Westfalen Weser Netz mit Sitz in Herford und Paderborn setzt dennoch weiter voll auf die erneuerbaren Energien. Schon jetzt liefern Wind und Sonne 2.050 Megawatt in das Netz, davon kommen 1.100 Megawatt aus Wind. Zum Vergleich: Das Kernkraftwerk Würgassen im Kreis Höxter hatte eine elektrische Leistung von 640 Megawatt. Westfalen Weser Netz will bis 2030 rund 8.000 Megawatt erneuerbare Energien ins Netz aufnehmen – davon mehr als 5.000 aus Windkraft und 2.500 aus Sonnenkraft. &bdquo;Das wäre die Leistung von fünf bis sechs großen Kohlekraftwerken“, sagt WWN-Geschäftsführer Andreas Speith. &bdquo;So etwas gibt es sonst nur an der windreichen Küste.“ Das Unternehmen, dessen Gesellschafter 56 Kommunen und Kreise sind, hat schon heute einen Anteil von 69 Prozent an erneuerbaren Energien im Netz. &bdquo;Wir glauben, dass wir die 100 Prozent schaffen können“, sagt Speith. Dafür sei es aber wichtig, &bdquo;groß“ zu denken. In Lichtenau im Kreis Paderborn entsteht mit dem &bdquo;Schlafenden Riesen“ ein Herzstück im Zuge der Energiewende. Eine sechs Kilometer lange Erdgasleitung mit einem Durchmesser von einem Meter soll in den kommenden Monaten so umgebaut werden, dass dort künftig überschüssiger Windstrom in Form von grünem Wasserstoff gespeichert werden kann. &bdquo;Wasserstoff gehört die Zukunft“, sagt Michael Dreier. Der CDU-Bürgermeister der Stadt Paderborn befindet sich schon länger in Gesprächen mit heimischen Unternehmen wie Benteler, um über die künftige Energieversorgung und die Produktion von grünem Stahl nachzudenken. Genau dafür ist der &bdquo;Schlafende Riese“ da. Ziel sei es, umliegende Unternehmen mit Wasserstoff zu versorgen. Dies sei &bdquo;definitiv“ auch eine Chance, um für neue Unternehmen und potenzielle Ansiedlungen interessant zu werden, meint Herfords Bürgermeister Tim Kähler (SPD). &bdquo;Die Kunst wird es sein, grüne Energie, die unabhängig vom volatilen Weltmarkt ist, hier in der Region zu halten“, sagt Kähler. Wasserstoff zur Speicherung sowie für Industrie und Verkehr In Lichtenau soll damit ab Jahresbeginn in kleinen Schritten begonnen werden. Ziel sei es anfangs zum Beispiel, Wasserstoff-Tankstellen zu bauen oder damit Müllfahrzeuge zu versorgen. &bdquo;Wasserstoff wird zunächst kein Massenprodukt sein, da er teuer und noch ineffizient ist“, sagt Speith. So gebe es einen Reibungsverlust von rund 30 Prozent. Doch vor allem für den Wärme- und Verkehrssektor eigne er sich hervorragend. &bdquo;Er ist zudem die einzige Form, um langfristig Energie zu speichern.“ Transportiert werden könnte der Stoff in der Region zunächst per Lkw – auf lange Sicht dann in neuen Leitungen. Das Unternehmen WWN sieht sich gerüstet für den Epochenwechsel im Bereich der Energien. &bdquo;Wir können den Großteil der Zukunftsinvestitionen mit eigenen Mitteln stemmen“, versichern Dreier und Kähler, die im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzen. Sie betonen, dass für den Wechsel zur erneuerbaren Energieversorgung aber auch die Digitalisierung und die verbesserte Speicherung von Energie massiv vorangetrieben werden müssen. &bdquo;Wenn das gelingt, dann dürften wir hier ein bundesweites Modell mit Vorzeigecharakter auf die Beine stellen“, glaubt Noch. &bdquo;Die Wertschöpfung muss da bleiben, wo die Energie erzeugt wird“, sagt Lichtenaus Bürgermeisterin Ute Dülfer. Als &bdquo;Energiestadt“ sei Lichtenau &bdquo;prädestiniert“ für das Projekt. &bdquo;Wir erweitern damit unser Portfolio und steigern gleichzeitig auch unsere Attraktivität als richtungsweisender Wirtschaftsstandort.“

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